Warum jetzt mehr Frauen Landwirtinnen und Männer Friseure werden

Eine L-Fahrerin am Steuer eines Lkw (Symbolbild)
Ein Bild, das in den letzten Jahren zumindest ein bisschen an Seltenheitswert verloren hat: eine Frau am Steuer eines Lkw. Bild: dpa | Zoonar/Alexandra Troyan

Das Zupacken auf dem Bau ist Männersache, die Pflege etwas für Frauen? Solche Rollenbilder sind längst im Wanken, wie diese Bremer Beispiele zeigen.

Auch heute, im Jahr 2023, gibt es sie noch: typische Männer- und typische Frauenberufe. Oder, genauer gesagt: Berufe, die überwiegend von Männern oder eben vorwiegend von Frauen ergriffen werden – warum auch immer. Zumindest in einigen Branchen zeichnet sich aber doch eine Entwicklung zu mehr Geschlechter-Parität ab. Darauf hatte das Statistische Bundesamt zum Girls’ Day und Boys’ Day oder auch Zukunftstag am 27. April hingewiesen.

So sind Berufskraftfahrerinnen nicht mehr so selten wie noch vor zehn Jahren: Während der Frauenanteil bei den Neuabschlüssen in diesem Ausbildungsberuf 2021 bei elf Prozent lag, waren es 2011 noch vier Prozent. Auch in der Landwirtschaft steigt die Frauenquote deutlich. So haben im Jahr 2021 knapp 900 Frauen einen Ausbildungsvertrag zur Landwirtin abgeschlossen. Das entspricht einem Frauenanteil von rund 22 Prozent. Zehn Jahre zuvor lag der Frauenanteil noch bei lediglich zwölf Prozent: 2011 gingen gut 400 Frauen einen Vertrag für eine Ausbildung zur Landwirtin ein.

"Junge Menschen haben jetzt mehr Chancen"

Eine Frau mit Brille lächelt in die Kamera
Freut sich, dass die alten Rollenbilder in der Landwirtschaft langsam aufweichen: Birte Kaemena, Vizepräsidentin der Landwirtschaftskammer Bremen. Bild: Birte Kaemena

Birte Kaemena unterhält gemeinsam mit ihrem Mann den Biohof Kaemena im Bremer Blockland. Kaemena führt den steigenden Frauenanteil in der Landwirtschaft auch darauf zurück, dass in den letzten Jahren Aktionstage wie der Zukunftstag an Bedeutung gewonnen hätten, bei denen es um die klischeefreie Berufsorientierung geht: "Die jungen Menschen haben jetzt mehr Chancen, in Berufe rein zu schnuppern", sagt sie. Dank dieser Entwicklung entdeckten offenbar zunehmend auch junge Frauen, wie viel Spaß Landwirtschaft machen kann, zumal die Tierpflege.

"Wir beobachten in der Ausbildung immer wieder, wie viel Freude die Jungs daran haben, schnell sicher mit dem Trecker zu fahren." Die Mädchen dagegen interessierten sich oft mehr für die Tiere. "Die beobachten dann oft ganz genau und mit viel Empathie, wie es den Kühen geht und welche vielleicht krank ist." In diesem Punkt seien die Mädchen den Jungen tendenziell überlegen. Kaemena sagt das als Frau, die sich in von Männern dominierten Berufen auskennt. Von Haus aus ist die heutige Vizepräsidentin der Landwirtschaftskammer Bremen eine Bauingenieurin.

Männeranteil im Friseurhandwerk steigt

Friseurmeister Heiko Klumker steht in seinem Salon und schaut in die Kamera
Glaubt, dass Männer und Frauen grundsätzlich gleich gut Haare schneiden können: Bremens Friseur-Obermeister Heiko Klumker. Bild: Heiko Klumker

Wie das Statistische Bundesamt anmerkt, gibt es auch einige Berufen mit traditionell hohem Frauenanteil, in denen der Männeranteil gestiegen ist. So haben im Jahr 2021 knapp 2.100 Männer einen Ausbildungsvertrag zum Friseur abgeschlossen. Damit betrug der Männeranteil bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen im Friseurhandwerk 32 Prozent. 2011 waren es dagegen nur elf Prozent, 1.400 Männer insgesamt.

Friseure genießen in der syrischen Gesellschaft einen viel höheren Stellenwert als bei uns. (...) Es erleichtert uns die Suche nach Auszubildenden erheblich"

Heiko Klumker, Obermeister der Friseur-Innung Bremen

Heiko Klumker, Obermeister der Friseur-Innung Bremen, führt diese Entwicklung in seiner Branche vor allem auf die hohen Zuwanderungszahlen nach 2015 insbesondere durch junge Männer aus Syrien zurück: "Friseure genießen in der syrischen Gesellschaft einen viel höheren Stellenwert als bei uns", sagt Klumker. Daher ergriffen viele junge Syrer mit Freude die Chance, in Bremen und umzu eine Ausbildung zum Friseur zu machen. "Für uns ist das natürlich gut. Es erleichtert uns die Suche nach Auszubildenden erheblich", sagt Klumker dazu. Auch spiele es aus seiner Sicht keine Rolle, ob Frauen oder Männer seinen Beruf ergriffen.

Trendwende im Gastgewerbe?

Bei den Auszubildenden zur Fachkraft im Gastgewerbe hat sich das Geschlechter-Verhältnis in der Zeit von 2011 bis 2021 dem Statistischen Bundesamt zufolge sogar nahezu umgekehrt: 2021 lag der Männeranteil bei den gut 1.700 neuen Ausbildungsverträgen bei 58 Prozent. 2011 wurden dagegen nur 38 Prozent der knapp 3.100 Neuverträge für eine Ausbildung zur Fachkraft im Gastgewerbe von Männern abgeschlossen. 

Detlef Pauls, Vorstand des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Bremen, ist sich zwar nicht sicher, wie es zu diesem deutlichen Anstieg der Männerquote bei den Azubis zur Fachkraft im Gastgewerbe gekommen ist. Er vermutet aber, dass es, ähnlich wie bei den Friseuren, mit dem gestiegenen Anteil an jungen männlichen Geflüchteten zu tun hat.

Männer herrschen in Ausbildungsberufen weiter vor

Wie auch immer. Auch, wenn in einzelnen Berufen typische Rollenbilder von Mann und Frau langsam zu verwischen scheinen, gibt es weiterhin deutliche Unterschiede. Nach wie vor absolvieren mehr Männer als Frauen eine Berufsausbildung im dualen System. Von den knapp 466.200 Personen, die im Jahr 2021 in Deutschland einen neuen Ausbildungsvertrag abschlossen, waren 64 Prozent männlich. Im Jahr 2011 war der Frauenanteil mit 41 Prozent bei den dualen Ausbildungen laut Statistischem Bundesamt sogar ein bisschen höher als heute. 

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 27. April 2023, 19.30 Uhr