Kampf gegen Geisternetze: Auf Mission mit den Bremer "Sea Shepherds"

Umweltschützer aus Bremen sammeln verlassene Netze im Meer ein

Bild: dpa | Wolf Wichmann/archaeomare

In die Ostsee landen nicht nur Unmengen an Plastikmüll, sondern auch von Fischern zurückgelassene Netze. Dagegen stemmen sich die Umweltschützer von "Sea Shepherd" aus Vegesack.

Die Sicht ist schlecht, das Wasser trübe, ihre Mission riskant: Wenn Flo Stadler und seine Tauchcrew vom Verein "Sea Shepherd" die Netze am Meeresgrund der Ostsee zerschneiden, müssen sie aufpassen, sich nicht darin zu verheddern. Denn das könnte lebensgefährlich sein.

Geisternetze töten unbemerkt

Ein bewachsenes Netz unter Wasser
Sogenannte Geisternetze sind eine Gefahr für Fische. Bild: Radio Bremen

Mit dem Tauchermesser versuchen sie in Handarbeit ein rund 35 Meter langes Schiffswrack von Netzen zu befreien. Stück für Stück wird das unübersichtlich große Netz in kleine Stücke zerteilt. An orangenen Säcken, die die Taucher mit dem Gas aus ihren Flaschen befüllen, werden die Netzteile an die Wasseroberfläche befördert, herausgefischt und an Land entsorgt.

Das Problem ist, dass diese sogenannten Geisternetze im Verborgenen weiterhin Fische fangen, ohne dass sie je geleert werden. Meist haben Fischer die Netze verloren oder sie sind beim Fischen abgerissen. Manchmal handelt es sich aber auch um über Bord geworfene, aufgegebene oder illegale Netze. In ihnen verfangen sich unter anderem Schweinswale und ertrinken, weil sich nicht mehr zum Atmen an die Wasseroberfläche kommen.

Die Ostsee ist eine riesige Müllhalde

5.000 bis 10.000 Netze oder Netzteile landen jedes Jahr in der Ostsee, so die Schätzungen mehrerer Umweltschutzorganisationen. Dazu bestehen viele Netze aus Plastik. Es dauert Jahrhunderte, bis sie zersetzt sind. Zerrieben zu Mikroplastik tragen sie damit deutlich zur Verschmutzung der Meere bei. Mehr als 640.000 Tonnen Fischereiausrüstung werden laut Sea Shepherd jedes Jahr in den Ozeanen entsorgt. Und so haben sie es sich zur Aufgabe gemacht, den Fischern auf die Finger zu schauen.

Das Shiff Triton der Sea Shepherds
Mit dem Schiff "Triton" sind die Umweltschützer auf der Ostsee unterwegs. Bild: Radio Bremen

Wenn sie mit ihrem Schiff in der Nähe eines Fischerboots auftauchen, werden sie mal freudig begrüßt, mal angepöbelt. Einige Fischer verstehen, dass die illegalen Fangmethoden und zurückgelassene Netze die Fischbestände schädigen und damit die eigene Existenzgrundlage bedrohen. Wer aber als Fischer illegal unterwegs ist, sieht das naturgemäß anders. 

Deutscher Ableger sitzt in Bremen-Vegesack

Der deutsche Ableger des Vereins ist in Bremen-Vegesack zu Hause. Unterwegs sind sie im Sommer in der Ostsee. Seit diesem Jahr nutzen sie ein neues Schiff. Das ehemalige Patrouillenboot der Küstenwache von Gibraltar haben sie monatelang in einer Werft für ihre Zwecke umbauen lassen. Nun sind sie von Juni bis Oktober damit auf der Ostsee unterwegs. Einige der Aktivisten schlafen an Bord, der Rest der etwa 15-köpfigen Crew ist auf einem Campingplatz untergebracht. So ziehen als eine Art Umweltschützer-Wanderzirkus von West nach Ost die Ostsee entlang.

Sea Shepherd sieht sich als Lückenfüller und versucht zu kompensieren, was die Politik bislang noch nicht hinbekommen hat, nämlich die permanente Verschmutzung der Meere einzudämmen – oder gar zu stoppen. Neben dem Aufspüren von Geisternetzen reinigen die Aktivisten regelmäßig die Ostseestrände von Plastik.

Dorsch unter Druck

Zwei Aktivisten von Sea Shepherd halten Ausschau nach einer Robbe
Zwei Crewmitglieder der Sea Shepherds halten Ausschau nach Robben. Bild: Radio Bremen

Abgetaucht auf den Grund sehen Stadler und seine Tauchcrew einen verendeten Dorsch im zurückgelassenen Netz. Ein Sinnbild für die prekäre Situation dieser Spezies. Für den Dorsch wird das Überleben in der Ostsee immer schwieriger, die Bedrohungen sind vielfältig. In der Vergangenheit wurde der Dorsch zu viel gefangen. Dazu kommt die Algenblüte aufgrund der Überdüngung und des damit verbundenen Phosphor- und Stickstoffeintrags in die Ostsee. Dem Fisch fehlt der Sauerstoff im Wasser. Dazu bedrohen Grundschleppnetze und Geisternetze die Existenz. Und auch der Nachwuchs hat es schwer: Die Laichplätze sind aufgrund der Wasserqualität rar geworden. Das Überleben des Dorsches in der Ostsee ist massiv bedroht.

Sechs Tauchgänge haben sie an diesem Tag gemacht und doch das Schiffswrack nicht vollständig von Netzen befreien können. Also werden sie wiederkommen, wieder runter gehen, sich wieder und wieder gegen die Verschmutzung stemmen. Sie können die Ostsee nicht alleine retten, aber die Sea Shepherds machen sie Tag für Tag ein klein wenig sauberer.

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Autor

  • Alexander Noodt

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 8. August 2023, 19:30 Uhr