Bundesverdienstkreuz für Bremer Straßenärztin: Was treibt sie an?

Gabriele Steinbach versorgt Obdachlose in Bremen
Bild: Radio Bremen

Gabriele Steinbach versorgt ehrenamtlich Obdachlose. Mit ihrem Fahrrad fährt sie dafür jeden Mittwoch durch die Stadt. Fas alle Obdachlosen kennt sie mit Namen.

Vor zwölfeinhalb Jahren ist die Ärztin Gabriele Steinbach das erste Mal auf ihr Fahrrad gestiegen, um Menschen auf der Straße zu helfen. Ihre Tour startet bei jedem Wetter am Nelson-Mandela-Park in Bremen über den Bahnhofsvorplatz in die Innenstadt und wieder zurück zum Bahnhof. Sie kümmert sich um Stauchungen, Platzwunden und dicke Beine – sogar Fäden zieht die Ärztin ambulant. "Dann muss die Person dafür nicht irgendwo in die Praxis gehen oder so", sagt die Straßenärztin. Die Hemmschwelle ist für die meisten einfach zu groß und ihr wiederum gibt es ein gutes Gefühl, etwas Sinnvolles in der Freizeit zu tun. Denn ihre größte Sorge war es, in ein Loch zu fallen, nachdem sie in Rente gegangen ist.

"Ach dat ist ja da die Ärztin"

Gabriele Steinbach trägt Jeans, Turnschuhe und einen grünen Wintermantel. Ihre grauen Haare hat sie mit einer Spange hochgesteckt. Sie nimmt sich viel Zeit und schafft es, mit wenigen Worten ihre Patientinnen und Patienten liebevoll zu beruhigen. Generell ist ihr wichtig, dass die Menschen ihr Vertrauen können. "Wenn der mit zwei anderen dasitzt und sagt: 'Ach dat ist ja da die Ärztin' – dann kann ich den auch behandeln, wenn ich ihn heute zum ersten Mal sehe, dann hält er den Arm hin und lässt ihn verbinden", sagt Gabriele Steinbach und lächelt dabei.

Die Bremer Straßenärztin Gabriele Steinbach mit Fahrrad in der Nähe des Hauptbahnhofs
Von wegen Ärztin im Ruhestand: Gabriele Steinbach versorgt mit ihrem lila-farbenen Rucksack Bremer Obdachlose. Bild: Radio Bremen

Aus dem Traum Kinderärztin wurde Chirurgin

In ihrer Zeit als Ärztin hat sie viel erlebt. Insgesamt 36 Jahre arbeitete Gabriele Steinbach in diesem Beruf. Die gebürtige Berlinerin studierte Medizin in ihrer Heimatstadt. 1974 kam sie nach Bremen. Eigentlich war es ihr Traum Kinderärztin zu werden. Deswegen entschied sie sich auch für die Hansestadt, da hier ein sehr angesehener Kinderchirurg am heutigen Klinikum Bremen-Mitte arbeitete. "Ich habe dann erst keinen Platz in der Kinderheilkunde gekriegt. War in der Chirurgie und das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich das erstmal zu Ende gemacht habe und ja, da dann hängengeblieben bin", sagt die pensionierte Ärztin.

Eine Entscheidung, die sie bis heute nicht bereut. Das Klinikum Bremen-Nord war die letzte Station in ihrem Berufsleben. Dort ist sie als leitende Oberärztin in der Chirurgie tätig gewesen. Chirurgie beschreibt die 74-Jährige als eine sehr zufriedenstellende Arbeit: "Leute kommen mit starken Bauchschmerzen oder haben sich das Bein gebrochen. Wenn sie wieder nach Hause können, geht es den Menschen besser als vorher. Das ist etwas Positives".

Es sind nicht nur irgendwelche Menschen

Heute hat sie zu ihren Patientinnen und Patienten eine gewisse emotionale Bindung. Fast alle Obdachlosen kennt sie mit Namen – einige Geschichten wird sie wohl auch nie vergessen. Zum Beispiel, als einer ihrer Patienten ihr sein Bein zeigt und sie vorher noch warnt, sie müsse starke Nerven haben. "Da war eine Wunde, naja, vielleicht so ein Zwei-Euro-Stück groß und da krabbelten die Maden drauf herum. Und dann ist der regelmäßig jeden Mittwoch zum Verbinden gekommen und das Ding ist zugeheilt", erinnert sich Gabriele Steinbach

Gabriele Steinbach versorgt Obdachlose in Bremen
Gabriele Steinbach und ihre Patienten auf den Bremer Straßen haben mittlerweile einen vertrauten Umgang miteinander. Bild: Radio Bremen

Der Erste-Hilfe-Rucksack als mobile Notaufnahme

Damit sie sich um die Menschen auf der Straße medizinisch kümmern kann, hat sie immer ihren lilafarbenen Rucksack dabei. Der wiegt locker zehn Kilogramm, aber dafür ist sie immer gut ausgestattet. Stethoskop, Pflaster in verschieden Größen, Salben und Cremes, aber auch Verbandszeug trägt die Rentnerin bei sich. "Also das Verbandszeug kriege ich zum Beispiel durch Freunde, die kennen KFZ-Mechaniker und die heben diese Erste-Hilfe-Taschen vom Auto auf und dann kriege ich ein großes Paket, was da drin war und das kann ich brauchen", erzählt die Ärztin. Den Rest bekommt sie zum Beispiel von Institutionen wie dem Verein zur medizinischen Versorgung Obdachloser (MVO) und den Bremer Suppenengeln.

Bürgermeister Bovenschulte ehrt Steinbach

Wer so viel Engagement zeigt, der hat ein Bundesverdienstkreuz verdient, meint Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte. Gabriele Steinbach hätte nie damit gerechnet, "dass ihr 'rumradeln und Pflaster kleben' mal zu dieser Anerkennung führt". Und wenn die Rentnerin gerade nicht mit ihrem grünen Fahrrad unterwegs ist, dann geht sie mehrmals in der Woche schwimmen, liest gerne ein Buch oder kümmert sich um ihren Garten.

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Autorin

  • Sarah Rohlfs
    Sarah-Magdalena Rohlfs

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Nachmittag, 9. März 2023, 16:40 Uhr