Kommentar

Das ist an Lächerlichkeit nicht zu toppen!

Plötzlicher Sinneswandel beim Eiswettverein: Am Bremer Eiswettessen dürfen künftig Frauen teilnehmen. Unser Redakteur Karl-Henry Lahmann hält das für ein unwürdiges Schauspiel.

Bild: dpa | Carmen Jaspersen

Der Eiswettverein lässt Frauen als Gäste und perspektivisch sogar als Genossinnen zu. Was für eine Nachricht. Und die Genossen sind sogar – anders als sonst? – von der Richtigkeit ihres Tuns überzeugt. Na, dann kann die Welt sich ja weiterdrehen.

Es verlangt dem erstaunten, selbst dem wohlwollenden Beobachter schon einiges an Haltung ab. Diese Skrupellosigkeit, mit der die Eiswett-Genossen mit ihrem Präsidenten Patrick Wendisch vorneweg Kreide fressen und das nach dem Debakel des letzten Eiswettessens noch als eigene Weiswerdung verkaufen wollen. Das ist an Lächerlichkeit nicht zu toppen.

Peinliches Getue der Herren

Die ach so ehrwürdige und vornehme Gesellschaft hatte offengestanden keine Chance mehr, aus der Affäre um die Zutrittsverweigerung für die damalige Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) bei der Eiswette 2019 mit heiler Haut heraus zu kommen. Zu peinlich war die Nummer, zu hartgesotten bis hin zu unwürdigem Schulterklopfen vor laufender Kamera war das Getue der Herren, die wohl doch eher nur Männer sind. "Uns kommt doch keine Frau an den Katzen-, geschweigedenn an den Präsidententisch. Und wenn sie dreimal erfolg- und einflussreich ist", wird der Grundgedanke gelautet haben. Denn, so ein Grusel: "Sie ist eine Frau!"

Kann man unter Reaktionären durchaus so sehen, muss man dann aber auch glaubhaft vertreten. Oder – besser – im richtigen Moment die Zeichen der Zeit erkennen und die Absage des Bürgermeisters als Chance begreifen, mit Würde und Souveränität die Bürgermeisterin zum Fest zu bitten und dabei gleich den Muff von 190 Jahren über Bord zu kippen.

Die Chance gab es im Januar 2019. Sie wurde nicht genutzt, sie wurde mit Füßen getreten.

Im Oktober 2019 gibt es keine Chance mehr, nicht mal, wenn der Kreidestaub über die edle Wochenzeitung "Die Zeit“ ausgeatmet wird. Jetzt "von der Richtigkeit dieser Entscheidung überzeugt" zu sein, offenbart ein Maß an Charakterlosigkeit, das sprachlos macht. Glaubwürdig wird das in den nächsten 190 Jahren nicht.

Frauen sollten Einladungen ausschlagen

Einladungen wird es geben, da können wir alle sicher sein, ein halbes Dutzend vielleicht. Die Präses der Handelskammer ist sicher gesetzt. Vielleicht die frisch inthronisierte SAP-Vorstandschefin Jennifer Morgan als erste (!) Vorstandsvorsitzende eines DAX-Konzerns – was für eine Win-Win-Situation! Und wenn es ganz gut läuft vielleicht noch eine Bundesministerin vom Kaliber einer Julia Klöckner, die dann gleich den Wein mitbringen kann (Herrenwitz!). Und dann wird es für das erste Mal sicher auch reichen. Man will ja nicht gleich über die Stränge schlagen. 

Nun, liebe Damen, heißt es Standhaftigkeit zu zeigen: Das wirklich Schöne an Einladungen ist: Man kann sie ausschlagen. Ergreifen Sie diese Gelegenheit beim Schopfe! Gönnen Sie sich einen schönen Samstag mit echten Freunden, statt mit einer Zusammenrottung von Männern, die sich nur in Ihrem Glanze sonnen wollen und im Schatten der Herrentoilette über Sie witzeln. Die meinen es nicht ernst. Die wollen Sie nur instrumentalisieren. 

Autor

  • Karl-Henry Lahmann
    Karl-Henry Lahmann

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 23. Oktober 2019, 19:30 Uhr

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