Fragen & Antworten

Tag der Antibabypille: Wann gibt es für Bremer "Pille für den Mann"?

Heute ist der Tag der Antibabypille. Vor 62 Jahren kam sie auf den Markt. Immer wieder wird über die "Pille für den Mann" diskutiert. Wir klären die wichtigsten Fragen.

Lange war die Antibabypille für viele Frauen ein Befreiungsschlag. Seit dem 18. August 1960 ist sie eine Möglichkeit für Frauen, ihre Sexualität selbstbestimmt leben zu können. Allerdings geht der Anteil junger Frauen, die mit der Antibabypille verhüten, immer weiter zurück. Das zeigt eine Auswertung der Techniker Krankenkasse aus dem Jahr 2021. Demnach bekamen 2020 33 Prozent der weiblichen 14- bis 19-Jährigen die Antibabypille verordnet. Vor fünf Jahren lag dieser Wert bei 44 Prozent.

Mittlerweile werden die Forderungen nach einer Pille für den Mann lauter. Wir beantworten die wichtigsten Fragen – und wann mit dem Verhütungsmittel frühestens zu rechnen ist.

Wer erforscht die Pille für den Mann?

In Deutschland gibt es nur eine Hand voll Mediziner und Forscher, die sich mit dem Thema auseinandersetzen. Das bestätigt auch Michael Zitzmann. Er ist Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Andrologie an der Universitätsklinik in Münster. Er forscht außerdem zur Pille für den Mann.

Gibt es die Pille für den Mann nach aktuellem Forschungsstand auch in Tablettenform?

Laut Zitzmann ist eine Pille für den Mann in Tablettenform derzeit gar nicht möglich: "Testosteron kann nicht als Pille gegeben werden, weil es in der Leber sofort abgebaut wird." Aktuell arbeite man an einem Präparat, dass mit einer Spritze verabreicht wird oder in einem Gel enthalten ist.

Wie könnte das Verhütungsmittel funktionieren?

"In der Pille für die Frau ist ein Östrogen drin und ein Gestagen, was der Hirnanhangsdrüse sagt: Die Eierstöcke arbeiten richtig, und es hat auch einen Eisprung stattgefunden, sodass die Steuerhormone, die heißen LH und FSH, nicht mehr freigesetzt werden. Dann findet kein Eissprung mehr statt", so Zitzmann.

Bei der Pille für den Mann sei das ganz ähnlich. So ist in der Spritze oder in dem Gel Testosteron enthalten. Die Hirnanhangsdrüse vermittelt den Hoden dadurch, dass sie arbeiten und es wird weniger LH und FSH ausgeschüttet. Neben Testosteron werden dann in häufig auch keine Spermien produziert.

Wichtig ist: Das Testosteron wird nur in der Menge zugeführt, in der der Körper es selbst herstellen würde. Das Medikament könnte also nicht als Doping verwendet werden. Allerdings führe das zugeführte Testosteron nur bei 75 Prozent der Männer dazu, dass sie keine Spermien mehr produzieren.

Darum wird noch eine andere Substanz mit in die Spritze gegeben, nämlich ein Gestagen, genau wie bei den Frauen. Dann erzielt man einen Wirkungsgrad von weit über 90 Prozent, was keine Spermienbildung mehr angeht.

Michael Zitzmann, Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Andrologie an der Uniklinik Münster

Wie oft müsste das Verhütungsmittel aufgetragen oder gespritzt werden?

Die ersten Versuche wurden schon in den 70ern durchgeführt, ebenfalls mit Testosteron-Spritzen. "Wirksam musste man die jede Woche verabreichen, darum war das nicht so richtig praktikabel. Das hat nicht den Durchbruch gegeben wie bei der Frau." Bei dem aktuell zu erforschenden Präparat geht man von einer Spritze alle acht Wochen aus.

Welche Nebenwirkungen sind zu erwarten?

Die Nebenwirkungen seien denen der Pille für die Frau nicht unähnlich: Stimmungsschwankungen, Libidoverlust und depressive Verstimmungen. Eine Studie der Weltgesundheitsorganisation wurde 2011 aufgrund der Nebenwirkungen gestoppt. Rund 10 bis 15 Prozent der Teilnehmer hatten mit Nebenwirkungen zu kämpfen. Das eigentliche Ziel des Medikaments wurde aber erreicht. Bei 96 Prozent der Teilnehmer habe es zur Empfängnisverhütung geführt.

Zitzmann hatte das Projekt der WHO für Deutschland geleitet und berichtet auch über Enttäuschung einzelner Teilnehmer nach dem Abbruch: "Denn die Teilnehmer hatten schon auch viel Enthusiasmus mitgebracht, und es waren ja auch Paare, die sich darauf verlassen haben."  Mittlerweile laufen weitere Studien.

Bleibt die Fruchtbarkeit nach Absetzen erhalten?

Die Spermienproduktion käme nach drei Monaten wieder zurück, so der Arzt. Nach einem Jahr sei die normale Spermienproduktion wieder gegeben. Das ist zumindest laut Zitzmann der aktuelle Stand.

Gibt es einen Markt für eine Spritze oder ein Gel für den Mann?

Zitzmann sieht das Problem aktuell nicht bei fehlenden Probanden. Schon bei den Studien habe das Präparat positives Feedback bekommen. Das größere Problem sei aktuell die Pharmaindustrie. "Bis jetzt ist noch keine Firma in Sicht, die das Präparat auf den Markt bringen würde."

Die Wahrscheinlichkeit sei groß, dass das eine Firma sein könnte, die ebenfalls die Pille für die Frau vermarkte. "Die überlegen sich: Haben wir einen Mehrgewinn durch diesen ganzen Prozess, der uns viel Geld kostet? Oder verlagert sich dann nur der Marktanteil von den Frauen zu den Männern und wir haben am Ende genauso viel Gewinn, aber mit mehr Aufwand?," mutmaßt Zitzmann. Das würde dann möglicherweise sogar ein Verlust für die Firmen bedeuten. Als Alternative könnten Nichtregierungsorganisation das Präparat vermarkten, wie zum Beispiel die WHO.

Ab wann könnte das Gel oder die Spritze denn dann auf den Markt kommen?

Das ist derzeit noch unsicher, in der Vergangenheit waren auch immer wieder sehr unterschiedliche Zeiträume prophezeit worden.

So, wie es im Moment aussieht, könnte es in zehn Jahren dann auf dem Markt sein, wenn man sich richtig beeilt, vielleicht sogar in fünf Jahren.

Michael Zitzmann, Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Andrologie an der Uniklinik Münster

Autorin

  • Marie Roters
    Marie Roters Autorin

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Morgen, 18. August 2022, 11:10 Uhr