Interview

Sorge um Bremens Karstadt-Filiale: Haben Kaufhäuser eine Zukunft?

Der Eingang zum Karstadt-Gebäude in Bremen

Das Ende der Kaufhäuser: "Ein Symbol für die Krise der Innenstadt"

Bild: dpa | Michael Gottschalk

Innenstädte werden einen starken Wandel erleben und Kaufhäuser spielen dabei nur noch eine untergeordnete Rolle, sagt Einzelhandelsexperte Andreas Haderlein im Interview mit Bremen Eins.

Zum zweiten Mal binnen zwei Jahren hat der Kaufhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof erneut Insolvenz angemeldet. Tausende Mitarbeiter bangen um ihren Arbeitsplatz. Rund 40 Standorte sollen offenbar geschlossen werden – also rund ein Drittel der Läden. Damit würde in vielen Innenstädten Deutschlands die Institution Kaufhaus der Vergangenheit angehören.

Ist das Konzept Kaufhaus, wo es fast alles gibt, noch zukunftsfähig oder in Zeiten des Internethandels ein Auslaufmodell? Im Interview mit Bremen Eins erklärt Andreas Haderlein, wie er die weitere Entwicklung der Innenstädte einschätzt. Haderlein ist Einzelhandelsexperte und berät Kommunen und Städte bei der Entwicklung ihrer Zentren.

Steigen wir doch gleich mit der Frage aller Fragen ein: Ist das Kaufhaus ein überholtes Konzept?

Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir über die Krise des Warenhauses sprechen. Ich kann mich erinnern, dass ich vor 15 Jahren schon mal ein Interview dazu gemacht habe. Ich würde sagen, die Zeichen der Zeit stehen definitiv nicht auf große Fläche und Immobilien, die auch noch beheizt werden müssen. Wir dürfen nicht vergessen, dass jetzt nach der Corona-Krise auch noch die Energiekrise hinzu kommt. Außerdem haben wir eine Kaufzurückhaltung. Und wir haben das Internet, das dem Warenhaus an sich geschadet hat.

Andreas Haderlein
Andreas Haderlein arbeitet als Wirtschaftspublizist. Sein Schwerpunkt ist die Entwicklung von Innenstädten und des Einzelhandels. Bild: Andreas Haderlein

Wenn man jetzt ganz konkret auf ein Unternehmen wie Galeria Karstadt Kaufhof guckt: Was muss passieren, damit die verbleibenden Kaufhäuser von Galeria Karstadt Kaufhof wirklich nachhaltig gerettet werden können.

Hätte ich darauf eine Antwort, wäre ich jetzt wahrscheinlich hoch dotierter Galeria-Manager. Die Sache ist letztlich sehr komplex und kompliziert. Wir haben Beschäftigte, die um ihren Arbeitsplatz bangen – das sollte man natürlich immer im Kopf haben. Aber bei großen Immobilien-Standorten, mit denen wir es meistens zu tun haben bei Warenhäusern, ist es ja nicht so wie beim Fußball: Man steigt in die zweite Liga ab, kommt dann in ein paar Jahren wieder und mischt die Bundesliga auf. Man muss in der ersten Liga bleiben. Und mit alten Rezepten etwas Neues zu kochen, ist immer schwer.

Deswegen glaube ich, dass wir in den kommenden zwei Jahren starke Veränderungen wahrnehmen werden. Standorte von Galeria Kaufhof werden definitiv geschlossen werden. Aber die attraktiven Standorte, gerade auch in den großstädtischen Zentren, die vielleicht auch noch in denkmalgeschützten Gebäuden zu Hause sind, können vielleicht eher positiv in die Zukunft blicken.

Ist es nicht so, dass Kaufen und Verkaufen schon seit Jahrhunderten einem stetigen Wandel unterlegen sind?

Völlig richtig! Wir haben einen Wandel in der Konsumkultur. Der ist mit Aufkommen des Internets extrem deutlich geworden. Waren des täglichen Bedarfs, die man auch überall kaufen kann, bekommt man eben auch überall im Internet. Es muss also etwas Besonderes sein, was Menschen in die Innenstädte zieht. Und das wird in Zukunft definitiv nicht mehr nur der Handel sein.

Unsere Städte wurden nach dem Krieg nicht nur auf Autos ausgerichtet, sie wurden auch monofunktional auf den Einzelhandel ausgerichtet. Und genau das ist der springende Punkt. Deswegen ist das Warenhaus nur ein Symbol für die Krise der Innenstadt, mit der wir es generell zu tun haben. Es gibt ja auch viele inhabergeführte, kleinere Geschäfte, die gerade Probleme haben. Über die spricht momentan nicht jeder. Das sind auch 120.000 Geschäfte, die in den nächsten Jahren Probleme bekommen werden. Das wird zumindest von großen Forschungsinstituten prognostiziert.

Wenn Sie 20 Jahre in die Zukunft blicken: Wie sieht da eine funktionierende Innenstadt aus?

Ich denke, es wird vor allem wieder viel mehr durchmischt sein mit Wohnen, Arbeiten und Leben. Wir stellen schon in größeren Städten fest, dass sich wieder Handwerkerhöfe ansiedeln. Es wird auch teilweise wieder zurückgebaut. Fußgängerzonen wurden in der Hochzeit der 60er und 70er Jahre erfunden. Auch da macht man vielerorts ein Fragezeichen dran. Und es wird sich in der Innenstadt auch viel um neue Mobilität drehen. Das Auto muss nicht unbedingt das einzige Vehikel sein, mit dem man in die Innenstadt kommt.

Ich glaube auch, dass der Renditefokus auf die Innenstadt bald passé sein wird. Anstatt Geld in die Rettung eines einzigen Unternehmens wie Galeria zu stecken, kann man es auch in einen Innenstadtfonds investieren. So könnte dann die gesamte Stadtgesellschaft, die Bürgerinnen und Bürger, mitgenommen werden bei der Gestaltung ihrer Innenstadt. Denn die Zentren sind ja nach wie vor die identitätsstiftende Orte einer Stadt – und das soll auch in 20 Jahren so sein.

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Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, 02. November 2022, 08:40 Uhr