Infografik

Was Armut ist und warum ein Job viele Bremer nicht vor Armut schützt

Die aktuelle Krise löst bei vielen ungewohnte Existenzängste aus. Der Anteil armer Menschen in Bremen ist schon lange hoch. Auch, weil viele schlecht bezahlte Jobs haben.

Die Arbeitnehmerkammer Bremen sieht die aktuelle Entwicklung kritisch und fürchtet sich vor weitreichenden Folgen für viele Bremerinnen und Bremer: "Die Inflation trifft Menschen mit geringen und sehr geringen Einkommen mit besonderer Wucht", sagt Regine Geraedts, die Referentin für Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik der Arbeitnehmerkammer. "Denn es werden ausgerechnet die Dinge rasant teurer, die zur Grundversorgung gehören wie Lebensmittel und Energie. Wer wenig hat, kann daran aber kaum noch sparen."

Als arm gilt, wer 60 Prozent oder weniger des mittleren Gehalts eines Landes verdient. In Deutschland sind das laut statistischem Bundesamt für eine alleinstehende Person rund 1250 Euro. In keinem anderen Bundesland gibt es eine höhere Armutsquote als in Bremen. Der Anteil der Menschen, die in Bremen als von Armut betroffen gelten, steigt in Bremen an und liegt weit über dem Bundesdurchschnitt. Dieser lag im Jahr 2021 laut Armutsbericht bundesweit bei 16,6 Prozent, im Land Bremen bei 28 Prozent. Bremerhaven ist dabei nochmal armutsgefährdeter als die Stadt Bremen. Während die Armutsquote 2021 Bremen bei 26,8 Prozent lag, lag sie in Bremerhaven bei 33,5 Prozent.

Bremens Armutsquote im Vergleich zum Bundesdurchschnitt

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Laut den statistischen Ämtern der Länder und des Bundes sind 27 Prozent der armutsgefährdeten Menschen in Bremen inaktive Erwerbstätige, dazu gehören zum Beispiel Hausfrauen oder Studenten. Auf Platz zwei folgen Kinder und Jugendliche zu einem Viertel. Erwerbstätige bilden 24 Prozent der armutsgefährdeten Menschen im Land Bremen, darauf folgen Rentner und Pensionäre mit 16 Prozent und das Schlusslicht bilden Erwerbslose mit 8 Prozent.

So teilt sich die Bremer Armutsquote auf

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Mehrfachbeschäftigung nimmt in Bremen zu

Um als armutsgefährdet zu gelten, spielt auch die Art der Arbeit eine Rolle, wie zum Beispiel Teilzeitarbeit. Die Arbeitnehmerkammer Bremen unterscheidet zwischen

  • atypischen Beschäftigungsverhältnissen und.
  • prekären Beschäftigungsverhältnissen..

Als atypisch gelten demnach die sogenannten Minijobs, also nicht sozialversicherte Teilzeitarbeit, sowie sozialversicherte Teilzeitarbeit, befristete Arbeit und bestimmte Formen der Leiharbeit. Die atypische Beschäftigung birgt laut Arbeitnehmerkammer ein höheres Risiko für Arbeitnehmer durch ein geringeres Einkommen sowie, im Falle der Teilzeitarbeit oder des Minijobs, weniger Schutz durch die Sozialversicherungen. Im Land Bremen ist die Zahl der Teilzeitarbeitenden, die Zahl der Leiharbeiter, als auch die Zahl der Menschen in befristeten Arbeitsverhältnissen in den letzten Jahren angestiegen.

Atypische Beschäftigungsverhältnisse in Bremen

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Laut Arbeitnehmerkammer Bremen ist die Abgrenzung von atypischer Arbeit zu prekärer Arbeit deutlich schwieriger. So sei prekäre Arbeit vor allem von Unsicherheit, niedrigem Lohn und hoher Arbeitsplatzunsicherheit geprägt. Dazu zählt die Arbeitnehmerkammer zum Beispiel Mehrfachbeschäftigung. Die Anzahl der Menschen, die im Land Bremen mehreren Beschäftigungen nachgeht, nimmt stetig zu. Im Jahr 2021 waren das rund 36.300 Menschen, knapp ein Zehntel aller Beschäftigten.

Anzahl an Mehrfachbeschäftigten in Bremen

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Rentnerinnen und Rentner in Bremen

Die Arbeitnehmerkammer zeigt sich vor allem von den vielen Erwerbstätigen alarmiert, die von Armut bedroht sind. Gerade in der jetzigen wirtschaftlichen Lage drohe ernsthafte Not. "Umso mehr brauchen wir Direktzahlungen, die gezielt Haushalte mit niedrigen Einkommen entlasten,"  fordert die Arbeitnehmerkammer. Auch den Menschen, denen eine staatliche Mindestsicherung zusteht, solle mit einer Regelsatzerhöhung geholfen werden. Die Mindestsicherung ist eine Hilfe des Staates, um das Existenzminium zu sichern, zum Beispiel durch Hartz IV.

Neben Erwerbstätigen können auch Rentner von Armut betroffen sein. Einen direkten Zusammenhang zwischen Rente und Armut herzustellen, gestaltet sich laut der Deutschen Rentenversicherung Oldenburg-Bremen aber schwierig. So könne die Rente auf Grund von verschiedenen Faktoren wie anderen Einkünften gekürzt sein. Ein Indikator für Altersarmut sei aber der Bezug der Grundsicherung im Alter. Diese Form der Grundsicherung soll vor allem den Menschen helfen, die nicht genug Rente bekommen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Der Anteil stieg von 2003 von 1,2 Prozent auf 2,6 Prozent im Jahr 2020.

Einen extremen Anstieg gab es bei der Grundsicherung im Alter für Menschen mit Erwerbsminderung. Bei einer Erwerbsminderungsrente besteht ein Anspruch auf Rente, wenn aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr gearbeitet werden kann. Laut statistischem Bundesamt lag der Anteil dieser Art der Grundsicherungsfälle 2003 noch bei 2,6 Prozent, 2020 hingegen schon bei 15 Prozent.

Grundsicherung im Alter für Menschen mit Erwerbsminderung

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Ebenfalls seit Jahren trauriger Spitzenreiter ist Bremen beim Thema Kinderarmut. Anteilsmäßig leben in Bremen die meisten Kinder, die von Armut betroffen sind. Das sind laut Bundessozialministerium derzeit 42 Prozent der Kinder im Land Bremen.

Wie viele Menschen das insgesamt sind, könne man nicht genau sagen, sagt Gerardts von der Arbeitnehmerkammer. So würde zum Beispiel die Aufteilung darüber, wie sich die Armutsquote zusammensetzt, durch Befragungen erfolgen. Absolute Zahlen gebe es nicht.

Autorin

  • Marie Roters
    Marie Roters Autorin

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Morgen, 8. September 2022, 6:20 Uhr