Wie schützt Bremen Kinder drogenabhängiger Eltern?

Ein Kleinkind hält Tabeletten in den Händen.

Wie schützt Bremen Kinder drogenabhängiger Eltern

Bild: dpa | Mascha Brichta

Ein Kleinkind in Bremen-Vahr ist durch Drogen vergiftet worden. Der Vater steht vor Gericht. Wie kann man Kinder besser schützen? In Bremen gibt es ein Programm für betroffene Eltern.

Der damals Einjährige, der in der Bremer Vahr durch Drogen der Eltern vergiftet wurde, erlitt schwere neurologische Schäden. Am Amtsgericht wird der Fall verhandelt. Der weckt bei vielen Bremern Erinnerungen an den Fall Kevin. Das Kleinkind wurde 2006 von seinem drogenabhängigen Stiefvater getötet. Um solchen Fällen vorzubeugen gibt es ausgebildete Kräfte und Beratungsstellen.

30.000 Eltern sind bundesweit laut Sozialressort Bremen drogenabhängig. Demnach leben vermutlich ein Prozent von ihnen, also etwa 300, in Bremen, wie Bernd Schneider, Sprecher des Sozialressorts sagt. Genaue Zahlen gebe es nicht. Ein Großteil der betroffenen Eltern seien alleinerziehende Mütter. Über die Gründe könne man nur mutmaßen: Häufig würden sie in unstabilen Lebensverhältnissen leben, die Väter der erzieherischen Verantwortung nicht nachkommen.

ElternPlus in Bremer Bahnhofsvorstadt

Eine der Instutionen, die Schwangeren und betroffenen Eltern in der Drogensucht helfen, ist das Beratungsangebot ElternPlus. In der Bahnhofsvorstadt angesiedelt, bietet es niedrigschwellige Drogenberatung an. Das Team von ElternPlus fungiert als Bindeglied zwischen der Drogenhilfe und der Jugendhilfe, um die Kommunikation zwischen den beiden Stellen zu vereinfachen.

"ElternPlus richtet sich an Eltern, die primär Kinder zwischen null und zwei Jahren haben und selber Drogen konsumieren", sagt Henrike Furcher, Sozialarbeiterin bei ElternPlus. Sie hat soziale Arbeit studiert und hat ihr Anerkennungsjahr bei der Beratungsstelle gemacht. Auch Anna Tibert ist Sozialrbeiterin bei ElternPlus. Sie hat Psychologie studiert und ist seit 2018 bei ElternPlus als Sozialarbeiterin. Ihr Team besteht aus vier Mitarbeiterinnen. Sie kennen ihre Klienten, wissen, wo sie sich aufhalten und wie sie ihnen am besten helfen können.

Vertrauen ist die Basis

Wichtig ist dem Team von ElternPlus dabei vor allem eins: Keine Stigmatisierung von Menschen, die drogenabhängig sind – nicht in der Politik und auch nicht in den Medien. Es gebe nicht eine homogene Gruppe, die drogensüchtig sei. Ihre Klienten seien vielfältig, sagt Tibert. "Streetwork und die Arbeit am Bahnhof ist definitiv ein ganz wichtiger Teil unserer Arbeit. Es gibt auch Leute, die wir hier in einer Beratung haben, die einen Job haben und mit ihrem Partner und ihren zwei Kindern ganz normal leben und trotzdem Drogen konsumieren und Hilfe benötigen." Sie betreuen darüber hinaus auch Menschen aus verschiedenen Ländern.

Wir sind draußen bekannt als die Frauen, die sich mit Kindern und Schwangerschaft auskennen. Die Leute sprechen uns von sich aus an.

Anna Tibert, Sozialarbeiterin und Psychologin bei ElternPlus

Mittlerweile haben die beiden ein Netzwerk. Das Vertrauen haben sie sich über die Jahre aufgebaut. Deshalb müssen sie ihre Klienten nicht mehr durch Detektivarbeit finden. Viel mehr würden Betroffene sie häufig von alleine ansprechen. "Wir sind draußen bekannt als die Frauen, die sich mit Kindern und Schwangerschaft auskennen. Die Leute sprechen uns von sich aus an", erzählt Tibert. So könne man für alle Beteiligten eine optimale Lösung schaffen. Im Idealfall gehen sie dann auch mit den Eltern zum Jugendamt. Zur Meldung seien sie verpflichtet.

Fachliche Weisung nach dem Fall Kevin

Das Team von ElternPlus muss immer eingeschaltet werden, wenn Kinder im Alter von 0 bis zwei Jahren betroffen sind. Das ist so in der fachlichen Weisung festgelegt. Diese Weisung ist nach dem Fall Kevin im Jahr 2006 entstanden und regelt genau, wie mit drogenabhängigen Eltern oder substituierenden Eltern umzugehen ist. Der Fall Kevin hat 2006 auch bundesweit für Aufsehen gesorgt. Beide Eltern waren drogenabhängig, das Jugendamt hatte nach dem Tod der Mutter die Vormundschaft inne. Zum damaligen Zeitpunkt war man noch davon ausgegangen, dass ein Kind in einer drogenabhängigen Familie verbleiben sollte um die Eltern und das Umfeld zu stabilisieren. Ein fataler Trugschluss, wie sich später herausstellen sollte. Der zweijährige Kevin wird von seinem Stiefvater getötet.

Es gibt den ganz stärken und den ganz klaren Fokus auf das Kindeswohl. Das ist das, was als Erstes gesichert wird. Alles andere wird im Nachlauf geregelt.

Pressesprecher des Sozialressorts, Bernd Schneider

Damit das nicht wieder passiert, habe man direkt nach dem Fall Maßnahmen getroffen, sagt der Pressesprecher des Sozialressorts, Bernd Schneider. Unter anderem gebe es eben jetzt eine fachliche Weisung. Schneider spricht von einem Paradigmenwechsel: "Es gibt den ganz stärken und den ganz klaren Fokus auf das Kindeswohl. Das ist das, was als Erstes gesichert wird. Alles andere wird im Nachlauf geregelt."

Trotzdem Nachbesserungsbedarf

Trotz fachlicher Weisung laufe nicht immer alles glatt, erzählt Anna Tibert von ElternPlus aus Erfahrung. Um auch in Zukunft Eltern und Kind betreuen zu können wünscht sich das Team der Beratungsstelle vor allem eins: Eine flüssige und gute Zusammenarbeit mit dem Amt für soziale Dienste, dem Jugendamt. "Es ist für uns ganz wichtig, dass wir möglichst früh von allen Stellen die Kenntnis bekommen von drogenkonsumierenden Eltern oder Schwangeren", sagt Tibert. Je früher sie Bescheid bekämen, desto besser könne man helfen. In der Vergangenheit habe man erst bei der Geburt von Klienten erfahren. Das erschwere die Arbeit. Schließlich wolle man für alle Beteiligten nur das Beste.

Autorin

  • Marie Roters
    Marie Roters Autorin

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 21. Dezember 2022, 12:15 Uhr