Hintergrund

Nach schwerem Verkehrsunfall in Bremerhaven: Was droht Gaffern?

Zwei Hände halten ein Smartphone auf dem ein Unfallauto zu sehen ist.
Bild: dpa | Christian Ohde

Nach einem Unfall mit einer schwer verletzten Frau in Bremerhaven sorgen Online-Videos vom Vorfall für Aufregung. Die Polizei warnt vor den Konsequenzen für Schaulustige.

Bei einem Verkehrsunfall mit einem Linienbus ist am Montag in der Bremerhavener Innenstadt eine 71-Jährige schwer verletzt worden. Nun hat ihr Sohn Anzeige erstattet, weil sich in sozialen Netzwerken Aufnahmen der Geschehnisse verbreiteten. Das berichtet die Nordsee-Zeitung. Demnach bezeichnete der Mann jedes Video und Foto als Schlag ins Gesicht von Unfallopfern, aber auch Angehörigen – er appellierte, entsprechende Aufnahmen aus dem Netz zu nehmen und nicht weiter zu verbreiten. Die Polizei bestätigte buten un binnen einer Strafanzeige in Bezug auf die Verbreitung von Bild- beziehungsweise Videomaterial von der Unfallstelle nachzugehen.

Am Dienstag veröffentlichte die Polizei Bremerhaven eine Mitteilung, in der sie das Problem mit Schaulustigen allgemein adressierte. So wende sie sich immer wieder an die Menschen, sich im Unglücksfall richtig zu verhalten: "Ersthelfer sind sehr wichtig und notwendig, Schaulustige und sensationshungrige 'Gaffer' sind unerwünscht."

Ein Schaulustiger, der die Einsatzkräfte behindert oder Bildaufnahmen macht, muss mit einer hohen Geldstrafe rechnen. Das Fotografieren und eine unterlassene Hilfeleistung sind sogar Straftaten, die mit einer Haftstrafe geahndet werden können. Gemäß §323c Strafgesetzbuch besteht die Pflicht zur Ersten Hilfe, vorausgesetzt sie ist zumutbar und erforderlich. Wer trotzdem nicht hilft, der begeht eine Straftat. Auch Fotos und Videos von Menschen in Not anzufertigen, ist verboten und wird bestraft – ebenso das Weiterverbreiten (...). Die Bestimmungen sind im §201a Absatz 1 des Strafgesetzbuches verankert.

Polizei Bremerhaven

Gaffer müssen Handy-Entzug oder sogar Haft fürchten

Immer wieder kommt es vor, dass Schaulustige Unfälle filmen, Einsatzkräfte behindern oder sogar angehen. Und immer wieder kommt es deswegen zu Konsequenzen. Ende 2020 filmten etwa zwei Männer im Vorbeifahren eine Unfallaufnahme auf der A1. Sie mussten je 125 Euro Strafe zahlen. Bereits 2018 wurde das Urteil gegen einen Mann aus Bremervörde bestätigt, der im sogenannten "Gaffer-Prozess" zu vier Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden war. Sein Bruder erhielt eine Geldauflage. Beide hatten 2015 Rettungskräfte behindert und angegriffen sowie am Unfallort gefilmt. Zwei Menschen waren ums Leben gekommen, als ein Auto in eine Eisdiele krachte.

Bei einem ebenfalls tödlichen Unfall sammelten sich 2020 in Bremen 80 Schaulustige. Damals hatte der Sprecher der Polizei Bremen, Nils Matthiesen, gegenüber buten un binnen erklärt, welch empfindliche Strafen Schaulustigen drohen. Generell seien Bremer Einsatzkräfte bei Gaffern unter anderem angehalten, benutzte Kameras oder Handys sicherzustellen oder Schaulustige selbst zu filmen oder zu fotografieren, um ihr Vorgehen zu dokumentieren.

Polizei in Bremerhaven nimmt Hinweise entgegen

Ebenso können Platzverweise ausgesprochen werden. Gaffen selbst ist demnach eine Ordnungswidrigkeit und wird als "unerlaubte Ansammlung" gewertet. Wer sich auch nach drei Aufforderungen durch die Einsatzkräfte nicht vom Unfallort entfernt, muss mit einer Geldstrafe von bis zu 1.000 Euro rechnen. Je nach Situation kann Gaffen auch zur Straftat werden. Unter anderem kann eine Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung oder der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen drohen. Wenn also zum Beispiel hilflose Unfallverletzte gefilmt werden, kann das mit bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft werden – egal, ob das Video anschließend veröffentlicht wird oder nicht.

Zum aktuellen Fall aus Bremerhaven teilte die Polizei mit, sie gehe grundsätzlich allen Hinweisen auf strafbares Handeln nach. Die Ermittlungen nach den Urhebern im Fall der Verbreitung des Bild- beziehungsweise Videomaterials seien umfangreich und aufwendig. Ergänzende Hinweise zur möglichen strafbaren Verbreitung des Materials nimmt die Polizei weiterhin entgegen.

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Rundschau am Nachmittag, 5. Februar, 17 Uhr