Interview

Ist Verhütung eine Geschlechterfrage? Das sagen zwei Bremer dazu

Am 18. August war der Tag der Antibabypille. Gleichberechtigung – auch bei Verhütung – ist für viele Paare normal. Aber gab es da einen Wandel? Ein Zwei-Generationen-Gespräch.

Viele Paare versuchen ganz bewusst, Gleichberechtigung in ihrem Alltag zu leben. Auch bei der Verhütung. Aber bisher gibt es fast nur Verhütungsmittel für Frauen auf dem Markt. Wie zum Beispiel die Pille, die es mittlerweile seit mehr als 60 Jahren gibt.

Der Bremer Fabian Müller ist im Profil zu sehen. Er trägt eine Cap.
Fabian Müller arbeitet als chirurgischer Assistent und ist 30 Jahre alt. Bild: Radio Bremen | privat

Aber wie hat sich die Verantwortung bei die Verhütung zwischen den Generationen verändert? Nehmen auch Männer einen Wandel wahr? Wir haben mit zwei Bremern über das Thema gesprochen.

Wann wurdet ihr das erste Mal mit dem Thema Verhütung konfrontiert?

Fabian Müller: Also meine erste Berührung damit war in der Schule. Ich glaube, ich habe nie das klassische Aufklärungsgespräch gehabt. Mal einen doofen Spruch von der Seite: "Na, ich hoffe, du hast ein Kondom benutzt", als ich noch zuhause gewohnt habe. Aber ansonsten war es das.

Kay Schellack: Ich bin ja nun mal ein bisschen älter, und ich habe ja noch so richtig Aufklärungsunterricht in der Schule gehabt. Wo bei den Elternabenden genau abgeklärt wurde, was gezeigt und gesagt werden darf.

Fabian Müller: Ja, so war es bei mir auch, da mussten wir noch ein Kondom über einen Holzpenis ziehen.

Der Bremer Kay Schellack schaut in die Kamera.
Kay Schellack ist 64 Jahre alt und Aufnahmeleiter. Bild: Radio Bremen | privat

Kay Schellack: So weit waren wir noch nicht, das begann da so langsam. Da war noch alles sehr Blümchen und Bienchen, es ging weniger um Lust. Später hat meine Mutter dann das Gespräch gesucht und gesagt, dass sie sich fest darauf verlassen würde, dass ich verhüte. Das wäre schlecht, wenn man jung Vater oder Mutter wird, sagte sie.

Also setzen Ihre Eltern einfach voraus, dass sie verhüten?

Kay Schellack: Ich weiß inzwischen als Elternteil, dass einem nicht mehr bleibt als darauf zu vertrauen, dass es verstanden und praktiziert wird.

Haben Sie da auch mit Freunden drüber gesprochen?

Fabian Müller: Früher hat man sich schon mal darüber unterhalten. Da ging es aber eigentlich nicht darum wie verhüte ich, sondern: Fühlt sich das bei dir genauso an wie bei mir?

Gerade als ich jünger war hat man ja bei den ersten Freundinnen immer ein Kondom benutzt, unabhängig davon, dass ob sie verhütet – bis man eben festgestellt hat, dass es ohne viel besser ist.

Kay Schellack: Meine damalige, erste Freundin benutzte ein Pessar. Das ist ein kreisförmiges Plättchen, das mit einer Creme eingelegt wird vor dem Sex. Ich erinnere mich aber auch, dass mit der Erfindung der Pille plötzlich die Frauen das erste Mal tatsächlich Kontrolle hatten. Das hat viel geändert.

Die Auswahl an Verhütungsmitteln für den Mann ist ja auch relativ beschränkt, neben dem Kondom und der Möglichkeit zur Sterilisation.

Fabian Müller: Meiner Erfahrung nach haben trotzdem beide die gleiche Verantwortung – aber wir Männer sind eben sehr eingeschränkt dabei.

Klar, es gibt immer die Momente, in denen man blind vertraut. Wenn ich bisher eine feste Partnerin hatte, dann war es eher ein gemeinsames Thema. Dass man zum Beispiel die Hälfte des Geldes beigesteuert hat. Mittlerweile ist der Trend bei vielen meiner Freundinnen, dass sie nicht mehr hormonell verhüten.

Sprechen Sie direkt über Verhütung, wenn Sie jemanden kennenlernen?

Fabian Müller: Bis es zum Sex kommt, stelle ich mir die Frage in der Regel nicht. Aber: Ich erinnere mich nicht, da mal nicht drüber gesprochen zu haben, zumindest wenn es keine One-Night-Stand war oder man nicht betrunken war. Es gab immer das Signal: Hey, es ist okay.

Kay Schellack: Das ist interessant, als ich in deinem Alter war, Fabian, kam Aids. Ich bin jetzt 64 Jahre alt, da war ich Mitte 20. Plötzlich erkrankten Leute daran und das änderte alles. Für mich hat es nie One-Night-Stands gegeben: Soweit traute man sich da nicht.

Was hat die Aids-Krise für Sie verändert – hat sich die Verantwortung für sexuell übertragbare Krankheiten verändert?

Kay Schellack: Na ja, ich frage mich: Wie blöd sind denn die Leute, wenn sie ohne Kondom Sex haben?

Fabian Müller: Ja, ich finde es auch dumm. Aber ich habe da ein anderes Gefühl als du. Kay. Ich musste mich mit dem Problem nie befassen, weil ich die Krisenjahre nicht mitgemacht habe. Deshalb ist das Verständnis dafür bei dir viel, viel größer und viel, viel ausgeprägter als bei mir. Es ist aber ein komplett richtiger Gedanke, zu sagen: 'Ihr solltet das im Kopf haben.'

Kay Schellack: Letztendlich ist das Risiko heutzutage ein anderes, aber ich halte es trotzdem für doof. Es gibt ja auch noch andere hässliche, übertragbare Krankheiten.

Können Sie sich vorstellen, hormonell zu verhüten, falls es so ein Verhütungsmittel für den Mann geben sollte?

Kay Schellack: Wenn das freigegeben wird, warum nicht? Ich finde das jetzt auch relativ unproblematisch. Wo ist das Problem?

Fabian Müller: Wenn es von ärztlicher Seite endlich freigegeben wird und es genügend erprobt ist, würde ich das sofort machen.

Hat sich Ihre Haltung zur Verantwortung bei Verhütung mit der Zeit gewandelt?

Kay Schellack: Für meine Frau und mich ist das Thema seit 30 Jahren durch. Ich habe mich nach zwei Kindern sterilisieren lassen – eben, um Kontrolle darüber zu haben. Ich will nur Vater von zwei Kindern sein. Unabhängig davon, wie sich mein zukünftiges Leben gestaltet.

Fabian Müller: In meinen Beziehungen haben wir uns immer darüber unterhalten: 'Okay, wir machen das, was ist der beste Weg?' Wenn ich jetzt zehn Jahre mit meiner Partnerin zusammen bin, müsste ich mich nicht mehr darüber unterhalten, wenn ich keine Kinder mehr haben möchte.

Und wenn es ein Problem gibt, spricht man es natürlich an. Aber wenn das nicht der Fall ist – Kay, wenn ich dich mal so direkt Fragen darf: Wann hast du dich zum letzten Mal mit deiner jetzigen Partnerin darüber unterhalten?

Kay Schellack: Es ist wirklich ewig her, weil sich die Frage irgendwann nicht mehr stellte. Als uns klar war, das war es jetzt mit Kindern, dann war auch mir wichtig, dass ich eben mich darum kümmere. Das war auch total unkompliziert. Hätte ich noch keine Kinder zum Zeitpunkt der Sterilisation, wäre das sicher auch anders gewesen.

Es hat sich aber auch einiges gewandelt. In den 70ern wurden noch Schallplattencover zensiert, wenn eine Banane drauf zu sehen war. Andererseits wundert es mich, dass 2022 noch thematisiert wird, wenn Frauen oben ohne im Schwimmbad liegen. Da dachte ich, dass wir viel weiter sind.

Wie haben oder wie würden Sie das Thema mit den eigenen Kindern besprechen?

Kay Schellack: Naja, was die Männer angeht – die einzige Möglichkeit der Männer ist eben mit dem Kondom zu verhüten. Das ist ja das einzige eigentlich, was sie tun können. Was Anderes gibt es nicht.

Fabian Müller: Ich würde definitiven aufklären und die Basics mal abfragen. Das muss aber nicht mit mir sein, das kann auch mit der Mama sein. Wenn die Schule so weit ist, dass auch wirklich vernünftig aufgeklärt wird, würde ich nur nachhaken: Ist dir bewusst, was du tust?

Kay Schellack: Wenn ein Kondom benutzen schon internalisiert wäre, das wäre ja toll. Und umgekehrt, dass Frauen nicht drauf bestehen, dass Männer es tun und sagen: Ich nehme die Pille. So haben sie wieder die Kontrolle.

Wer hat denn die Verantwortung bei der Verhütung?

Fabian Müller: Ich hätte "beide" gesagt, selbstverständlich. Aber wenn die Frage ist: Wer hat die meisten Möglichkeiten? Dann ist die Antwort mit dem jetzigen Stand: die Frau.

Kay Schellack: Ja, genau. Würde ich genauso sehen.

Autorin

  • Marie Roters
    Marie Roters Autorin

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Morgen, 18. August 2022, 11:10 Uhr