Was Jan Böhmermann und Blutdiamanten mit dem Denkmal-Tag zu tun haben

Der Elefant ist eins von 70 Denkmälern, die am Tag des offenen Denkmals in Bremen offen standen. Um kaum ein anderes gibt es so viele Mythen. Wir erzählen Ihnen, was wahr ist und was falsch.

In der Nähe des Bremer Hauptbahnhofs und der Bremer Bürgerweide steht ein zehn Meter hoher Backstein-Elefant.
Bild: Imago | Eckhard Stengel

1 Geheimtunnel in die Unterwelten

Verbirgt sich unter dem Elefant ein Geheimgang? "Dieses hartnäckige Gerücht höre ich immer wieder", sagt Gudrun Eickelberg. Sie ist Vorsitzende des Vereins "Der Elefant!", der sich um den Erhalt des steinernen Denkmals nahe des Bremer Bahnhofs kümmert. Eickelberg kennt das Denkmal und dessen Krypta in und auswendig. Auch am "Tag des offenen Denkmals" hat sie dort an diesem Sonntag wieder Vorträge gehalten.

Dass von der Krypta aus ein unterirdischer Gang in die Innenstadt führt, sei dabei das häufigste Gerücht, das sie ausräumen müsse. "Wo das herkommt, weiß ich allerdings", sagt die Denkmalschützerin. Es gebe eine Führung zum Thema Bremer Unterwelten – und die beginne am Elefanten. Dadurch sei der Eindruck entstanden, man gelange von dort aus unterirdisch durch die Stadt. "Gäbe es so einen Geheimgang, wüsste ich es aber", sagt Eickelberg und lacht.

2 Blutdiamanten aus Namibia

Und was ist denn mit den Diamanten? Auch diese Frage bekommt Eickelberg immer wieder gestellt. "Ja, die Sache mit Böhmermann damals", sagt sie und lacht. Sie habe es damals selbst im Fernsehen gesehen. "Das war schon gut gemacht."

Der Satiriker hatte 2013 in einem ARD-Kurzfilm über die Geschichte Bremens angedeutet, dass möglicherweise afrikanische Blutdiamanten aus den Tagen seines Großvaters im Ziegelsteinelefanten verborgen sein könnten.

Danach habe sie viele Mails bekommen – unter anderem von Leuten, die angeblich tolle Gerätschaften hatten und sich anboten, bei der Suche nach dem verschollenen Schatz zu helfen. Das Problem: "Auch an dieser Sache ist nichts dran!", sagt Eickelberg.

Böhmermanns Kurzfilm über Bremen, 2013

Bild: Radio Bremen

3 Bremen statt Berlin

Jan Böhmermann sichtet alte Dokumente vom Kolonialdenkmal in Form eines Elefanten
Einst für Berlin geplant, wurde der Elefant gut zwei Jahrzehnte später in Bremen errichtet. Bild: Radio Bremen

Ganz aus der Luft gegriffen sind die Geschichten um afrikanische Blutdiamanten dennoch nicht. Denn der Elefant sollte einst den deutschen Kolonialismus preisen – der Gewalt gegenüber der afrikanischen Bevölkerung zum Trotz. Stehen sollte das "Ehrenmal" allerdings eigentlich in Berlin. 1908 war dort ein Kolonialkriegerdenkmal geplant worden. Der Entwurf des Künstlers Fritz Behn, ein afrikanischer Elefant, fiel jedoch durch. Dann kam der Erste Weltkrieg.

Als in den 1920er Jahren der Nationalismus auch in Bremen wieder an Auftrieb gewann, wurden die Pläne für ein "Reichskolonialehrenmals" wieder aus der Schublade geholt – diesmal jedoch in Bremen. Ein Grund: Bremer Handelsfirmen hofften, den inzwischen eingebrochenen Kolonialwarenhandel wieder zu beleben. Sie unterstützten die Absicht, den Anspruch Deutschlands auf die Kolonien auch öffentlichkeitswirksam zu bekräftigen. Der Bau des Ehrenmals wurde schließlich im September 1926 von der kolonialen Arbeitsgemeinschaft Bremen beantragt. Nach dem Berliner Entwurf Behns errichtete der Architekt Otto Blendermann daraufhin ein zehn Meter hohes, aus dunkelroten Oldenburger Klinkern gemauertes Monument.

4 Spott und ein zerschnittenes Tuch

Der Elefant wurde 1931 fertiggestellt. Doch schon die feierliche Einweihung des Ehrenmals geriet zum Fiasko. Denn Anfang der 1930er Jahre kam es fast täglich zu Auseinandersetzungen und Straßenkämpfen zwischen Nazis und ihren politischen Gegnern. Dies führte zu einem Verbot sämtlicher politischer Versammlungen unter freiem Himmel – und damit des geplanten Einweihungsfestaktes.

So verhüllten die Macher das Ehrenmal mit einem Leinentuch. Doch an jeden Morgen fehlte ein weiteres Stück vom Tuch – was die Bremer Nachrichten täglich in Zeitungsfotos dokumentierten. Die Tatsache, dass vermutlich humorvolle Bremerinnen und Bremer nachts zur Schere griffen, führte in ganz Deutschland zu Spott und Erheiterung, schreibt der Historiker Joachim Zeller in seiner Abhandlung "Kolonialdenkmäler und Geschichtsbewusstsein". Die Einweihungsfeier fand schließlich am 6. Juli 1932 unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Nur geladene Gäste wurden gegen Vorlage einer Eintrittskarte eingelassen. Das Reichskolonialehrenmal galt der deutschen Kolonialbewegung danach bis zum Zweiten Weltkrieg als zentrales deutsches Kolonialdenkmal.

5 Rasenmäher und Papierstapel

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde dem Kolonialgedanken jedoch keine Bedeutung mehr zugemessen. Und das Bremer Reichskolonialehrenmal im Besitz der Stadt geriet in Vergessenheit.

Zumindest für einige Bremer Betriebe und Ämter hatte das Bauwerk jedoch einen praktischen Wert. So diente es als Aktenarchiv für Bremer Behörden. Die Bremer Umweltbetriebe nutzten die Krypta später auch dazu, Gartengeräte wie zum Beispiel Rasenmäher in dem Klinkerbau unterzustellen.

6 Vom Kolonial-Ehrenmal zum Anti-Kolonial-Denkmal

Der steinerne Elefant am Bremer Nelson-Mandela-Park in Bremen.
2014 wurde die Grünanalge um den Elefanten in "Nelson-Mandela-Park" umbenannt. Bild: Imago | EPD

Gegen das Vergessen kämpfte seit Mitte der 1970er Jahre indes die Anti-Apartheid-Bewegung an, die sich in Kampagnen gegen den Waffenhandel mit Südafrika und für die Freilassung von Nelson Mandela einsetzte. In diesem Zusammenhang reifte auch in Bremen die Idee, das einstige Kolonial-Ehrenmal umzuwidmen.

Anlass dafür bot im März 1990 die Unabhängigkeit Namibias, des früheren Deutsch-Südwestafrikas. Im Mai 1990 wurde der Bremer "Elefant" beim Namibia-Freiheitsfest schließlich in "Anti-Kolonial-Denk-Mal" umbenannt.

7 Denkmalschutz statt Einsturz

Mit den Jahren knabberte jedoch der Zahn der Zeit am roten Klinker. Feuchtigkeit drang nicht nur in die Krypta, sondern in viele Fugen ein. Frostschäden drohten. "Ein Sachverständiger kam damals sogar zu dem Schluss, dass der Elefant einsturzgefährdet war", sagt Gudrun Eickelberg. So wurden auch Stimmen laut, die einen Abriss forderten. Eickelberg und einige Mitstreiter gründeten daraufhin 2008 den Verein "Der Elefant!". Sein erstes Ziel: das Anti-Kolonial-Denkmal unter Denkmalschutz zu stellen – und so zu bewahren.

Unter dem Kolonialdenkmal
Elektrisches Licht gibt es im Inneren des Denkmals erst seit 2009. Bild: Radio Bremen | Peter Mertsch

Dem kam das Bremer Landesamt für Denkmalpflege nach. Es begründete dies unter anderem damit, dass der Elefant ein "Sachzeugnis der bremischen und deutschen neokolonialistischen Strömungen der 1920er und 1930er Jahre und des deutschen Kolonialismus und Neokolonialismus allgemein" sei. Nach der Umwidmung sei er zudem "Zeugnis der Bremer Bemühungen um Bewältigung der kolonialen Vergangenheit insbesondere im Verhältnis zu Namibia". Auch "künstlerische Gründe" für den Erhalt der Großplastik führten die Denkmalpfleger an.

Der Denkmalschutz-Status half danach auch, die Renovierung des alternden Elefanten durchzuführen und zu finanzieren. "Wir haben damals bei der Staatsministerin für Kultur und Medien in Berlin einen Förderer aufgetan", erinnert sich Bremens Landeskonservator Georg Skalecki. So trug der Bund ein Drittel der 180.000 Euro für die 2009 durchgeführte Renovierung des steinernen Kolosses bei.

8 Tolle Akustik und eine Elefantenflüsterin

Jemand steht mit Musikinstrumenten, Computer und Lautsprecherboxen in der Krypta unter dem steinernen Elefanten.
Ein Konzert im Mai 2013 lockte zahlreiche Besucher zum Elefanten. Bild: Radio Bremen | Mark Hapke

Mit der Sanierung das Anti-Kolonial-Denkmals wurden auch Elektrik und Scheinwerfer in der Krypta installiert. "Das Denkmal sollte schließlich nicht nur herumstehen, sondern das Thema Kolonialzeit auch wach halten", sagt "Der Elefant!"-Mitgründerin Gudrun Eickelberg.

Ihr Verein organisiert daher seit 2009 Veranstaltungen in der Krypta. Darunter kleine Theaterstücke, Vorträge und Lesungen. Vor allem die Konzerte seien aber beliebt, sagt Eickelberg. "Wir haben sehr viele Anfragen von Künstlern, weil sie die Akustik so toll finden."

Doch auch der Elefant selbst ist schon zum Ort des Geschehens geworden. So wurde er 2010 von der Bremer Künstlerin Gertrud Schleising erklettert, die nur eine Leiter und einen mehr als zehn Meter langen Schal aus aneinander genähten afrikanischen Flaggen dabei hatte. Als Botschaft flüsterte die Künstlerin dem vom Schal umwickelten Elefanten schließlich noch etwas ins Ohr – was es war, ist bis heute geheim.

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 8. September 2019, 19:30 Uhr

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