Fragen & Antworten

Hat Bremen wirklich den schlechtesten Bahnhof Europas?

Reisende schauen am Bremer Hauptbahnhof auf die Informationstafel zu den Abfahrten.
Bild: dpa | Sina Schuldt

Die US-Organisation Consumer Choice Center hat 50 Bahnhöfe in Europa bewertet. Das Ergebnis: Bremen landete auf dem letzten Platz. Allzu aussagekräftig ist das Ergebnis aber nicht.

Der Ruf des Bremer Hauptbahnhofs ist sowieso nicht der beste, Anfang der Woche ist er auf einem neuen Tiefpunkt angekommen: Denn im veröffentlichten Bahnhofs-Ranking "European Railway Index" der US-Organisation "Consumer Choice Center" (CCC) belegt der Bremer Hauptbahnhof von großen 50 Bahnhöfen in Europa den allerletzten Platz. Dass der schlechteste Bahnhof Europas in Bremen zu finden ist, ging danach auch überregional durch die Medien – dabei ist die Art und Weise, wie dieses Ergebnis zustande gekommen ist, durchaus zweifelhaft.

Worum geht es bei der Erhebung?

Die Macher haben sich nach eigener Aussage zum Ziel gesetzt, herauszufinden, an welchen Bahnhöfen in Europa das Reiseerlebnis am angenehmsten ist. Dazu haben sie sich 50 der größten Bahnhöfe in Europa herausgepickt und jeden Bahnhof anhand von 16 verschiedenen Kriterien bewertet. Besonders viele Punkte konnten die Bahnhöfe holen, wenn am Bahnhof die Züge pünktlich kamen und es außerdem Geschäfte und Kioske sowie Restaurants und Imbisse gibt. Weitere Kriterien sind Barrierefreiheit, Anbindung an den Nahverkehr und das Ausland, Öffnungszeiten der Bahnhofsinformation sowie die Verfügbarkeit von verschiedenen Ticketoptionen.

Was ist das Ergebnis?

Besonders gut hat der Bahnhof in Zürich abgeschnitten: Er holte 102 von 123 möglichen Punkten. Bester deutscher Bahnhof ist der Berliner Hauptbahnhof: Mit 90 Punkten landete er in der Gesamtwertung auf Platz 3. Am Ende des Rankings stehen die Bahnhöfe Berlin Ostkreuz, Berlin-Gesundbrunnen, Berlin Zoologischer Garten (alle 54 Punkte), München-Pasing (52 Punkte) – und mit etwas Abstand dann der Bremer Hauptbahnhof mit nur 39 Punkten. Auffällig ist, dass die letzten Plätze rein in deutscher Hand sind.

Wie hat Bremen im Speziellen abgeschnitten?

Leer ausgegangen ist Bremen unter anderem in Sachen Pünktlichkeit und Wartezeit für die Reisenden – am Stichtag 21. Juli kamen 42 Prozent der Züge zu spät – sowie in der Versorgung mit Geschäften und Kiosken am Bahnhof: Die neun Läden vor Ort reichten nicht aus, um Punkte zu holen. Auch dass es kein kostenloses Wlan, wenige Direktverbindungen ins Ausland und keinen Zugang zu Fahrgemeinschaften gibt, lässt Bremen schlecht dastehen. Punkten kann der Bahnhof dagegen mit Aufzügen, der Informationspolitik vor Ort, der Anzahl an Restaurants und Imbissen und der Barrierefreiheit im Bahnhof. Ebenfalls kam Bremen zugute, dass im Bahnhof verschiedene Ticketoptionen (Kinder-, Senioren, Behindertentickets etc.) zu kaufen sind und mehrere Bahnunternehmen dort unterwegs sind.

Wie ist das Ergebnis einzuordnen?

Dass Kriterien wie die Verfügbarkeit von verschiedenen Tickets oder Zugverspätungen auf die einzelnen Bahnhöfe zurückfallen, wirkt beim genaueren Hinsehen bereits merkwürdig. Und auch die Verfügbarkeit von Imbissen und Geschäften sei wie einiges anderes, was die Macher unter die Lupe genommen haben, kein Qualitätskriterium, sagt Malte Diehl, Vorsitzender des Landesverbands Bremen und Niedersachsen von "Pro Bahn". Allzu viel gibt er dementsprechend nicht auf die Ergebnisse: "Für mich ist das Ergebnis, vorsichtig ausgedrückt, mindestens mal zweifelhaft. Der Bremer Hauptbahnhof hat vielleicht ein schwieriges soziales Umfeld – das ist in anderen Städten aber auch so."

Er ist nicht schlechter als andere Bahnhöfe, und definitiv keine Vollkatastrophe.

Malte Diehl, Vorsitzender "Pro Bahn", Landesverband Bremen/Niedersachsen

Allein die Auswahl der 50 untersuchten Bahnhöfe verzerre für Diehl das Bild: "Denn viele Bahnhöfe, die mit Sicherheit schlechter dastehen als der in Bremen, tauchen in dem Bericht gar nicht auf."

Wer steckt hinter dem Bericht?

Das "Consumer Choice Center" (CCC) hat seinen Sitz in Washington und bezeichnet sich selbst auf seiner Homepage als "unabhängige, überparteiliche Verbraucherschutzgruppe". Die Initiative Lobbycontrol kritisiert CCC allerdings dafür, gegen "jegliche Art der staatlichen Regulierung" zu lobbyieren – vor allem im Bereich des Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschutzes. Auffällig ist in dem Zusammenhang, dass in dem Bericht das Deutschlandticket für das schlechte Abschneiden der deutschen Bahnhöfe verantwortlich gemacht wird. Dieses habe zu mehr Überlastung, längeren Wartezeiten und wachsender Frustration der deutschen Verbraucher geführt.

Das CCC finanziert sich nach eigenen Angaben durch private Spender. Geldgeber kamen dem CCC zufolge auch aus der Nikotin-, Alkohol-, Flug-, Chemie und Finanzbranche.

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