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Haben Bremer Polizisten gegen das Polizeigesetz verstoßen?

Gutachten: Verstößt die Bremer Polizei gegen das Polizeigesetz?

Bild: dpa | Sina Schuldt

Ein Gutachten legt deutliche Mängel offen. In 74 Fällen wurde demnach nicht dokumentiert, ob bei Handy-Ortungen die Betroffenen ausreichend informiert wurden.

Wie funktionieren die neuen Überwachungs-Paragraphen des Polizeigesetzes in der Praxis? Wie sinnvoll sind sie anwendbar? Werden die Grundrechte der Bürger gewahrt? Solche Fragen sollte die nachträgliche Überprüfung – die Evaluation – des im Jahr 2020 in Kraft getretenen, neuen Polizeigesetzes klären. Eigentlich bis zum 31. August 2023. Doch der Termin verstrich. Erst im Februar und März 2024 wurden die Gutachter beauftragt. Jetzt, mit monatelanger Verspätung, ist der Bericht fertig und liegt buten un binnen exklusiv vor.

Abhören, mitlesen und orten: Das alles ermöglichen die neuen Überwachungs-Paragraphen der Polizei. Doch laut den Gutachtern werden diese Möglichkeiten fast nicht genutzt. Die Ausnahme macht jedoch Paragraph 43. Darin ist die Standortermittlung per Handydaten erlaubt. Davon machte die Bremer Polizei in den Jahren 2021 bis 2023 insgesamt 75 Mal Gebrauch. Fast immer ging es dabei um das Verhindern von Suiziden. Und fast immer war das Vorgehen der Polizei dabei laut Gutachten regelwidrig.

Nur einmal wurden Betroffene belehrt

Denn auch wenn man den Beamten beim Verhindern von Suiziden nur die besten Absichten unterstellen würde, missachteten sie laut Gutachten die Vorgaben des Polizeigesetzes und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

In nur einem der 75 Fälle wurde demnach die betroffene Person ordnungsgemäß über die Ortung informiert und über ihre Rechte belehrt. Die Polizei dokumentierte ihr Vorgehen. In allen anderen 74 Fällen ist das laut Gutachter strittig. Da die Polizei ihr Vorgehen 74 Mal nicht ordnungsgemäß dokumentierte, sei nicht nachprüfbar, ob die Betroffenen überhaupt über die Maßnahme informiert worden seien, oder nicht.

Erneuerung des Polizeigesetzes nächste Woche im Senat

Für die Betroffenen bedeutet das im Zweifelsfall, dass zum Beispiel ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt wurde. Auf Nachfrage erklärt eine Sprecherin des Innenressorts dazu: "Die Datenschutz- und Informationspflichten des Polizeirechts sind uns ein hohes Gut. Wo die Gutachter noch Verbesserungsmöglichkeiten identifiziert haben, werden wir diese umsetzen."

Die Datenschutz- und Informationspflichten des Polizeirechts sind uns ein hohes Gut.

Sprecherin des Bremer Innenressorts

Die verspätete Überprüfung der Überwachungs-Paragraphen im neuen Polizeigesetz stellt jetzt vor allem Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) und seine Polizei vor Herausforderungen. Denn die neuen Paragraphen gelten nur bis zum 30. Juni 2024. Sollten sie bis dahin nicht vom Parlament erneuert werden, fallen sie automatisch weg.

Nach buten un binnen-Informationen soll es aber bereits eine Einigung mit dem Linken und dem Grünen Koalitionspartner geben – den im Gutachten festgestellten Mängeln zum Trotz. Und so soll die Erneuerung des Polizeigesetzes und seiner Überwachungs-Paragraphen bereits am Dienstag den Senat passieren. Anschließend könnte das Ganze dann in der Bürgerschaft verabschiedet werden. Die Bürgerschaft muss die Geltung des Gesetzes vor Ende Juni verlängern, damit es nicht automatisch ausläuft.

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Autor

  • Hauke Hirsinger
    Hauke Hirsinger Autor

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 5. Juni 2024, 19:30 Uhr