Fluch oder Segen? Warum der NIP-Test in Bremen umstritten ist

Eine schwangere junge Frau umfasst ihren Bauch.
Wer schwanger wird muss viele Termine unter einen Hut bringen. Bild: dpa | Zoonar | Patrick Daxenbichler

Werdende Mütter müssen sich einigen Tests unterziehen. Ein möglicher ist der von den Krankenkassen bezahlte NIP-Test zur Bestimmung von Trisomien – doch an ihm gibt es Kritik.

Wer schwanger wird muss viele Termine für die Schwangerschaftsvorsorge unter einen Hut bringen: Abstriche, Ultraschall, Tests. Einige dieser Untersuchungen sind kostenpflichtig, andere wiederum werden von der Krankenkasse übernommen. Einer dieser Tests ist der NIP-Test, der nicht-invasive Pränataltest.

Medizinische Indikation unklar

Dr. Armin Neumann führt den Test in seiner Pränatalpraxis in Bremen durch. Dieser detektiert kleine DNA-Stücke der Plazenta im Blut: "Anhand der Bruchstücke können diese den einzelnen Chromosom eins bis 23 zugeordnet werden. Es ist eigentlich eine quantitative Bestimmung. Wenn sie mehr Material der Chromosom 21 haben, dann spricht das für das Vorhandensein von mehr als nur zwei Chromosomen, sodass man dann eine Trisomie erkennen könnte," erklärt Neumann.

Auch andere Erkrankungen können damit festgestellt werden – die Trefferquote sei dabei aber deutlich geringer. Um den Test überhaupt auf Kosten der Krankenkasse durchführen zu lassen, muss es eine medizinische Indikation geben. Was genau eine Indikation sein kann, ist allerdings von den Krankenkassen nicht näher definiert.

Ansturm bisher ausgeblieben

Dr. Armin Neumann, Pränatalmediziner
Dr. Armin Neumann in seiner Praxis in Bremen. Bild: Radio Bremen

Als bekannt wurde, dass die Krankenkasse den Test ab dem 1. Juli übernimmt, wappnete sich die Praxis von Dr. Armin Neumann für einen Ansturm. Der kam bisher allerdings noch nicht: "Es gab keinen sonderlichen Sprung von der Zeit als Selbstzahler bis zur Kassenleistung – also von Juno bis Juli – sodass wir sagen, es wird damit immer noch verantwortungsvoll umgegangen. Das liegt sicherlich auch an der Aufklärung der Patientinnen und der Schwangeren."

"Es geht eben schon um ein sehr zerbrechliches Leben"

Eine der Frauen, die sich für den Test entschieden haben, ist Sandy H. Sie und ihr Mann Gerd H. erwarten ihr erstes gemeinsames Kind. Sie haben die sogenannte Nackenfaltenmessung durchführen lassen, die auf genetische Störungen hinweisen kann. Tatsächlich gab es eine kleine Auffälligkeit.

Für sie war der NIP-Test also sehr wichtig: "Ich glaube, diese Ängste, die man gerade am Anfang hat, können dadurch komplett genommen werden. Und mir hat es viel gegeben. Ich glaube auch, dass es anderen Frauen auch viel gibt. Irgendwie geht es ja dann doch um so ein sehr zerbrechliches Leben. Und da finde ich das schon angebracht." In ihrem Fall hat der Test keinen Hinweis auf Trisomie gezeigt.

"Dadurch wird ein Kind mit Trisomie zum vermeidbaren Risiko"

Aber der NIP-Test bringt auch ethische Fragen mit sich. In Bremen kritisiert ihn der Landesbehindertenbeauftragte des Landes Bremen, Arne Frankenstein.

Dadurch wird ein Kind mit Trisomie zum vermeidbaren Risiko. Das hat einfach erhebliche Rückwirkungen auf das Bild von Menschen mit Trisomien und Menschen mit Behinderungen insgesamt in der Gesellschaft. So eine Botschaft steht auch im Widerspruch mit den Zielen der UN-Behindertenrechtskonvention.

Arne Frankenstein, Landesbehindertenbeauftragte des Landes Bremen

Bessere Beratungsleitlinie gefordert

Landesbehindertenbeauftragter Arne Frankenstein
Der Landesbehindertenbeauftrage Arne Frankenstein kritisiert den Test. Bild: Tristan Vankann/fotoetage

Und: Er steht mit der Kritik nicht alleine da. Der Berufsverband der niedergelassenen Pränatalmediziner (BVNP) kritisiert, dass es keine festgeschriebene Indikation für den Test gibt. Wieder abschaffen will Frankenstein den Test aber nicht. Er fordert eine bessere Beratung und klarere Leitlinien für den Test.

Auch Sandy H. kennt die Kritik: "Man muss für sich auch abchecken, ob man das psychisch leisten kann. Unsere Gedanken waren dazu: Irgendwann sind wir nicht mehr da. Vielleicht muss unser Kind von anderen gepflegt werden und wird es dann auch noch so geliebt wie von uns?"

NIP-Test ist keine Allzweckwaffe

Neumann ist wichtig zu betonen, dass der Test keine Allzweckwaffe sein kann: "Es gibt keinen Test oder auch kein Verfahren, was letztendlich die Sicherheit gibt, dass ein Kind gesund sein wird. Wir müssen es als Geschenk betrachten – und das versuchen wir, den Frauen immer wieder klarzumachen. Ein Kind ist so, wie es ist. So eine Untersuchung hat auch einen sehr hohen emotionalen Stellenwert."

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Bild: Radio Bremen

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Autorin

  • Marie Roters
    Marie Roters Autorin

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Vormittag, 30. September 2022, 12.38 Uhr