Das sind die ersten überraschenden Ergebnisse der Arktis-Expedition

Bremerhavener Arktis-Expedition macht überraschende Entdeckungen

Bild: dpa | Alfred-Wegener-Institut | Steffen Graupner

Die Forschungsreise der "Polarstern" nähert sich dem Ende. Doch schon vor der Rückkehr nach Bremerhaven gab AWI-Chefin Antje Boetius einen Einblick in die gewonnenen Erkenntnisse.

Der Forschungseisbrecher "Polarstern" des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts (AWI) steht vor der Rückkehr von seiner Arktisreise. Auf der zweimonatigen Expedition sollten die Folgen der Eisschmelze und das Leben unter dem Eis untersucht werden. Obwohl das Schiff erst am 1. Oktober wieder in Bremerhaven erwartet wird, hat Fahrtleiterin und Institutschefin Antje Boetius schon erste Erkenntnisse mitgeteilt. 

Das Forscherteam rechnete mit dem Schlimmsten

Eigentlich hatten die Forscherinnen und Forscher an Bord mit dem Schlimmsten gerechnet, was das Meereis angeht. "Wir waren unterwegs mit dramatischen Vorzeichen: Hitzewellen im Atlantik, beginnendes El Nino (Anm. d. Red.: Klimaschwankungen), der heißeste globale Sommer der Erde aller Zeiten", erzählt Boetius.

Wir haben erwartet, vor einer starken Schmelze zu stehen.

AWI-Chefin Antje Boetius

Tatsächlich fand das Team aber kein neues Meereis-Minimum vor wie bei einer Fahrt vor elf Jahren. Und auch kein löchriges Meereis wie bei den Mosaic-Expeditionen der Jahre 2019 und 2020. Stattdessen stießen die Forscher auf eine vollständige Veränderung der Eislandschaft, so Boetius: "Das Eis sieht so anders aus, dass wir einen Teil der Expedition damit zugebracht haben, herauszufinden, was hier los ist."

Wir haben keine Schmelztümpel mehr, die ganze Landschaft – auch das Netzwerk des Lebens unter dem Eis bis runter in die Tiefsee – hat sich wieder verändert.

AWI-Chefin Antje Boetius
Antje Boetius in Polar-Jacke mit Fellkapuze
Ist als Expedionsleiterin an Bord der "Polarstern": AWI-Chefin Antje Boetius. Bild: Alfred-Wegener-Institut | Kerstin Rolfes

Die Veränderungen führen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf ein ungewöhnliches Wetterphänomen zurück: Tiefdrucksysteme in der sibirischen Region des eurasischen Beckens hielten das Schelfeis, das normalerweise hinaustreibt und abschmilzt, kompakt zusammen und schützten es so.

Das Forscherteam schließt aus seiner Beobachtung, dass Wetterphänomene für die Eisentwicklung eine große Rolle spielen. Dies sei schwerer vorherzusagen denn je, betont Boetius. In diesem Jahr aber habe die Arktis mit ihrem Meereis und ihren Lebewesen Glück gehabt. Trotzdem gebe es weiterhin Grund zur Sorge.

Wenn wir Pech haben und die Wetterphänomene ungünstig mitspielen, können wir viel früher als erwartet auch von großen eisfreien Teilen betroffen sein, haben mit Extremwettern zu rechnen und mit einem Verlust von einzigartigem arktischen Leben zu tun.

AWI-Chefin Antje Boetius

AWI-Chefin Boetius: Forschungsreisen auch in Zukunft wichtig

Auf ihrer Reise stießen die Forscherinnen und Forscher auf bislang unentdeckte Seeberge und erforschten das Leben in der Tiefsee. Ebenso stellten sie fest, dass sie auf weiten Strecken nur selten Eisbären begegnet sind und dass in einigen Gebieten die Meereisalgen fehlen, welche Nahrungsgrundlage für viele Lebewesen sind. Die – auch überraschenden – Erkenntnisse der Expedition machen für AWI-Direktorin Antje Boetius klar: Forschungsreisen sind auch in Zukunft wichtig.

Unser Wissen über die Erde und ihr Leben ist durch die Klimakrise von so großen Schwankungen betroffen, dass wir einfach sagen müssen: Wir müssen hier sein, wir müssen hinschauen.

AWI-Chefin Antje Boetius

Polarstern-Expedition erforscht die Folgen der Eisschmelze

Bild: Radio Bremen

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Autorin

  • Catharina Spethmann
    Catharina Spethmann

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 22. September 2023, 19:30 Uhr