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Droht uns eine neue Eiszeit? Das sagt ein Bremerhavener Klimaforscher

Ein Erdkugel-Modell liegt im Schnee.
Bild: dpa | CHROMORANGE | Christian Ohde

Eine neue Studie warnt: Abrupt kippende Meeresströme könnten die Temperaturen in Europa stark senken. Was davon zu halten ist, bewertet ein Forscher vom AWI in Bremerhaven.

Kürzlich ist vielen richtig kalt geworden – nicht nur, weil die Temperaturen nochmal abgesackt sind, sondern auch angesichts von Meldungen über eine drohende neue Eiszeit. Grund war eine aktuelle Studie der Universität Utrecht. Forscherinnen und Forscher hatten einen Computer mit Daten zu Meeresströmungen gefüttert, Ergebnis: Diese könnten absehbar zusammenbrechen, mit gravierenden Folgen auch für Europa.

Ein Mann sitzt an einem Schreibtisch und blickt in die Kamera.
Torsten Kanzow leitet am AWI die Bereiche Klimawissenschaften und Physikalische Ozeanographie der Polarmeere. Bild: Radio Bremen | Catharina Spethmann

Was besagt die neue Klima-Studie?

Es geht in der Untersuchung um die Meeresströmung im Atlantik. Seit langem gibt es Warnungen aus der Wissenschaft, dass die Klimaerwärmung diese durcheinanderbringt. Das könnte etwa bedeuten, dass sich der Golfstrom abschwächt. Der sorgt bisher dafür, dass es bei uns relativ warm ist.

Die Studie aus den Niederlanden warnt nun: Meeresströmungen könnten sich nicht langsam abschwächen, sondern abrupt kippen. In Europa würden dadurch die Temperaturen stark sinken – und schnell, nämlich mehr als drei Grad pro Jahrzehnt. Sich darauf einzustellen, dafür können sich Forscherinnen und Forscher keine realistischen Maßnahmen vorstellen, warnen sie.

Das klingt alarmierend – wie ist die Studie zu bewerten?

Um das einzuschätzen, lohnt eine Anfrage beim Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven. Dort erforscht Torsten Kanzow Meeresströmungen. Er sagt: Aus der Studie kann man nicht ableiten, dass eine neue Eiszeit droht. Er sagt aber auch: akademisch interessant ist sie schon.

Weil es zum ersten Mal gelungen ist, in einem relativ komplexen Klimamodell zu zeigen, dass die atlantische Umwälzzirkulation relativ abrupt zusammenbrechen könnte. Aber das Szenario, in dem dieses Modell betrieben wurde, ist sehr, sehr idealisiert. Und es ist sehr fraglich, ob sich dieses Szenario auf die Realität übertragen lässt.

Ein Mann im weißen Hemd blickt vor verschwommenem Hintergrund in dei Kamera.
Torsten Kanzow, AWI Bremerhaven

Die Realität gibt das derzeit nicht her, sagt Kanzow. Auch, weil viel mehr Faktoren mit hineinspielen, als in das Modell eingeflossen seien. Ob also wirklich zu erwarten ist, dass Meeresströmungen abrupt stoppen – das sei momentan nicht klar und müsse noch erforscht werden. Klar scheint hingegen: Meeresströmung im Atlantik, darunter der Golfstrom, schwächen sich ab – zumindest langsam.

Was könnten die Folgen für uns sein?

Es könnte regionale Abkühlungseffekte geben, sagt Kanzow. Es sei schwierig, das im Einzelnen vorherzusagen. Wenn es in einigen Regionen langsame Abkühlungen gibt, würden diese durch die Klimaerwärmung mehr als ausgeglichen. Der Forscher betont: Es führt kein Weg am Kampf gegen den Klimawandel vorbei. Zumal dessen Einfluss auf die Meeresströmungen nicht das einzige Problem ist, das er verursacht.

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Bild: Radio Bremen

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Autorinnen und Autoren

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Vormittag, 12. März 2024, 12:40 Uhr