Halbzeit für Rot-Grün-Rot: Worauf es jetzt für Bremen ankommt

Halbzeitbilanz nach zwei Jahren Rot-Grün-Rot in Bremen

Bild: Imago | imagebroker, Jochen Tack, Action Pictures

Mit seinem Corona-Management hat der Bremer Senat bei Wählern gepunktet. Doch die Probleme in Kitas, Schulen und auf dem Arbeitsmarkt sind noch da. Das fordert die Opposition.

Selten waren sich Bremer Senat und Opposition zur Halbzeit einer Legislatur so einig wie dieses Mal – zumindest in einem Punkt: Darin, dass die Bewältigung der Corona-Pandemie in den ersten beiden Jahren des rot-grün-roten Regierungsbündnisses an oberster Stelle stand und auch stehen musste. "Corona ist die größte Krise der Nachkriegszeit. Wir können den Koalitionsvertrag nicht so abarbeiten, als gäbe es das nicht", sagt Senatspressesprecher Christian Dohle dazu.

Ähnlich sieht es offenbar auch ein Großteil der Bremer Bevölkerung. Sie misst den Senat derzeit vor allem an seinem Krisenmanagement. Das belegt eine kürzlich erschienene Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, die auf einer repräsentativen Umfrage der Bevölkerung im Land Bremen fußt. Der Titel: "Einstellungen zu Politik und Politikideen in Bremen". Hiernach sind die Menschen im Zwei-Städte-Staat überwiegend zufrieden mit der Arbeit des Senats, insbesondere mit Regierungschef Andreas Bovenschulte (SPD). Sie begründen diese Zufriedenheit vor allem damit, dass der Senat in der Corona-Pandemie gut agiert habe.

Allerdings benennen die Bremerinnen und Bremer in der Studie auch, worin sie die größten Herausforderungen für die Landespolitik der kommenden Jahre sehen. Deutlich an der Spitze steht in diesem Ranking das Thema "Schule und Kita", dem 49 Prozent aller Befragten eine herausragende Bedeutung beimessen. Es folgen die Themen "Soziale Ungleichheit und Armut" (35 Prozent) sowie "Wirtschaft und Arbeit" (34 Prozent): zwei Themenfelder, die sich aus Sicht der Bremer Politik nicht voneinander trennen lassen. buten un binnen hat sich, der Umfrage folgend, für die Analyse der wesentlichen landespolitischen Aufgaben nach zwei Jahren Rot-Grün-Rot auf Schule, Kita, Armutsbekämpfung, Arbeit und Wirtschaft konzentriert.

1 Schule und Kita

Kinder in einer Kindertagesstätte ziehen sich Schuhe an, auf dem Boden ein aufgeklebter Pfeil (Archivbild)
In Bremens Kitas müssen sich die Kinder den verfügbaren Platz genau einteilen. Bild: dpa | Frank Rumpenhorst

"Viel bewegt" habe der Senat in den letzten Jahren in den Kitas und Schulen, sagte die Senatorin für Kinder und Bildung, Claudia Bogedan (SPD), als sie im April ihren Rücktritt erklärte. Neue Kitaplätze entstünden und neue Schulbauten seien auf den Weg gebracht worden. Zudem sei Bremen bundesweit Spitzenreiter bei der Digitalisierung der Schulen. In keinem anderen Bundesland sei es bisher gelungen, flächendeckend Schüler wie Lehrkräfte mit mobilen Endgeräten und einem verbindlichen Lernmanagement-System auszustatten.

Tatsächlich erntet die ehemalige Bremer Bildungssenatorin dafür sogar Lob aus der Opposition: "Die Geschichte mit den iPads war richtig gut", sagt Yvonne Averwerser, Sprecherin für Bildung in der Bremer CDU-Fraktion. Da habe Bogedan aus dem Schlechten, aus der Pandemie, noch das Beste gemacht. Auch Hauke Hilz, stellvertretender Vorsitzender der Bremer FDP-Fraktion, sagt: "Das war gut." Jetzt komme es darauf an, dass Bremen auch die Berufsschulen modernisiere, dem technischen Stand der Unternehmen anpasse.

Hilz übt allerdings auch Kritik an der Kita- und Schulpolitik des rot-grün-roten Senats: "In der Stadt Bremen fehlen noch immer über 1.000 Kitaplätze." In Bremerhaven sehe es etwas besser aus. Davon unberührt sei der Personalmangel sowohl in den Kitas als auch in den Schulen im gesamten Land Bremen eklatant. "Da muss Bremen ganz schnell viel mehr tun", so Hilz.

Wo bleibt das Schulinstitut für Qualitätssicherung?

Eine Schulklasse beim Unterricht (Symbolbild)
In der Schulpolitik sehen viele Bremer die Herausforderung für die Landespolitik schlechthin. Bild: dpa | Matthias Balk

Nicht nachvollziehen könne er zudem, weshalb es das Regierungsbündnis noch immer nicht geschafft habe, das IQHB zu gründen, ein Schulinstitut für Qualitätssicherung nach Hamburger Vorbild. Die Gründung dieses Instituts stehe nicht nur im Koalitionsvertrag, sondern sei bereits 2017 beschlossen worden. Seine Kollegin aus der CDU sieht es genauso. Auch Averwerser versteht nicht, dass der Senat die Gründung des IQHB nicht schon vor Corona angepackt hat: "Das ist doch die Grundlage für mehr Qualität in den Schulen", sagt sie.

Kein gutes Haar lässt die CDU-Abgeordnete Sandra Ahrens an der Politik Bogedans. "Der Senat hat in den letzten zwei Jahren viel zu wenig getan", sagt sie mit Hinblick auf die Kitas. Bei der Inklusion habe Bremen sogar seit 2008 keine Fortschritte erzielt. Bremen-Nord sei abgehängt. Es müssten viel schneller viel mehr Kita-Plätze und auch neue Räume geschaffen werden, so Ahrens. Ganze Stadtteile, darunter Vegesack, seien unterversorgt.

Nach Angaben des Bremer Senats hat Bremen seit 2016 rund 5.000 Plätze in der Stadt Bremen geschaffen, davon 1.200 in dieser Legislatur. Weitere 2.400 Plätze seien bis Ende des Kita-Jahrs 2021/22 in Planung. In Bremerhaven entstünden in dieser Legislatur 620 Kita-Plätze. Ohne konkrete Zahlen zu nennen, hat Bremens neue Senatorin für Kinder und Bildung, Sascha Aulepp, bei buten un binnen allerdings bereits eingeräumt, dass Bremen mit dem Ausbau von Kitas, Schulen und Sporthallen weiterhin vor "riesigen Herausforderungen" stehe.

2 Armutsbekämpfung, Arbeit und Wirtschaft

Blick in die Produktionsstraße von Mercedes-Benz in Bremen (Archivbild)
Die Bremer Wirtschaft, darunter die Automobilindustrie, ist dabei, sich langsam zu erholen, sagt die Handelskammer. Ob dadurch aber neue Arbeitsplätze enstehen, ist ungewiss. Bild: dpa | Carmen Jaspersen

Die zweit- und die drittgrößte Baustelle für die Bremer Landespolitik sehen die Bremerinnen und Bremer laut der Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung derzeit in der "Armutsbekämpfung" sowie in "Arbeit und Wirtschaft". In Bremens Politik herrscht Konsens, dass diese Felder eng verknüpft sind. So reklamiert der Bremer Senat für sich eine Vielzahl kleiner Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und spricht in diesem Zusammenhang vorzugsweise von "ressortübergreifenden Handlungsfeldern", die von SPD, Grünen und Linken gleichermaßen getragen würden.

Das wohl prominenteste Beispiel: Bremen hat den landesweiten Mindestlohn schrittweise von 11,19 auf 12 Euro pro Stunde erhöht. Zum Vergleich: Der gesetzliche, bundesweit gültige Mindestlohn liegt bei 9,60 Euro pro Stunde. Auch hat Bremen die Sozialwohnungsquote in dieser Legislatur von 25 auf 30 Prozent angehoben. Das Programm "Wohnen in Nachbarschaften" (WiN) mit seinen sozialen Projekten zur Stärkung von belasteten Quartieren hat Bremen um knapp ein Drittel gegenüber 2019 erhöht: auf knapp 2,3 Millionen Euro, wie Bernd Schneider aus dem Sozialressort mitteilt. Schneider sagt aber auch, dass die Armutsbekämpfung im engen Sinn im Wesentlichen in der Bildungspolitik und der Arbeitspolitik stattfinde.

"Ein äußerst gefährlicher Kurs"

Zwar ist die Arbeitslosenquote im Land Bremen zuletzt leicht gesunken: auf derzeit 10,7 Prozent (Bundesdurchschnitt: 5,7 Prozent). Auch betonte Handelskammer-Präses Janina Marahrens-Hashagen kürzlich bei der Vorstellung des Statistischen Jahresberichts der Kammer: "Gegenwärtig stehen die Zeichen in Bremen und Bremerhaven klar auf wirtschaftlicher Erholung."

Dennoch ist man in der Opposition nicht davon überzeugt, dass sich Bremen in der Arbeits- und Wirtschaftspolitik auf dem richtigen Weg befindet. Handelskammer, CDU und FDP kritisieren seit Jahren, dass Bremen zu wenig Gewerbeflächen schaffe. "Um Arbeitsplätze und Unternehmen in Bremen zu halten und neue anzusiedeln, brauchen wir ein attraktives und schnell aktivierbares Angebot", sagt Carsten Meyer-Heder, wirtschaftspolitischer Sprecher der Bremer CDU-Fraktion. Der rot-grün-rote Bremer Senat aber habe bislang nicht einen neuen Quadratmeter an Gewerbeflächen ausgewiesen. "Ein äußerst gefährlicher Kurs", findet Meyer-Heder.

FDP kritisiert wirtschaftsfeindliches Klima in Bremen

Lencke Wischhusen, Fraktionsvorsitzende der Bremer FDP, sieht es ebenso. In ihren Augen ist Bremen derzeit nur sehr bedingt ein wirtschaftsfreundliches Pflaster. Zur Untermauerung ihrer These verweist sie auf eine Untersuchtung der KfW-Bank, nach der von 2017 bis 2019 in keinem anderen Bundesland so wenig Unternehmen pro 1.000 Einwohner gegründet worden sind wie im Land Bremen: 37.

Es sei schwierig für Unternehmen, in Bremen neue Arbeitsplätze zu schaffen, so Wischhusen. Um aber Armut wirksam zu bekämpfen, wie von den Befragten Bremerinnen und Bremern gefordert, seien weitere Arbeitsplätze das A und O. Zwar gebe es eine Vielzahl an Unterstützungsangeboten für Arbeitssuchende in Bremen. Allerdings wisse niemand, welches dieser Angebote tatsächlich etwas bringe. Denn der Senat versäume es seit Jahren, diese Programme zu evaluieren. "Für uns sieht das aus, als würde Arbeitslosigkeit nur verwaltet", resümiert Wischhusen.

Man darf davon ausgehen, dass der Bremer Senat diesem Eindruck der FDP-Politikerin bis zur nächsten Bürgerschaftswahl entgegenwirken wird.

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 13. Juli, 19.30 Uhr