Interview

So überleben Mauersegler, Spatzen und Co. die Haussanierung

Wegen steigender Energiepreise lassen einige Bremer ihre Immobilien sanieren. Die Naturschützer vom BUND bitten, dabei den Artenschutz zu bedenken – und bieten Hilfe an.

Mit einer energetischen Sanierung lässt sich angesichts steigender Preise einiges an Geld sparen – Immobilienbesitzer sollten diese nach Möglichkeit schnell angehen. Doch ein Eingriff in die Bausubstanz kann auch ein Eingriff in die Natur bedeuten, geben Naturschützer zu bedenken. Denn Tiere haben sich an unser Leben angepasst und nutzen auch unsere Häuser zum Überleben. Elisabeth Quentin vom Bund für Naturschutz BUND erklärt, was bei der Haussanierung zu beachten ist, um den Tieren nicht ihren Lebensraum zu nehmen.

Welche Tiere sind das, die sich bei uns als Untermieter ein Zuhause schaffen?

Bei den Vögeln sind es die Mauersegler, der Hausrotschwanz, der Haussperling, die Schwalben – hauptsächlich die Mehlschwalben, die außen an der Fassade sitzen. Bei den Fledermäusen die Zwergfledermaus oder die Breitflügelfledermaus, die sich ganz gezielt an den Häusern ihr Quartier suchen.

Eine Fledermaus hängt an einem Dach (Archivbild)
Die nachtaktiven Fledermäuse findet man häufig an Dächern und Dachrinnen. Bild: Imago | Ardea

Wo verstecken sich die Tiere denn?

Sie können sich hinter Rollläden verstecken, unter einer Fassade, die vorgesetzt ist, vor Dachunterständen, unter der Dachrinne. Man kann sie tatsächlich nicht immer eindeutig erkennen, manchmal sieht man auch nur ihre Spuren. Bei der Fledermaus kann man zum Beispiel die Kotspuren erkennen, etwa auf der Fensterbank liegend. Anhand der Kotspuren kann ich ganz genau sagen, das ist die Zwegfledermaus.

Oft passiert es bei einer Sanierung unbeabsichtigt und man erkennt gar nicht, dass es da noch einen Untermieter gibt.

Elisabeth Quentin

Wobei, das wage ich fast zu bezweifeln, dass ich als Naturlaie genau einordnen kann, was da gerade bei mir wohnt. Wie gehe ich am besten vor, wenn ich vorhabe, mein Haus oder meine Wohnungsfassade zu sanieren? Rufe ich beim BUND an und sage, kommen Sie mal vorbei?

Die Möglichkeit gibt es, dass der BUND so eine Beratung macht, sich das Gebäude anschaut. Und es gibt auch spezielle Firmen, die sich darauf spezialisiert haben. In Bremen hat der BUND zum Beispiel einige Stellen, die auch mit einer Kamera in die Quartiere reingehen können, so dass man sich wirklich sicher sein kann, was sich da aufhält. Letztendlich müssen aber auch Bauingenieure, die so eine Sanierung machen, informiert sein. Und die machen sich strafbar, wenn sie eine Ruhestätte oder ein Quartier zerstören.

Und wie muss ich mir das dann vorstellen? Sagen wir, wir haben das geklärt und wissen, dass hier tatsächlich Fledermäuse oder Mehlschwalben leben. Muss ich jetzt in meine neue Fassade irgendwelche Brutkästen einbauen oder was mache ich dann?

Ja, die Möglichkeit besteht. Architektonisch kann man das wunderbar lösen, dass man praktisch nur einen kleinen Spalt hat, wo die Mauersegler hineinschlüpfen können. Man kann es auf die Fassade setzen, sogar in die Isolierschicht einbauen. Da sollte man allerdings darauf achten, dass es dann keine Kältebrücken gibt – das sollte man möglichst vermeiden.

Bruthilfen für Schwalben an einem Haus (Archivbild)
Mit künstlichen Nistkästen kann den Schwalben unter die Flügel gegriffen werden. Bild: Imago | Blickwinkel

Gibt es auch Materialien, die man beim Umbau nicht benutzen darf? Irgendwelche Dämmstoffe, die giftig sein könnten für die Tiere?

Ich denke Glaswolle ist ein Problem. Wichtig ist, dass man bei den Ersatzquartieren Naturmaterialen, zum Beispiel Holz nimmt. Es gibt auch einen Holzbeton, der tierfreundlich ist. Man sollte, wenn man von außen Quartiere anbietet, diese von außen gegen Witterungseinflüsse schützen. Innen sollte so ein Holz völlig unbehandelt bleiben.

Ist es aber nicht auch so, dass die Tiere, die zum Beispiel bei mir genistet oder gewohnt haben, sich nicht einfach ein anderes Quartier suchen? Und ich muss diesen ganzen Aufwand vielleicht gar nicht betreiben?

Viele Tiere sind sehr ortsgebunden. Das Quartier, das sie über Jahre oder Jahrzehnte gewohnt sind, suchen sie immer wieder gerne auf. Deswegen ist es sinnvoll, dass man an der Stelle auch wieder ein Ersatzquartier schafft. Wenn das nicht möglich ist, besteht einfach die Gefahr, dass es länger dauert, bis sich die Tiere an einer anderen Stelle wieder etabliert haben.

Würden Sie dann auch sagen, im Zweifel lieber nicht sanieren?

Sanierung ist natürlich unbedingt notwendig. Der Klimaschutz ist wichtig. Aber ich möchte wirklich betonen: Klimaschutz und Artenschutz ist etwas, was gleichberechtigt behandelt werden muss. Es ist nicht eins wichtiger als das andere.

Mehr zum Thema:

Autorin

  • Liedtke Jessica
    Jessica Liedtke

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 12. Oktober 2022, 13:10 Uhr