Fragen & Antworten

Warum die Bezahlkarte für Asylbewerber in Bremen für Aufregung sorgt

Mann mit dunkler Hautfarbe hält eine Social-Card für Flüchtlinge (Archivbild)
Die Bezahlkarte, die es demnächst auch in Bremen geben wird, sieht wie eine Kreditkarte aus. Bild: dpa | Chromorange/ Michael Bihlmayer

Dass Bremen 2025 die Bezahlkarte für Flüchtlinge einführt, hat viele Reaktionen hervorgerufen: Der Flüchtlingsrat beklagt Diskriminierung, die Opposition fordert noch schärfere Regeln.

Bremens Bezahlkarte für Flüchtlinge sorgt weiter für Diskussionen – auch im Publikum von buten un binnen. Das zeigt sich auf unseren Social-Media-Kanälen. Die einen halten die Guthaben-Karte, die Flüchtlinge anstelle von Bargeld erhalten sollen, für diskriminierend. Andere, darunter die Opposition, werfen Bremens Senat eine zu großzügige Ausgestaltung der Karte vor. Zu den Hintergründen.

Wer im Land Bremen bekommt wofür die Bezahlkarte?

Alle Flüchtlinge, die in Bremen in die Erstaufnahme kommen und dort vorläufig bleiben sollen, die also nicht in ein anderes Bundesland gebracht werden. Wie Bernd Schneider, Sprecher des Sozialressorts mitteilt, leben derzeit rund 2.000 Menschen in den Erstaufnahmeeinrichtungen Bremens, darunter viele Familien mit Kindern. "Bremen wird auf dieser Grundlage zunächst 3.000 Karten abnehmen", so Schneider. Die Karten würden nach und nach an die Flüchtlinge ausgegeben.

Grundsätzlich sei die Bezahlkarte als Übergangslösung für die Zeit gedacht, in der die Neuankömmlinge noch über kein Konto in Deutschland verfügen, so Schneider weiter. Diesen Flüchtlingen stehen gemäß Asylbewerberleistungsgesetz "Mittel des notwendigen Bedarfs", etwa zur Unterkunft und Verpflegung zu. Diese Mittel werden in den Erstaufnahmen in der Regel durch Sachleistungen abgedeckt.

Darüber hinaus stehen den Flüchtlingen auch so genannte "Mittel des notwendigen persönlichen Bedarfs" zu, im Volksmund Taschengeld genannt. Dabei geht es beispielsweise für alleinstehenden Erwachsenen um derzeit 204 Euro pro Monat, für Paare in einer Wohnung um 184 Euro monatlich. Dieses Geld sollen die Flüchtlinge künftig nicht mehr in bar, sondern in Form eines Guthabens auf der Bezahlkarte erhalten.

Mehre Erwachsene und Kinder laufen mit Gepäck.
In den Bremer Erstaufnahme-Einrichtungen sind viele Familien untergebracht. Bild: dpa | Jan Woitas

Was kritisiert die CDU an Bremens Ausgestaltung der Bezahlkarte?

In Bremen wird, wer eine Bezahlkarte erhält, damit bis zu 120 Euro von seinem persönlichen Guthaben in bar abheben können. In anderen Bundesländern sind es lediglich 50 Euro. Sigrid Grönert von der Bremer CDU kritisiert die Bremer Praxis mit dem Argument, dass eine bundeseinheitliche Regelung sinnvoller wäre, gerade mit Blick auf die Akzeptanz in der Bevölkerung. Mit seiner Sonderregelung sende Bremen Flüchtlingen das Signal: "Kommt alle nach Bremen, hier geht es Euch nicht nur gut, hier geht es Euch besser als anderswo."

Was sagt der Bremer Senat zu dieser Kritik aus der Opposition?

"Das ist Quatsch", so Schneider. Flüchtlinge könnten sich nicht aussuchen, wo in Deutschland sie untergebracht werden. Sie würden gemäß Königsteiner Schlüssel den Ländern zugeteilt. Also könne man auch nicht davon sprechen, dass Bremen Flüchtlinge anlocke.

Dass Flüchtlinge in Bremen nicht nur 50, sondern 120 Euro monatlich von ihrem Guthaben auf der Bezahlkarte in bar werden abheben können, begründet Schneider mit der Unverzichtbarkeit des Bargelds vielerorts. So könne man etwa an manchen Markständen oder auf Flohmärkten nur bar bezahlen. Anderswo gebe es Mindestbeträge für Kartenzahlungen. Entsprechend seien 50 Euro in bar, wie sie Flüchtlinge in anderen Bundesländern mit der Geldkarte abheben können, nicht ausreichend. Schneider hält für denkbar, dass Gerichte daher die Regelungen anderer Bundesländer kassieren werden.

Weswegen haben sich Bund und Länder dazu entschieden, die Bezahlkarte einzuführen?

Ein Grund dafür war, dass man mit der Bezahlkarte Geld nur im Inland ausgeben kann. So gesehen lasse sich mit der Karte verhindern, dass Flüchtlinge Geld ins Ausland überweisen oder in bar schicken, vielleicht zugunsten von Schleppern, teilt der Presse- und Informationsdienst der Bundesregierung mit. "Zudem versprechen sich die Städte und Gemeinden durch die Bezahlkarte weniger Verwaltungsaufwand: Statt Bargeld auszuhändigen, müssen sie nur die Beträge auf die Karten buchen", heißt es dort weiter.

Gibt es Belege dafür, dass Flüchtlinge im nennenswerten Umfang Geld von deutschen Behörden ins Ausland überwiesen haben, statt es für den eigenen persönlichen Bedarf zu nutzen?

Nein, offenbar nicht. Zumindest liegen weder dem Presse- und Informationsdienst der Bundesregierung noch dem Bundesfinanzministerium entsprechende Zahlen vor. Auch Bernd Schneider aus dem Bremer Sozialressort sind derartige Zahlen nicht bekannt.

Der Flüchtlingsrat Bremen vermisst daher auch einen Beweis für die Aussage, Flüchtlinge hätten Geld, das für ihren persönlich Bedarf bestimmt gewesen sei, zweckentfremdet: "Es handelt sich um eine unbewiesene und zudem unplausible Behauptung", so die Kritik des Flüchtlingsrats. Er weist außdem darauf hin, dass die Leistungen für Flüchtlinge in Deutschland unterhalb des gesetzlichen Existenzminimums lägen. Tatsächlich sind die Bürgergeld-Sätze deutlich höher.

Welche Vorteile bietet die Bezahlkarte?

Die Karte ermöglicht Einkäufe im Internet, sagt Sozialsenatorin Claudia Schilling. Außerdem entlaste sie die Verwaltung und biete ihren Besitzern mehr Sicherheit, "weil die Menschen nicht mehr so viel Bargeld bei sich führen oder im Spind lagern müssen."

Den Flüchtlingsrat Bremen überzeugen diese Argumente allerdings nicht. Er lehnt die Bezahlkarte als diskriminierend ab. Denn der Sinn von pauschalierten sozialen Leistungen bestehe gerade darin, dass die Empfängerinnen und Empfänger damit machen könnten, was sie wollen. Die freie Verfügbarkeit des wenigen gewährten Geld sei ein wesentlicher Aspekt menschenwürdiger sozialer Leistungen. Die Bezahlkarte aber lasse sich keinesfalls überall anstelle von Bargeld einsetzen und schränke damit Teilhabemöglichkeiten ein. Zudem könne die Karte zu einem Kontrollistrument werden: "Das Amt weiß, was Sie gestern wo gekauft haben", teilt dazu Nazanin Ghafouri vom Flüchtlingsrat Bremen auf der Website des Flüchtlingsrats mit.

Dort hat der Flüchtlingsrat die Campact-Petition "Nein zur Bezahlkarte in Bremen" verlinkt. Die Bezahlkarte werde die Selbstbestimmung von Geflüchteten massiv einschränken, heißt es darin. Bis Dienstagnachmittag hatten rund 3.270 Personen die Petition unterzeichnet.

Bremen soll Bezahlkarte für Asylbewerber im 1. Quartal 2025 bekommen

Bild: Radio Bremen

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Rundschau am Nachmittag, 14. November 2024, 17 Uh