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Bremer Parteien stellen kostenlosen Bluttest auf Down-Syndrom in Frage

Bremer Parteien: Kostenlosen Bluttest auf Down-Syndrom diskutieren

Bild: dpa | Andrey Popov

Seit Juli können Schwangere kostenlos beim Arzt einen Bluttest auf Trisomie machen. Kritiker fürchten, dass durch die Kassenleistung weniger beeinträchtigte Kinder geboren werden.

Es ist ein recht ungewöhnlicher Vorgang, vor allem kurz vor der Bürgerschaftswahl im Mai: Die Regierungsfraktionen und auch CDU und FDP in der Bürgerschaft fordern den Senat in einem gemeinsamen Dringlichkeitsantrag dazu auf, sich auf Bundesebene für eine erneute Diskussion und ein Monitoring des Bluttests auf Trisomie 21 (NIPT) einzusetzen. Dem Antrag vorangegangen sind Diskussionen mit dem Landesbehindertenbeauftragten und Bremens Frauenbeauftragter. Wir erklären, was hinter dieser Forderung steckt, und was der NIP-Test überhaupt ist.

Was genau fordern der Landesbehindertenbeauftragte und die Frauenbeauftragte?

Beide sehen durch die seit vergangenem Jahr von den Krankenkassen eingeführte Kostenübernahme des NIP-Tests die Gefahr, dass Schwangere zu wenig über den Test aufgeklärt werden und sorgen sich, dass es dadurch mehr Schwangerschaftsabbrüche geben könnte. Sie fürchten, dass der für Schwangere kostenlose Test zu einer größeren Selektion zwischen "gesundem" und "beeinträchtigtem" Leben führen könnte.

Auf Initiative der Landesbehindertenbeauftragten und der Frauenbeauftragten fordern SPD, Grüne, Linke, und FDP deshalb, dass es bundesweites Monitoring zur Anwendung des Tests eingeführt wird. Außerdem soll ein Expertengremium das Monitoring begleiten und sich mit ethischen Fragen rund um den Test und die Folgen für den gesellschaftlichen Umgang mit Trisomie und Behinderung generell auseinandersetzen. Der Antrag soll kommende Woche in der Bürgerschaft diskutiert werden.

Ein sogenannter "Praena-Test" liegt auf einem Tisch.
Spritze und Behälter für das Blut: So sieht der NIP-Test aus. Bild: dpa | Tobias Kleinschmidt

Was genau ist der NIP-Test?

NIPT ist die Kurzform für nicht-invasiver Pränataltest. Seit 2012 ist der Test auf dem deutschen Markt. Anhand des Tests kann das Risiko für Trisomie 21, 18 oder 13 beim ungeborenen Kind bestimmt werden. Der Test kann ab der 10. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden.

Jahrelang wurde der Test erst als Zusatzleistung für Selbstzahlerinnen angeboten. Seit Juli 2022 bezahlen die Krankenkassen den Test. Der NIPT ist ein Teil der Schwangerenvorsorge, zählt aber nicht zu den allgemein empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen während einer Schwangerschaft.

Wie läuft der Test ab?

Bei der Schwangeren wird Blut abgenommen, ganz einfach aus der Armvene. Daraus wird dann die DNA des Ungeborenen extrahiert und auf Hinweise von Trisomien gescannt. Nach ein bis zwei Wochen liegt meist ein Laborergebnis vor. Der Test ist ein Wahrscheinlichkeits-Test. Das bedeutet, dass das Ergebnis nur die Wahrscheinlichkeit angibt, mit der eine Trisomie beim Ungeborenen vorliegen könnte. Bei einem positiven Befund wird der Schwangeren empfohlen, das Ergebnis durch eine weitere Untersuchung abzusichern, wie zum Beispiel durch eine Fruchtwasseruntersuchung.

Für wen ist der Test sinnvoll?

Der NIP-Test wird vor allem älteren Frauen empfohlen. Bei ihnen ist die Wahrscheinlichkeit, ein Kind mit Trisomie 21 zu bekommen, höher. Wenn sich bei einer anderen Untersuchung der Schwangeren ein Hinweis auf eine Trisomie ergibt, kann der Test zur Abklärung dienen.

Jungen und gesunden Frauen, bei denen es in der Schwangerschaft keine Auffälligkeiten bezüglich einer Trisomie gibt, wird der Test nicht empfohlen. Allerdings übernehmen die Kassen die Kosten, wenn die Frau zusammen mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin überzeugt sind, dass der NIP-Test in ihrer persönlichen Situation notwendig ist. Das bedeutet: Wenn die Möglichkeit einer Trisomie beim Ungeborenen die Frau so stark belastet, sorgt und ängstigt, darf auch sie den Test machen.

Junge mit Down-Syndrom spielt mit Fingermalfarben
Kinder mit Trisomie 21 (Down-Syndrom) lernen manches später und langsamer, zum Beispiel laufen oder sprechen. Bild: dpa | Sebastian Kahnert

Was genau sind Trisomien?

Bei Trisomien sind manche Chromosomen in den Zellen dreifach statt zweifach vorhanden. Kinder mit Trisomie 21, auch Down-Syndrom genannt, entwickeln sich sehr verschieden – und meist langsamer als andere Kinder. Im Erwachsenenalter können manche komplett selbstständig leben, andere brauchen viel Unterstützung und auch Pflege. Wie sich ein Mensch mit Trisomie 21 entwickelt, lässt sich nicht voraussagen.

Kinder mit Trisomie 18 – auch Edward-Syndrom genannt – haben häufig einen Herzfehler und sind geistig stark beeinträchtigt. Die Lebenserwartung ist gering. Viele Kinder sterben noch im Mutterleib. Rund 10 Prozent der Lebendgeborenen werden fünf Jahre oder älter. Kinder mit Trisomie 13 – auch Pätau-Syndrom genannt – haben häufig mehrere schwere Fehlbildungen. Auch sind sie häufig geistig schwer behindert. Ihre Lebenserwartung ist ähnlich wie bei Kindern mit Trisomie 18 eher gering.

Ärztin macht einen Ultraschall bei einer Schwangeren
Ultraschall und Co.: Schwangere müssen zu etlichen Vorsorgeuntersuchungen. Über diese entscheidet in Deutschland ein spezielles Gremium. Bild: dpa | Zoonar

Warum wurde der NIP-Test überhaupt Kassenleistung, wenn es so viele Bedenken gibt?

Entschieden hat das der gemeinsame Bundesausschuss (G-BA). Es ist das Gremium, das die Einzelheiten der medizinischen Versorgung in Deutschland festlegt und ausgestaltet. Er besteht aus Vertreterinnen und Vertretern der Ärzte, Krankenkassen und Krankenhäusern sowie Partientenorganisationen, die aber nur an den Sitzungen teilnehmen. Der Gremium überprüft auch, ob und wann neue Behandlungsmethoden beispielsweise in Mutterschaftsrichtlinien aufgenommen werden sollen. Danach entscheidet er nach aktuellen medizinischen Erkenntnissen, finanziellen Nutzen und anderen Risiko-Bewertungen, ob die Aufnahme als Kassenleistung zu empfehlen ist.

Auf moralische oder ethische Fragen geht der G-BA in seiner Stellungnahme nicht ein und betont dies auch immer wieder. So sagte der Vorsitzende erst vor Kurzem selbst, dass eine gesellschaftliche Diskussion über ethische und moralische Fragen zum NIP-Test und den möglichen Folgen, notwendig sei. Ein Argument für die Einführung als Kassenleistung war, dass alle Schwangeren, unabhängig ihrer finanziellen Lage, Zugang zu diesem Test haben sollen.

Wie viele NIP-Tests wurden seit Juli von den Krankenkassen bezahlt?

Das lässt sich noch nicht sagen. Dazu fehlen noch die Abrechnungsdaten. Und weil der Test vorher selbstgezahlt werden musste, wird es wohl auch keine Vergleichsmöglichkeiten geben, die aussagen, ob der Test inzwischen häufiger eingesetzt wird.

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Autorin

  • Autorin
    Maren Schubart

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 19. März 2023, 19:30 Uhr