Interview

So erleben 4 Bremerinnen die Lage der Frauen in ihren Heimatländern

Collage zeigt 4 Frauen unterschiedlicher Nationalitäten, die in Bremen leben
Diese vier Frauen, mit unterschiedlicher Nationalität, hat buten un binnen zum Weltfrauentag befragt. Bild: Radio Bremen | Montage Radio Bremen

Auch nach dem 8. März kämpfen Frauen weltweit um ihre Rechte. Diese vier Frauen erzählen, was der Feiertag dort bedeutet – wie die Lage für Frauen in ihren Ländern ist.

In der Ukraine kämpfen Frauen an vorderster Front. Frauen in Afghanistan kämpfen für das Recht, über ihren Körper und ihre Bildung zu bestimmen. In Mexiko kämpfen sie gegen die zunehmende sexuelle Gewalt im Land. Und im Iran für das Recht auf eine freie Kleiderordnung – für Freiheit. Vier Bremerinnen, die aus diesen Ländern stammen, haben erzählt wie sie zum zum internationalen Weltfrauentag stehen und wie sich die  Frauenrechte in ihrem Land im vergangenen Jahr entwickelt haben.

1 Alla Vasylenko aus Kiew

Die Ukrainerin ist 45 Jahre alt und Juristin. Sie lebt seit einem Jahr mit ihren zwei Kindern in Bremen und lernt hier die Sprache.

Porträt der 45jährigen Alla Vasylenko aus Kiew auf dem Bremer Marktplatz
Ein Porträt der 45-jährigen Alla Vasylenko aus Kiew. Bild: Radio Bremen

Wie erleben Sie den Weltfrauentag in der Ukraine?

In der Ukraine wurde der "Internationale Tag der Frauenrechte" in der Sowjetzeit einfach zum "Internationalen Frauentag" umbenannt. Ursprünglich war es ein Feiertag, der die Rolle der Frau auf Kindererziehung und Hausarbeit reduzierte. Frauen freuen sich auf diesen Feiertag. Viele mögen es, wenn Männer ihnen Blumen schenken. Für sie ist es ein Fest der weiblichen Schönheit, der Beginn des Frühlings, ein Fest der Frau als Hüterin des Hauses, der Kindererziehung, der Familie und ein Zeichen des Respekts für Frauen. Dennoch ist es kein Tag der Frauenrechte.

An diesem Tag wird in der Ukraine kaum über angemessene Löhne für Frauen gesprochen. Das ist meiner Meinung nach sehr seltsam, denn Frauen kämpfen seit langem für ihr Recht gleichberechtigt Berufe zu wählen. Aber aus irgendeinem Grund hat man immer geglaubt, dass Frauen den Männern mehr helfen, als dass sie selbst etwas tun.
Selbst bei der Arbeit. Ich habe das auch bei der Arbeit gespürt, wenn eine Frau eine Führungsposition innehat und es männliche Mitarbeiter gibt, sind diese misstrauisch und versuchen, etwas in Frage zu stellen. Und jedes Mal muss man beweisen, dass man nicht nur eine Frau ist, sondern gleichberechtigt arbeitet. Wenn mir die Leute bei der Arbeit Blumen schenken, sagen sie nie: "Wir schätzen dich als Managerin", sondern immer: "Du bist nett, schön, wir lieben dich."

Werden die Rechte der Frauen in der Ukraine geschützt? Hat sich was durch den Krieg stark verändert?

Im Prinzip gibt es keine geschlechtsspezifischen Verbote, aber es gibt einen subjektiven Faktor: Männer werden oft für Führungspositionen bevorzugt. Heutzutage haben auch Männer das Recht, Mutterschaftsurlaub zu nehmen, aber es sind fast immer die Frauen, die ihn beanspruchen. Auch sind die Gehälter sind nicht überall gleich.

Das letzte Jahr, der Krieg, hat viel verändert. Das Militär war immer ein Männerberuf und jetzt dienen auch viele Frauen bei den Streitkräften. Allerdings ist es dort nicht so einfach, denn es gibt keine spezielle Kleidung für Frauen, keine angemessenen Bedingungen. Außerdem müssen sich Frauen jede Zulage für den Dienst erkämpfen. Aber es wurden bereits Fortschritte erzielt, insbesondere bei der Behandlung von Frauen im Krieg. In der Ukraine ist sogar die stellvertretende Verteidigungsministerin eine Frau. Wir haben zum ersten Mail eine Frau im Rang eines Generals! 
Man sieht, die Rolle der Frau in der Gesellschaft der Ukraine verändert sich.

2 Mexikanerin Erika Vaca aus Queretaro

Seit zwei Jahren wohnt die 52-Jährige in Bremen. Sie ist verheiratet und hat eine Tochter. Von Beruf ist sie Geschäftsführerin, aber gerade Hausfrau.

Porträt von Erika Vaca aus Mexiko am Weserufer in der Bremer Innenstadt.
Ein Portrait der Mexikanerin Erika Vaca am Weserufer. Bild: Radio Bremen

Wie wird in Mexico der Weltfrauentag gefeiert? Und was bedeutet das für Sie als Frau für Ihre Rechte?

In Mexiko gedenken wir am 8. März mit verschiedenen Demonstrationen. Wir kleiden uns in den Farben Lila, Grün und Weiß. Lila ist eine Farbe, die Frauen symbolisiert und Grün steht für die Freiheit. Die Farbe Weiß steht für Reinheit und Frieden. Die Demonstrationen sind friedlich und konzentrieren sich darauf, unsere Empörung über die verschiedenen Arten von Gewalt gegen Frauen zu zeigen, die es leider immer noch in Mexiko gibt. Es ist ein Tag der Trauer und des Kampfes. Es ist ein Tag, um unter dem Ruf "Niemand mehr" Gerechtigkeit für Tausende von Toten und Verschwundenen zu fordern.

Werden die Rechte der Frauen in Mexiko geschützt? Was hat sich im letzten Jahr verändert?

In Mexiko kann man getötet werden, nur weil man eine Frau ist. Derzeit ist unsere Gleichheit vor dem Gesetz festgestellt, unser Recht auf Leben, Bildung, Gesundheit, Freiheit, Gerechtigkeit, Arbeit, soziale Sicherheit ist gesichert. Trotzdem ist die Zahl der Femizide alarmierend hoch, weil jedes Jahr Tausende von Frauen Opfer von Gewalt werden.

Insbesondere die Gefährdung von Frauen und Mädchen war der Grund für unseren Umzug nach Bremen. Meine Tochter Lile-Maria ist jetzt zehn Jahre alt und ich mir große Sorgen um sie.

Erika Vaca, Bremerin aus Queretaro, Mexiko

Wir können nicht leugnen, dass es Verbesserungen gegeben hat. Jetzt gibt es Notrufnummern, das nationale Netzwerk von Notunterkünften wurde eingerichtet und es gibt Gesetze die Frauen schützen sollen. Ich denke jedoch, dass sie aufhören müssen uns anzugreifen, zu vergewaltigen und zu töten. Es ist gut, dass es Konsequenzen für diejenigen gibt, die uns verletzt haben, aber es wäre besser, wenn sie uns nicht verletzt hätten. Ich glaube, dass dies nur mit Bildung von Kindheit an erreicht werden könnte.

Insbesondere die Gefährdung von Frauen und Mädchen war der Grund für unseren Umzug nach Bremen. Meine Tochter Lile-Maria ist jetzt 10 Jahre alt und ich mir große Sorgen um sie. Gerade in Mexiko kann meine Tochter nicht mit dem Bus zur Schule fahren, es ist zu gefährlich. Sie wächst und ich habe Angst vor dem, was als nächstes passieren könnte. Als meine Tochter geboren war, dachte ich sofort, dass wir umbedingt umziehen müssen, obwohl wir in Mexiko ein sehr glücklich Leben hatten. Aber als Frau hat meine Tochter mehr Möglichkeiten in Deutschland.

Laila Noor aus Kabul

Laila Noor kam vor 44 Jahren nach Bremen. Mittlerweile ist sie 74 Jahre alt und Modedesignerin. Die Afghanin ist Gründungsmitglied und Vorsitzende der "Independent Afghan Women Association" e. V. ( IAWA ).

Porträt von Laila Noor aus Kabul.
Die Modedesignerin Laila Noor aus Kabul. Bild: privat

Wie ist die Situation am Weltfrauentag in Afghanistan? Hat der 8. März dort eine Bedeutung?

Seit der Taliban-Machtübernahme 2021 hat sich leider die Situation der Frauen in der afghanischen Gesellschaft unvorstellbar verschlechtert. Vor der Macht-Übernahme wurde in Afghanistan der internationale Weltfrauentag, wie überall auf der ganzen Welt, gefeiert. Alle Frauen, die in der Gesellschaft etwas Besonderes geleistet haben, wurden geehrt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jetzt diese frauenfeindliche Regierung Frauen überhaupt erlauben würde zu feiern ...

Werden die Rechte der Frauen in Afghanistan überhaupt geschützt?

Das ist unvorstellbar schmerzhaft. Frauen und Mädchen bilden die Hälfte der Nation in Afghanistan und ernähren ihre armen Familien. Mädchen dürfen ab der 7. Klasse nicht mehr die Schule besuchen, nicht zur Uni gehen und studieren. Frauen dürfen nicht mehr arbeiten gehen und nicht mal das Haus ohne männliche Begleitung verlassen. Das ist ein Schritt zurück ins Mittelalter.

Die Frauenrechte sind komplett eingeschränkt. Ich bin ständig in Kontakt mit Frauen, die dort für ihre Rechte kämpfen. Sie sind unglaublich mutig und kämpfen weiter. Sie geben privat Unterricht in ihren privaten Häusern. Dadurch nehmen sie ein großes Risiko auf sich und ihr Leben ist oft in Gefahr. Die Welt hört und interessiert sich leider nicht für ihre Situation und ihre Stimme. Es schmerzt mich und alle Afghanen unendlich, dass die Welt uns anscheinend vergessen und allein gelassen hat. 
 

Sepideh Roshan Afrouz aus Iran

Sie kommt aus der Haupstadt Teheran und wohnt seit 2002 in Bremen. Sie ist Psychologin im Frauenhaus Bremen.

Porträt der 36jährigen Sepideh Roshan aus Teheran vor blühenden Blumen am See.
Portrait der 36-jährigen Sepideh Roshan Afrouz aus Teheran. Bild: privat

Was für eine Stellung hat hier der Weltfrauentag in Iran?

Der Frauentag ist in Iran seit 43 Jahren aufgrund politischer Unterdrückung nicht in der Gesellschaft anerkannt. Aus diesem Grund passiert an diesem Tag nichts. Dementsprechend werden die Frauen nicht über ihre Rechte informiert.
Die Revolution durch mutige Frauen im Iran löste weltweit eine Welle aus, wodurch die Frauenrechte wieder mehr wertgeschätzt werden. Der Herzenswunsch der neuen Generation ist es, dass die Frauen wieder ihre ganz normalen Rechte bekommen und in Freiheit leben können. Ich bin sehr stolz auf diese mutigen Frauen, die furchtlos für ihre Freiheit kämpfen.

Was hat sich besonders im letzten Jahr verändert?

Die Verbote und die Unterdrückung der Frauen sind seit 43 Jahren in der Gesellschaft. Frauen dürfen das Land nicht ohne Erlaubnis verlassen, müssen ein Kopftuch tragen und ihre Einkommen ist stets weniger als das des Ehemannes. Außerdem ist das Erbrecht so geregelt, dass eine Tochter halb so viel erbt, wie der Sohn.

Meine Nichte Helia Azouji, ist 23 Jahre alt, und bei meinen Eltern und mir hier in Bremen. Sie ist ein echtes Beispiel für Tapferkeit und Mut für mich. Sie wurde wegen ihrer politischen Aktivitäten während der neuen Revolution von der Regierung bedroht und floh deswegen nach Bremen. Sie war Teil einer Gruppe, die wöchentliche Aufrufe und Proteste gegen das Regime in den sozialen Medien ankündigte. Sie war selbst auf der Straße und flüchtete mehrmals nach Straßenprotesten vor den Sicherheitskräften. Sie hatte auch auf Wände an Straßen Sprüche gegen das Regime geschrieben und schriftliche Aufrufe an die Menschen auf der Straße verteilt, um andere zu motivieren und zu ermutigen. Sie hat trotz schlechter Internetverbindung, die Videos und aktuelle Nachrichten an iranische TV-Sendungen an soziale Medien weitergeleitet. Aufgrund ihrer Aktivitäten wurde sie von der Sicherheitskräfte erwischt und ihr Leben war in Gefahr, deshalb flüchtete sie nach Bremen. 

Ich bin sehr enttäuscht von all dem, was im Iran passiert. Es braucht eine neue gesetzliche Umstrukturierung der Grundrechte der Menschen im Iran.
 

Rückblick: Weltfrauentag in Bremen

Bild: Radio Bremen


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Autorin

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    Anna Chaika Autorin

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 8. März, 2023, 19:30 Uhr