Interview

Worauf sich Bremer Verbraucher im Supermarkt einstellen müssen

Bild: Imago | Kay-Helge Hercher

Rewe und Edeka fehlen Schokoriegel und Tierfutter, Aldi Nord macht künftig früher dicht. Ein Bremer Handelsexperte erklärt, warum der Lebensmittelhandel derzeit ächzt.

Große Lebensmitteleinzelhändler wie Aldi Nord, Edeka und Rewe machen offenbar Kostensteigerungen zu schaffen, die unter anderem in höheren Energiepreisen und Preisforderungen von Herstellern wie dem in Verden ansässigen US-Lebensmittelkonzern Mars begründet liegen. Der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Christian Feddersen erklärt, warum es gerade jetzt in den Gesprächen zwischen Herstellern und Händlern knirscht und was daraus für Verbraucher folgt.

Herr Feddersen, alles jederzeit kaufen zu können, war lange selbstverständlich. Jetzt fehlen bei Edeka und Rewe viele Markenprodukte in den Regalen und Aldi Nord macht früher dicht. Müssen Verbraucher umdenken?

Kurzfristig ja, aber meiner Ansicht ist das, was wir gerade sehen, ein vorübergehendes Phänomen. Es finden derzeit die so genannten Jahresgespräche statt, in denen zwischen Herstellern und Händlern das Geschäft für das nächste Jahr geplant wird. Da spielen in diesem Jahr eben die hohen Energiepreise, die stark gestiegenen Rohwarenpreise, aber auch die Wasserknappheit in der Landwirtschaft eine wichtige Rolle. Das erhöht die Kosten auf Herstellerseite. Ein Mittel, damit umzugehen, ist die Preiserhöhung…

Wirtschaftswissenschaftler Christian Feddersen von der Hochschule Bremen
Der Handelsexperte Christian Feddersen ist Professor für Betriebswirtschaft an der Hochschule Bremen Bild: Christian Feddersen

…die Edeka, Rewe und Co. ablehnen.

Wir haben da zwei Positionen, die im Moment etwas weiter auseinander liegen als in den Jahren zuvor. Und das kann dann dazu führen, dass Verhandlungen scheitern und manche Regale leer bleiben. In der Regel sind Händler und Hersteller aber bemüht, die Konflikte zu lösen. Denn sonst verlieren beide Geld.

Ist der Fall des Lebensmittelherstellers Mars kein Einzelfall?

Nein. In der Vergangenheit gab es immer mal wieder solche Fälle. 2019 gab es den Ketchup-Streit zwischen Kraft Heinz und Edeka, als Kraft Heinz die Preise um einen zweistelligen Prozentsatz erhöhen wollte. Edeka hat dann die Kraft Heinz-Produkte ausgelistet und auf eine Eigenmarke namens "Papa Joe‘s " gesetzt. Das hat aber meines Wissens nach auch nicht so geklappt. Ein paar Monate später haben sie sich wieder geeinigt. Das Besondere in der aktuellen Situation ist, dass im Grunde sämtliche Hersteller von der weltweiten Situation betroffen sind. Auch Produkte anderer Hersteller wie Kellogg oder JDE…

…der aus Jacobs hervorgegangene Konzern Jacobs Douwe Egberts…

…haben zum Teil Lieferschwierigkeiten. In vielen Supermärkten kommen derzeit offenbar nur 70 oder 80 Prozent der bestellten Waren an, weil sie nicht geliefert werden können.

Auch der Handel spart. Aldi Nord hat angekündigt, Öffnungszeiten wegen hoher Energiepreise zu kürzen. Werden andere Handelsketten nachziehen?

Es ist gut möglich, dass jetzt auch andere Händler nachziehen. Gerade der Lebensmitteleinzelhandel ist eine energieintensive Handelsform. Denken Sie an die Tiefkühltruhen, die Frischetheken, die Fleischtheken. Jede Stunde weniger Öffnungszeit spart hier Kosten ein. Die Kostenstruktur ist bei allen Lebensmittelhändlern ähnlich.

Es ist gut möglich, dass jetzt auch andere Händler nachziehen.

Christian Feddersen, Marketing-Professor an der Hochschule Bremen

Ein Unterschied ist allerdings, dass Aldi zentral geführt wird. Bei Rewe und Edeka gibt es hingegen selbstständige Einzelhändler, die im Rahmen ihrer Entscheidungskompetenz selbst bestimmen können, ob sie die Geschäfte offenhalten oder schließen. Faktisch machen aber auch schon jetzt einige Rewe-Standorte wieder früher dicht, die bis vor Kurzem noch bis 24 Uhr geöffnet hatten.

Aldi begründet die gekürzten Öffnungszeiten mit Energiekosten. Andere Händler beklagen hingegen Personalmangel. Spielt das auch eine Rolle?

Personalmangel herrscht auch im Lebensmitteleinzelhandel. Denn die Jobs dort sind für viele Menschen nicht so attraktiv, weil die Öffnungszeiten lang sind, am Wochenende gearbeitet werden muss und die Löhne nicht so hoch sind. Einen Mangel gibt es vor allem an den Frischetheken, wo ausgebildetes Personal mit Beratungskompetenz gebraucht wird. Dennoch würde ich sagen, dass die Energiepreise derzeit das Wichtigste sind.

Ist es denn vor allem der Lebensmitteleinzelhandel, der betroffen ist?

Nein. Die Kostensteigerungen treffen sämtliche Hersteller und Händler. In der Lebensmittelindustrie scheint das nur gerade besonders hohe Wellen zu schlagen. Ich glaube auch, die breite Masse der Verbraucher merkt die Veränderungen im Lebensmitteleinzelhandel stärker als im restlichen Einzelhandel, weil die Güter des täglichen Bedarfs öfter nachgefragt werden. Bekleidung kaufe ich mir nicht jede Woche – und wenn, dann zum Teil auch online. Bei Lebensmitteln muss man seine Gewohnheiten kurzfristig umstellen.

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Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 20. Oktober 2022, 19:30 Uhr