Fragen & Antworten

Wird Bremerhaven jetzt doch noch zum großen Windenergie-Player?

Zwei Techniker sind am 27.07.2017 auf einer Generatorgondel eines Windkraftrades (r) des Offshore-Windparks «Nordsee 1» in der Nordsee vor der ostfriesischen Insel Spiekeroog (Niedersachsen) mit der Inbetriebnahme beschäftigt.
Bild: dpa | Ingo Wagner

Für die Energiewende fordert die Windkraft-Branche mehr Anlagen. Bremerhaven soll seine Position dabei stärken. So könnte es klappen – und so viel grünen Strom gibt es in Bremen.

Die Windkraft-Branche versucht, zu alter Form zurückzukehren: Nach schwierigen Jahren will sie mit den neuen Ausbau-Zielen der Bundesregierung wieder durchstarten. Es sollen mehr Windparks auf See und an Land entstehen und alte Anlagen erneuert werden – um die Klimaziele zu erreichen. Doch ob das gelingen kann, nachdem in den vergangenen Jahren wie zum Beispiel in Bremerhaven die Windkraft-Industrie fast vollständig verschwunden ist, das ist die große Frage.

Wie stehen die Chancen, dass es für die Branche im Nordwesten wieder aufwärts geht?

Es sieht wieder besser aus. Zumindest die Unternehmen gucken schon mal optimistischer in die Zukunft. Das liegt daran, dass die neue Bundesregierung Windkraft, aber auch Solarenergie stärker fördern will. Überhaupt soll der grüne Anteil am Strommix ausgebaut werden – um die Energiewende zu schaffen. Doch die Herausforderungen sind groß, sagt Heike Winkler vom Branchenverband Windenergie WAB in Bremerhaven.

Alles, was für Offshore-Windenergie baut, muss jetzt unterstützt werden. Um überhaupt in der Lage zu sein, für die Offshore-Windenergie und ihre Ziele entsprechende Mengen darstellen zu können.

Eine Frau mit Schwimmweste und Helm steht auf einem Schiff vor einem Windpark.
Heike Winkler, WAB Bremerhaven

Es hat sich also einiges verschoben. Nun hofft man natürlich darauf, dass es in den nächsten Monaten immer mehr Aufträge in Deutschland für die Industrie gibt und der Anlagenbau wieder zulegt.

Was bedeuten die Ausbauziele für den Energiemix?

Es muss generell noch schneller gehen, heißt es aus der Windkraft-Branche. Erneuerbare Energien insgesamt müssten stärker gefördert und ausgebaut werden. Sie fließen in den Strommix für Verbraucher ein. Laut der Bremer SWB beispielsweise liegt der grüne Anteil am Strommix des Energieversorgers bei rund 30 Prozent. Das zeigen neuste Zahlen von 2021.

Unter allen Privat-, Gewerbe- und Industrie-Kunden der SWB beziehen etwa ein Drittel Strom aus Erneuerbaren Energien. Bei den Privathaushalten im Land Bremen hält die SWB einen Marktanteil von etwa 80 Prozent – etwa 20 Prozent dieser Haushalte nutzen Grünstrom-Produkte. Derzeit bietet der Energieversorger Neukunden allerdings nur eine Grundversorgung an, nur Bestandskunden haben die Möglichkeit einen bestehenden Vertrag auf Erneuerbare umzustellen. Grund ist laut SWB die Entwicklung an den Energiemärkten.

Zum Strommix können auch Photovoltaik-Anlagen mit Solarenergie beitragen. Der Netzbetreiber verzeichnet im Land derzeit insgesamt 3.300 solcher Anlagen im Netz.

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Teile des grünen Stroms stammen aus der Windkraft an Land. Große Hoffnungen werden aber auch in die Anlagen Offshore gesetzt: 30 Gigawatt Leistung sollen es bis 2030 mit Windparks auf See werden – zurzeit ist man bei rund 8 Gigawatt. Mit etwa 20 Gigawatt könnte bereits mehr als die Hälfe der deutschen Haushalte mit Strom versorgt werden.

Würde der Ausbau der Windparks auf See auch für neue Arbeitsplätze in Bremerhaven sorgen?

Es gab in der Branche in der Seestadt einmal etwa 4.000 Arbeitsplätze. Davon sind fast alle weg. Zurzeit ist hauptsächlich Windkraft-Forschung verblieben – wie zum Beispiel im Windkanal von Windguard oder im Rotorflügel-Teststand des Fraunhofer Instituts. Geblieben ist in der Region das Siemens-Werk in Cuxhaven, das noch Offshore-Windkraftanlagen für den Weltmarkt produziert. Und Niedersachsen will den dortigen Hafen weiter kräftig fördern – jüngst hieß es, dass weitere 100 Millionen Euro investiert werden sollen.

Und wie sieht es mit Investitionen in Bremerhaven aus?

Da hatte man in der Vergangenheit voll auf den neuen Offshore-Hafen in Bremerhaven (OTB) gesetzt. Der sollte eine Art Herzstück werden, wurde jedoch vom Bundesverwaltungsgericht einkassiert. Es gebe keinen Bedarf mehr für einen solchen Hafen, entschieden die Richter, nachdem der Umweltverband BUND gegen den Hafen geklagt hatte. Da hatte Bremen bereits 30 Millionen Euro für die OTB-Planung ausgegeben. Dieses Geld fehlt nun für andere Vorhaben. Bremens Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) geht dennoch davon aus, dass die Branche auch in Bremerhaven und Bremen wieder zulegt.

Wir können das wiederaufbauen. Es ist ganz entscheidend, wie die Bundesregierung agiert. Mit den endlich ehrgeizigeren Ausbauzielen werden wir großvolumige Ausschreibungen haben. Die müssen durch die Bundesregierung so gestaltet werden, dass auch der deutsche Mittelstand zum Zuge kommt – und es nicht nur an große, international tätige Firmen geht.

Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt im Interview.
Kristina Vogt, Bremer Wirtschaftssenatorin (Linke)

Beide Städte wollen sich jedenfalls ein Stück vom Kuchen abschneiden, wenn die Branche wieder richtig zulegt.

Gibt es denn in Bremerhaven schon konkrete Projekte oder Aufträge für Firmen?

Bislang ist es noch dürftig. Aber man setzt auf die Werften – insbesondere die Lloyd Werft, die von den Investoren Rönner und Zech gekauft wurde. Hier könnten zum Beispiel Konverterstationen gebaut werden, also Umspannwerke für Offshore-Windparks. Oder neue Spezialschiffe und am besten auch Windkraftanlagen. Außerdem soll im Containerhafen künftig mehr für die Windkraft auf See umgeschlagen werden. Das hat zumindest das Bremer Logistikunternehmen BLG angekündigt. Also: Stellflächen im Containerhafen auch für Windkraft-Transporte mitnutzen und eventuell Kajen im Fischereihafen ertüchtigen. Dafür gibt es Pläne, die allerdings noch nicht richtig weit vorangekommen sind. Aber es sieht ganz so als, als könnten sich neue Unternehmen finden, die in die Windkraft investieren wollen und Flächen suchen.

Und welche Rolle spielen die Nord-Länder beim Ausbau Windkraft an Land?

Das Beratungsunternehmen Windguard hat aktuelle Zahlen zum Ausbau der Onshore-Windenergie vorgelegt. Demnach sind die nördlichen Bundesländer auf diesem Gebiet führend. Die drei Stadtstaaten Bremen, Hamburg und Berlin sind von dem Ranking allerdings ausgenommen. Schleswig-Holstein und Niedersachsen liegen beim Ausbau der Windenergie an Land bundesweit vorne. Besonders das flächenmäßig eher kleine Schleswig-Holstein habe den Bau von Windrädern an Land im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2021 verdoppelt, teilte die deutsche Windguard mit. Danach folge Niedersachsen mit einem Brutto-Zubau von 19 Prozent an zweiter Stelle. Das entspreche dem Vorjahresniveau. Trotz windreicher Küstenlage schafft es Mecklenburg-Vorpommern demnach jedoch lediglich auf Platz zehn im Ländervergleich.

Offshore-Windenergie: Politik sieht Chance für Bremerhaven

Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 18. Januar 2023, 8:10 Uhr