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So lange müssen Bremer auf Handwerker warten

Der Ukraine-Krieg hat auch Auswirkungen aufs Bremer Handwerk. Es gibt viele Aufträge, aber wenig Material und hohe Energiekosten – das heißt es wird teuer und gibt lange Wartezeiten.

Steffen Röhrs hat die Arbeitsabläufe seines Unternehmens radikal umgestellt. Statt sofort Termine mit den Kunden auszumachen, sobald er einen Auftrag angenommen hat, kauft der Heizungsbauer und Obermeister der Innung Sanitär-Heizung-Klima Bremen jetzt grundsätzlich zuerst das für den Auftrag erforderliche Baumaterial. Anschließend schickt er dem Kunden eine Anzahlungsrechnung.

Das machen wir so, damit wir den aktuellen Preis für das Material gewährleisten können.

Steffen Röhrs, Heizungsbauer aus Bremen

Denn die Kosten für Baumaterial kletterten weiter in die Höhe. Auch müsse man oft lange auf Baustoffe warten. Die Corona-Pandemie sei noch nicht überstanden gewesen, als mit dem Ukraine-Krieg ein weiterer Unsicherheitsfaktor hinzu gekommen sei, der sich nachteilig auf die Verlässlichkeit einiger Lieferketten auswirke, so Röhrs. Termine bei Kunden mache er inzwischen erst dann aus, wenn alle erforderlichen Bauteile vollständig bei ihm in der Firma angekommen seien.

Vorlaufzeiten von bis zu mehreren Monaten

"Früher haben wir fast alles, was wir brauchten, innerhalb von 48 Stunden bekommen", blickt der Unternehmer zurück. Heute dagegen gebe es Teile, für die man mit einer Vorlaufzeit von etlichen Wochen oder gar Monaten rechnen müsse.

Besonders schwer sei es derzeit, an Wärmepumpen zu kommen. "Da liegt die Vorlaufzeit bei sechs bis acht Monaten", sagt Röhrs. Rechnet man nun hinzu, dass die durchschnittliche Auftragsreichweite in Ausbaugewerken laut Frühjahrsumfrage der Handwerkskammer Bremen bei rund 42 Wochen liegt, so kann man sich leicht an seinen zehn Fingern abzählen: Wer dieser Tage eine Wärmepumpe bestellt, muss zumindest damit rechnen, dass er sie erst nach dem kommenden Winter wird einweihen können.

Wie lange Bremer auf welche Handwerker warten müssen

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Röhrs führt den Run auf Wärmepumpen allerdings nicht allein auf den Ukraine-Krieg zurück. Die hohe Nachfrage hänge auch damit zusammen, dass die neue Bundesregierung den Umstieg auf regenerative Energiequellen beim Heizen massiv vorantreibe. So hat sich die Ampel-Koalition auf einen Anteil von 65 Prozent erneuerbare Energien für neu einzubauende Heizungen ab 2025 geeinigt.

Die weltweit hohen Energiepreise machen sich derzeit allerdings nicht allein durch eine hohe Nachfrage nach Wärmepumpen, Photovoltaik-Anlagen und Dämmstoffen für Bremens Handwerk bemerkbar. Jürgen Rotschies, Inhaber eines Baugeschäftes und Obermeister der Innung des Bauhandwerks Bremen, sagt, dass einige Hersteller obendrein aufgrund der hohen Energiepreise ihre Produktion heruntergefahren hätten. "Das hemmt den Materialfluss zusätzlich", sagt Rotschies.

Steuergeräte und technische, bewegliche Bauteile seien ebenso betroffen wie Fensterelemente und Holz. Andere Materialien wiederum seien derzeit schwer zu bekommen, weil es an Arbeitskräften mangele. "Granit kriegt man kaum, weil es zu wenig Fahrer gibt", nennt Rotschies ein Beispiel.

"Jetzt blicken viele vorsichtig in die Zukunft"

Oliver Brandt, Sprecher der Handwerkskammer Bremen, macht denn auch keinen Hehl daraus, dass der Krieg in der Ukraine die Stimmung in Bremens Handwerk kräftig trübt. Noch zur aktuellen Frühjahrs-Konjunkturumfrage der Handwerkskammer zeigten sich die Betriebe überwiegend sehr zuversichtlich: Der Geschäftsklimaindex lag bei 137 Punkten, praktisch genauso hoch wie vor Ausbruch der Corona-Pandemie im Herbst 2019 (138 Punkte).

Volle Auftragsbücher mit Auftragsreichweiten von bis zu 42 Wochen in den Ausbaugewerken ließen die Betriebe auf ein gutes Jahr 2022 hoffen – obwohl sie mehrheitlich mit weiter steigenden Preisen rechneten, es weiter erhebliche Lieferengpässe gab und an Azubis im Handwerk mangelte.

Doch zum Zeitpunkt der Befragung hatte der Krieg noch nicht begonnen, beziehungsweise gerade erst angefangen. Jetzt, wenige Wochen später, sei die Stimmung im Handwerk zwar immer noch besser als zu den Blütezeiten der Pandemie, aber stark gedämpft, sagt Brandt.

Wir hatten damit gerechnet, dass sich die Weltwirtschaft erholt. Aber der Krieg hat die Erwartungen gesenkt. Jetzt blicken viele Betriebe vorsichtig in die Zukunft.

Oliver Brandt, Sprecher der Handwerkskammer Bremen

Zudem gebe es deutlich Unterschiede zwischen den Gewerken. Insbesondere den energieintensiven Handwerkerksbetrieben wie Bäckereien machten die hohen Energiekosten zu schaffen. Einige müssten die Preise erhöhen, zumal nicht nur Energie, sondern auch Getreide teurer geworden sei.

Kunden müssen sich auf weiter steigende Preise einstellen

Ein großes Problem sei zudem der bereits seit längerer Zeit frappierende Holzmangel. Umso mehr, als Deutschland bis zum Krieg viel Holz aus Russland eingeführt habe, so Brandt.

Wenn kein Wunder geschehe, sagt auch Obermeister Steffen Röhrs, müssten sich Handwerksbetriebe wie Kunden wohl oder übel auf noch weiter steigende Preise einstellen.

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 22. April 2022, 19:30 Uhr