Interview

Wie ein "Popstar" vor 400 Jahren den Wall in der Bremer Neustadt baute

Zu sehen ist ein Bild der Neustadt aus der Luft.

Neustädter Wallanlagen

Bild: Radio Bremen

Zum Schutz der Altstadt wurde vor 400 Jahren mit dem Bau der Neustädter Wallanlagen begonnen. Und tatsächlich: Der Verteidigungsfall trat ein.

Der Vertrag zu Errichtung der Wallanlagen in der Bremer Neustadt soll vor 400 Jahren geschlossen worden sein. Die Wallanlagen in der Bremer Altstadt und die Straße "Am Wall" sind vielen ein Begriff, aber auch in der Neustadt gab es Vergleichbares – und auch dort gibt es noch heute Straßennamen wie "Neustadtswall" oder "Neustadtcontrescarpe". Konrad Elmshäuser ist Leiter des Bremer Staatsarchivs und kennt sich in bremischer Geschichte aus. Im Gespräch mit Bremen Zwei bringt er Licht in die Geschichte der Neustädter Wallanlagen.

Herr Elmshäuser, zunächst mal ganz allgemein, wofür waren Wallanlagen gut?

Fürs Militär – es ging eigentlich zunächst im Kern nur um eine militärische Maßnahme. 1618 bricht der 30-jährige Krieg aus und Bremen merkt: 'Wir haben ein Problem. Wir haben zwar Stadtwälle und Wallanlagen um die Altstadt, aber die Weserseite ist komplett ungeschützt.' Und dann hat man fünf Jahre geplant, hat sich von Moritz von Oranien den besten Festungsbaumeister Europas ausgeliehen: Johan von Falkenburg, ein Popstar seiner Zeit. Und der hat dann eine Wallanlage gebaut, die am Ende so groß war wie die Altstadt. Das heißt, Bremen hat sich vor 400 Jahren auf einen Schlag siedlungstechnisch verdoppelt.

Das war also eine Folge der Ausweitung der Stadt in Richtung Süden?

Richtig. Alles, was in diesem Mauerring lag, musste dann besiedelt werden. Das hat unheimlich lange gedauert, weil das Gelände eigentlich zu tief und zu feucht war. Und die Neustadt ist erst sehr langsam aus den Puschen gekommen, wie man hier so sagt. Aber faktisch ist das auch wirklich das Gründungsdatum der Neustadt (22. Mai, d.Red.).

Wie unterscheiden sich – oder unterschieden sich – die Wallanlagen in der Neustadt von denen, die sich eben deutlich früher nördlich schon befanden?

Es hat noch lange gedauert, bis Baumeister von Falkenburg fertig war. 1627 war zum Beispiel die erste Baustufe erreicht. Aber man hatte dann die modernsten Verteidigungsanlagen in Nordeuropa. Und gleichzeitig sah die Altstadt sehr alt aus, weil das im Grunde noch die mittelalterlichen Stadtmauern waren – und dann hat man das noch hinten dran gehängt und genau so ein Investment in der Altstadtseite gemacht. Und dann kam das Ganze zum charakteristischen Zickzacklauf, den wir heute noch in den Wallanlagen im Wassergraben sehen.. Das ist das Letzte, was davon geblieben ist.

Die Bremer Neustadtswallanlagen auf einer Stadtkarte Bremens nach Merian (1641)
Die Wallanlagen in der Neustadt etwa im Jahr 1641. Der Zickzaklauf ist gut zu sehen. Bild: Gemeinfrei

Gab es denn auch einen Verteidigungsfall?

Den gab es, ja. Das war die größte Investition Bremens bis dahin und auch lange danach. Und die war genau richtig.

Weil 1632 Tilly die Stadt erobern wollte. Der hat sich echt die Zähne ausgebissen an diesen neuen Anlagen und ist dann frustriert nach Magdeburg weitergezogen. Was mit Magdeburg passiert ist, weiß jeder. Die Stadt ist komplett abgebrannt.

Konrad Elmshäuser, Leiter Staatsarchiv Bremen

Was ist denn überhaupt noch übrig geblieben von den alten Wallanlagen?

Leider reletiv wenig, weil die Neustadt dann im 19., 20. Jahrhundert doch sehr durchgehend und durchgreifend erneuert wurde. Man hat dort auf die Wallanlagen nicht so Rücksicht genommen, wie auf dem Altstädter Ufer, wo man ab 1802 eben eine schöne Parkanlage angelegt hat, die auch entsprechend gepflegt wurde und jetzt ein Denkmal ist. Auf der Neustädter Seite sind es eigentlich eher Reste. Aber wenn man das so ein bisschen weiß, dann kann man das heute noch erwandern und dann sieht man dies.

Hat das denn dann lange gereicht? Die Stadt hat sich dann ja noch weiter nach Süden entwickelt. Dann war das irgendwann wahrscheinlich zu eng, oder?

Ja, aber die Fläche war gewaltig. Die eigentliche Altstadt hatte 104 Hektar Innenfläche und die Neustadt 102. Und bis weit ins 19. Jahrhundert reichte dann die Siedlungsfläche auch aus. Irgendwann war es nicht mehr genug, die Stadt wurde zu einem Industriestandort, also eine wirkliche Großstadt. Aber die Altstadt-Birne, die sich dann verdoppelt hat, hat den Einwohnern lange Zeit Platz und Schutz gegeben.

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Bild: Radio Bremen

Autor

  • Jörn Albrecht
    Jörn Albrecht Moderator

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 22. Mai 2023, 14:40 Uhr