Fragen & Antworten

Darum befürwortet ein Bremer Suchtmediziner die Cannabis-Legalisierung

Eine Hand hält einen Joint.

Darum befürwortet ein Bremer Suchtmediziner die Cannabis-Legalisierung

Bild: Imago | Westend61

Cannabis als Genussmittel könnte erlaubt werden, aber viele haben Bedenken. Ein Suchtmediziner unterstützt eine Legalisierung. Das sind die Argumente beider Seiten.

Das Eckpunktepapier vom Bundesgesundheitsamt zur Cannabis-Legalisierung hat das Thema einmal mehr in die öffentliche Debatte gebracht. Das Bundeskabinett hat den Vorschlag einer Legalisierung von Cannabis unter Bedingungen zwar beschlossen, aber es gibt noch viele Hürden und es bleibt zunächst unklar, ob Cannabis als Genussmittel wirklich erlaubt werden wird. Aus begründetem Interesse haben Befürworter und Gegner ihre Argumente in den letzten Tagen erneuert. Wir klären wichtige Fragen rund um das Thema Cannabis.

Wie argumentieren Befürworter der Legalisierung?

Die Bremer Bundestagsabgeordnete Kirsten Kappert-Gonther von den Grünen ist Psychiaterin und Psychotherapeutin und hat sich auf Bundesebene immer wieder klar für die Legalisierung positioniert. Sie hält Verbote für den falschen Umgang mit Cannabis: "Die Zahl der Konsumierenden wächst unter den aktuell noch geltenden Bedingungen der Verbotspolitik. Gleichzeitig haben Betroffene Angst vor Kriminalisierung, wenn sie sich Hilfe suchen möchten und erreichen darum oft erst spät oder gar nicht die Hilfsangebote." Durch die Legalisierung könnten Betroffene also auch mehr Hilfsangebote annehmen, weil sie keine Strafverfolgung fürchten müssten – so die Argumentation.

Aktuell können Kinder und Jugendliche an jeder Ecke Cannabis auf dem Schwarzmarkt erhalten.

Porträt Kirsten Kappert-Gonther
Kirsten Kappert-Gonther, Bremer Bundestagsabgeordnete für die Grünen

Sie sieht für Kinder und Jugendliche bei einer Legalisierung einen stärkeren Schutz, sofern die Geschäfte den Kauf erst ab 18 Jahren ermöglichen und der Schwarzmarkt keine Gefahr mehr wegen unkontrollierter Inhaltsstoffe darstellt. Hier seien die gesundheitlichen Risiken durch Streckmittel und Zusammensetzungen der Inhaltsstoffe besonders gefährlich. "Insbesondere die synthetischen Cannabinoide bergen große Gesundheitsgefahren, unter anderem auch die Gefahr, ein Trigger für eine psychotische Entwicklung zu sein", sagt Kappert-Gonther.

Was sagen Gegner der Cannabis-Legalisierung?

Gegner der Cannabis-Legalisierung gibt es auch im Gesundheitswesen und in der Politik. Kritik an dem Vorhaben der Bundesregierung kommt beispielsweise von der Bremer CDU. Gegenüber buten un binnen erklärte Heiko Strohmann, CDU-Vorsitzender in der Bürgerschaft, dass er dem Kabinettsbeschluss skeptisch gegenüber steht. Es sei fraglich, ob der staatlich regulierte Anbau von Cannabis den Bedarf decken könne, wenn es erst mal im freien Verkauf ist, so der Fraktionsvorsitzende.

Auch das Thema Jugendschutz ist für Strohmann nicht ausreichend geklärt. Man müsse sehen, wie man mit den jungen Menschen ins Gespräch darüber kommen könnte, weil gerade die konsumierte Menge bei Cannabis entscheidend sei. Laut dem CDU-Fraktionsvorsitzenden sei Cannabis eine Einstiegsdroge für harte Drogen wie Heroin oder Kokain.

Der CDU-Politiker Heiko Strohmann im Interview.
Heiko Strohmann von der CDU in Bremen befürchtete einen Anstieg des Konsums bei einer Legalisierung. Bild: Radio Bremen

Zuletzt hatte sich auch Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, gegen die Cannabis-Legalisierung geäußert. Besonders vor dem 25. Lebensjahr sei das Gehirn noch nicht ausgereift und es könne zu irreparablen Hirnschäden kommen.

Der Bund deutscher Kriminalbeamter (BDK) befürwortet zwar laut Tagesschau die Entkriminalisierung der Betroffenen, allerdings äußert der Vorsitzende Dirk Peglow auch Bedenken: Der legale Erwerb für Erwachsene könnte dafür sorgen, dass sich der illegale Handel nun besonders auf Kinder und Jugendliche fokussiert. Außerdem seien diverse Regelungen schwer zu kontrollieren – wie zum Beispiel sicher zu stellen, dass beim Eigenanbau Kinder und Jugendliche keinen Zugang zu den Pflanzen haben.

Welche Folgen hat Cannabis-Konsum oder kann der Konsum haben?

Auch wenn Befürworter der Legalisierung häufig auf die im Vergleich zu anderen Drogen geringen Folgen hinweisen, sollten diese dennoch nicht unterschätzt werden. "Cannabis hat gesundheitliche Risiken", sagt Dr. Martin Zinkler, Chefarzt der Psychiatrie und Psychotherapie, zu der auch die Abteilung Suchtmedizin gehört, im Klinikum Bremen-Ost. Das seien Abhängigkeit, Auslösung von Psychosen und in Verbindung mit Tabak die gesundheitlichen Risiken des Rauchens. Auch wenn man im Einzelfall nicht wissen könne, ob diese Person nicht ohnehin eine Psychose bekommen hätte oder andere Faktoren wie Stress oder traumatische Erlebnisse maßgeblich waren.

Die Unterscheidung zwischen körperlichen und psychischen Entzugserscheinungen ist nicht so wichtig, denn entscheidend ist doch, wie schwer der Entzug ist.

Martin Zinkler, Chefarzt Psychiatrie und Psychotherapie Klinikum Bremen-Ost

Auch wenn Befürworter der Legalisierung betonen, dass es sich "nur" um eine psychische Abhängigkeit handelt, ist dieses Argument für den Psychiater nicht relevant. Die Sucht ist für Betroffene und Angehörige nämlich dennoch eine starke Belastung: "Die Abhängigkeit kann unterschiedliche Ausmaße und Formen annehmen", sagt Zinkler weiter. Besonders schwerwiegend sei die Vernachlässigung von Lebensinhalten wie Familie, Partnerschaft, Arbeit, Freundschaften zugunsten des Konsums der Substanz. "Die Unterscheidung zwischen körperlichen und psychischen Entzugserscheinungen ist nicht so wichtig, denn entscheidend ist doch, wie schwer der Entzug ist."

Und dennoch: Der Suchtmediziner befürwortet die Legalisierung von Cannabis, um Schäden durch synthetisches Cannabis vorzubeugen.

Cannabis ist keine Wunderdroge, die dann alle plötzlich nehmen wollen.

Martin Zinkler, Chefarzt Psychiatrie und Psychotherapie Klinikum Bremen-Ost

Wie begründet der Bremer Suchtmediziner eine Legalisierung trotz der massiven Folgen?

Bei den erwiesenen Folgen müsste man meinen, dass gerade Fachärzte sich gegen die Legalisierung aussprechen. Doch so wie die Psychiaterin und Bundestagsabgeordnete Kappert-Gonther argumentiert auch der Chefarzt der Psychiatrie und Psychotherapie Kindler: "Besonders gefährlich sind synthetische Cannabinoide, wie sie auf dem Schwarzmarkt zu erhalten sind", sagt er. Und den Schäden, die dadurch entstehen, könnte durch kontrollierten Anbau dann entgegengewirkt werden. Dass durch die Legalisierung nun mehr konsumiert werden würde – was für Zinkler der zu befürchtende Nachteil wäre – erwartet er bei der schon jetzt weiten Verbreitung und den gut bekannten Wirkungen nicht: "Cannabis ist keine Wunderdroge, die dann alle plötzlich nehmen wollen."

Was die Cannabis-Legalisierung für Bremen bedeuten könnte

Bild: Radio Bremen

Mehr zum Thema:

Autorin

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 28. Oktober 2022, 19:30 Uhr