3 Monate Bürgergeld: So geht es Bremerinnen und Bremern damit

Brille und Geldscheine liegen auf einem Bürgergeld-Bescheid
In Bremen und Bremerhaven haben sich seit Januar mehr Menschen zum Bürgergeld beraten lassen. Bild: Imago | Bihlmayerfotografie

Weniger finanzieller Druck und mehr Respekt – zum Anfang des Jahres hat das Bürgergeld Hartz IV ersetzt. Aber hat sich für die Empfänger seit dem etwas verändert?

Neu ist vor allem der Regelsatz, der ist gestiegen. Statt 449 Euro bei Hartz IV, liegt der beim Bürgergeld nun bei 502 Euro. Grundsätzlich seien mehr Menschen leistungsberechtigt als zuvor, heißt es vom Jobcenter Bremen. In den letzten drei Monaten sei der Beratungsbedarf in den Jobcentern gestiegen. "Unsere Geschäftsstellen berichten von einer angestiegenen Anzahl an Menschen, die sich zum Beispiel 'durchrechnen' lassen, ob ein Anspruch auf Bürgergeld bestehen würde oder auch wie das Antragsprozedere funktioniert", sagt Pressesprecherin Katrin Demedts.

Doch beim Bürgergeld geht es nicht nur darum, Leistungsempfänger finanziell etwas besserzustellen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) verspricht sich davon eine Sozialreform: "Mit dem Bürgergeld wird der Staat gerechter und moderner." Aber kommt das bei den Menschen an? buten un binnen hat mit sechs Bremerinnen und Bremern darüber gesprochen, wie es ihnen mit dem Bürgergeld bisher geht. Alle von ihnen wollen dabei anonym bleiben, auch ihre Vornamen sind auf Wunsch zum Teil geändert.

Bürgergeld-Empfänger in Bremen und Bremerhaven

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Anderer Name, aber die gleichen Probleme?

"Ich bekomme jetzt ein bisschen mehr Geld", sagt Petra (Name von der Redaktion geändert). Sie lebt mit jemandem zusammen, in dieser Bedarfsgemeinschaft wird alles verrechnet. Einen finanziellen Aufschwung bringe ihr das Bürgergeld nicht. "Im Prinzip habe ich jetzt dasselbe." Viele Betroffene sind verhalten bei dem Thema Bürgergeld. Von großen Verbesserungen sprechen sie nicht. "Das ist ein bisschen besser geworden, ja", sagt Thomas. Da das Bürgergeld jetzt erst angelaufen sei, könne er noch nicht viel dazu sagen.

Ganz anders sieht das Anna (Name von der Redaktion geändert): "Es könnte auch Hartz V heißen." Für sie habe sich seit Jahresbeginn nichts geändert, es sei alles dasselbe geblieben. Sie ist arbeitslos und nur weil sie statt Hartz IV nun Bürgergeld bekomme, sei der finanzielle Druck nicht verschwunden.

Es wurde groß angekündigt, die Politiker haben ihre Pflicht getan und das war es dann.

Anna (Name von der Redaktion geändert)

Damit ist Anna nicht allein, auch Wolfgang sieht das so: "Es ist ja nicht gerade viel Geld, was da dazu gekommen ist." Seine finanzielle Situation verändere das Bürgergeld nicht. "Geholfen hat es auf jeden Fall nicht", sagt er.

"Es reicht hinten und vorne nicht"

Den Betroffenen machen vor allem die gestiegenen Preise zu schaffen. Da nütze auch das "bisschen mehr an Bürgergeld" für Ava (Name von der Redaktion geändert) nicht, sagt sie. "Lebensmittel sind einfach zu teuer geworden, es reicht nicht bis zum Monatsende." Seit Januar habe sie durch das Bürgergeld zwar hundert Euro mehr jeden Monat, aber durch die gestiegenen Lebenshaltungskosten bringe ihr das nichts. Es reiche hinten und vorne nicht.

"Alles ist teurer geworden", sagt Anna, "das, schluckt alles." Für sie sind neben den Lebensmittelpreisen auch die Stromkosten eine Belastung. "Man kommt damit klar, aber man muss sparsam sein", meint sie. Trotz Bürgergeld sei es knapp.

So setzt sich der Regelsatz von 502 Euro Bürgergeld in 2023 zusammen

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Das kann beim Bürgergeld noch besser werden

Sie kommen gerade so hin, erzählen Petra und Anna. Trotzdem würden sie sich wünschen, etwas mehr Geld zur Verfügung zu haben: "100 bis 150 Euro wäre schon angemessen, das würde einen Unterschied machen", erklärt auch Wolfgang.

"Die Menschen sind nicht so gut informiert", meint Fatih. Er selbst komme mit dem Bürgergeld zurecht, habe es aber schwierig gefunden, alle Hintergründe nachzuvollziehen. "Wir haben nur gehört, dass ein Bürgergeld kommt, aber nicht zu welchen Bedingungen. Ich habe das nur in den Medien gesehen. Ich wollte schauen, was das bedeutet und habe gesehen, es sind fast die gleichen Bedingungen wie Hartz IV." Mehr Informationen und eine einfachere Beantragung würden helfen, wünscht er sich.

Die Abstände zwischen Löhnen, Bürgergeld und Hartz IV

Abstand zwischen Arbeitseinkommen und Regelsätzen (geschätzt) Mindestlohn ca. 1.660€ 2.860€ ca. 700€ Vollzeit (netto), 40 Std./Woche* Teilzeit (netto), 20 Std./Woche* 2 x 250€ Kindergeld Summe: ca. 2.500€ 4.100€ ca. 1100€ Vollzeit* (netto), 40 Std./Woche* Teilzeit (netto), 20 Std./Woche* 2 x 250€ Kindergeld Summe: ca. 1.568€ 2.476€ ca. 758€ Regelsatz Miete*² ca. 150€ Nebenkosten (ohne Strom) Summe: ca. 1.404€ 2.312€ ca. 758€ Regelsatz Miete*² ca. 150€ Nebenkosten (ohne Strom) Summe: Arbeitslosengeld II Bürgergeld*³ Durchschnittseinkommen Bremer Familie 2 Erwerbstätige,2 Kinder (5 Jahre, 10 Jahre)
*¹=Median der Erwerbstätigeneinkommen im Land Bremen (2019), *²=angemessene Kosten der Unterkunft im Land Bremen (2021), *³=voraussichtliche Regelsätze ab 2023 (Quelle: Bundesarbeitsministerium), *⁴= Steuerklasse 3, keine Kirchensteuer, *⁵= Steuerklasse 5, keine Kirchensteuer

Rückblick: Wie das Land Bremen auf das Bürgergeld vorbereitet ist

Bild: Imago | Steinach

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Autorin

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 4. Januar 2023, 19:30 Uhr