Interview

Neuer "Super-Antikörper" entdeckt? Bremer Virologe Dotzauer klärt auf

Grafische Darstellung von Antikörpern, die das Corona-Virus bekämpfen
Ob als Impfung oder Medikament: Antikörper sind besonders wirksam gegen das Virus. Bild: Imago | Alexander Limbach

Forscher in den USA haben einen Antikörper entdeckt, der gegen alle Corona-Varianten wirken soll. Das wäre ein großer Schritt, sagt Virologe Dotzauer und erklärt die Fakten.

Bislang sind wirksame Medikamente bei einer Covid-Infektion rar. Nun entdeckten US-Forscher Antikörper, die tatsächlich gegen alle Virus-Varianten wirken könnten. Der Bremer Virologe Andreas Dotzauer ordnet die neuen Erkenntnisse ein.

Herr Dotzauer, US-Amerikanische Wissenschaftler haben einen Antikörper entdeckt, der gegen alle Corona-Virusvarianten helfen soll. Deshalb geistert er als Super-Antikörper durch die Medien. Was hat es damit auf sich?

Nennen wir ihn nicht so, nennen wir ihn besser "universellen Antikörper." Und zwar gegen die vorherrschenden Varianten, die wir haben. Das ist auch das eigentliche Ziel, danach suchen Forscherinnen und Forscher schon von Beginn an. Nach einem Antikörper, der neutralisierend ist und Regionen des Virus erkennt und bindet, die sich nicht verändern, die konstant sind.

Was bedeutet das, Regionen des Virus, die konstant sind?

Das sind Proteinabschnitte, die sich durch Mutationen nicht verändern, das heißt, Proteinanteile, die alle Varianten gemeinsam haben. Beim Corona-Virus sind das Abschnitte am Stiel des Spike-Proteins. Die Proteinstrukturen des Virus verändern sich durch Mutation – aber bei der Auslese auf lebensfähige Viren bleiben spezielle Regionen unverändert erhalten. Dagegen kann man dann neutralisierende Antikörper einsetzen, gegen sämtliche Virusvarianten.

Kann man damit dann gegen alle Virus-Varianten impfen?

Das eignet sich erst einmal nur für therapeutische Zwecke. Wenn jemand infiziert ist, kann ich den Antikörper spritzen. Dann ist der Schutz da, aber der ist nur kurzlebig. Die Antikörper, die gespritzt werden, werden schnell abgebaut. Die Forscher werden den Antikörper so verändern, dass er nicht so schnell abgebaut werden kann – trotzdem bleibt die Lebensdauer des Antikörpers relativ kurz und er dient der Therapie, wenn jemand infiziert ist, oder prophylaktisch, wenn ich in den nächsten Tagen oder Wochen eine Infektion erwarte.

Dieser universelle Antikörper erkennt die konstante Region des Spike- Proteins, die in allen relevanten Corona-Viren enthalten ist. In SARS-CoV-2, und dazu gehören alle Varianten, von der ersten, der Wuhan-Variante bis hin zu Omikron und allen Sublinien, die wir kennen.

Andreas Dotzauer, Virologe Universität Bremen

Aber Impfstoff herstellen mit dem neuen Wissen, das geht?

Die Idee ist jetzt natürlich, sozusagen einen Impfstoff herzustellen, der dann dafür sorgt, dass diese Antikörper im Körper der Menschen selbst hergestellt werden. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten. Die bisherigen Impfstoffe stellen ja das gesamte Spike-Protein einer bestimmten Virusvariante her. Hier ist jetzt das Ziel, nicht das gesamte Spike-Protein, sondern nur die konstante Region, die alle Varianten gemeinsam haben, herzustellen. Sodass Antikörper exakt gegen diese Region gebildet werden. Oder aber ein Verfahren zu entwickeln, durch das universelle Antikörper als solche hergestellt werden. Dieser universelle Antikörper erkennt die konstante Region des Spike- Proteins, die in allen relevanten Corona-Viren enthalten ist. In SARS-CoV-2, und dazu gehören alle Varianten, von der ersten, der Wuhan-Variante bis hin zu Omikron und allen Sublinien, die wir kennen. Und auch in den normalen humanen Corona-Viren, die bereits seit längerer Zeit zirkulieren und leichte Erkältungen verursachen. Und er erkennt auch zukünftige Varianten. Denn es nicht zu erwarten, dass die Region, die von dem Antikörper erkannt wird, sich in Zukunft ändern wird.

Wann ist eine Impfung möglich?

Da sprechen wir nicht von morgen - das benötigt Zeit. Es gibt ja mehrere, ganz unterschiedliche Möglichkeiten, durch einen solchen universellen Antikörper einen Immunschutz aufzubauen. Das wird noch Monate dauern, bis wir da hinkommen. Dann kann sich aber tatsächlich die Situation beträchtlich verbessern. Das heißt aber nicht, dass man sich nicht wiederholend impfen lassen muss.

Was macht diesen Forschungsschritt so besonders?

Diese konstanten Regionen befinden sich nicht auf der Oberfläche des Spike-Proteins, sondern verborgen in seinem Inneren. Sie werden daher nur selten erkannt von den sogenannten B-Zellen, die Antikörper produzieren. Aus diesem Grund sind solche B-Zellen selten vorhanden und deshalb werden kaum Antikörper gebildet.

Die Forscher haben folgendes gemacht: Sie haben im Serum von genesenen Patienten genau nach solchen selten vorkommenden B-Zellen gesucht, die Antikörper gegen die konstanten Regionen produzieren, die also Zugang zu diesen Regionen finden. Das ist eine extrem komplizierte und arbeitsintensive Tätigkeit – das entspricht tatsächlich einer Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Nachdem sie eine solche B-Zelle gefunden haben, haben die Forscher das Gen für den Antikörper, den diese Zelle produziert, isoliert und dann selbst hergestellt. Das macht man mit gentechnischen Verfahren in einem Zellkultursystem. Dann wurden Test mit Tieren durchgeführt, die dann gezeigt haben, dass der Antikörper tatsächlich eine neutralisierende Aktivität hat gegen Corona-Viren.

Ist die Entdeckung ein großer Schritt im Kampf gegen das Corona-Virus?

Das eine ist, dass es sich um einen universellen Antikörper handelt. Das heißt, in Zukunft ist keine Anpassung an verschiedene Virus-Varianten mehr erforderlich. Das ist ein extremer Nutzen, wenn man alle Varianten mit dieser Antikörper-Antwort abdecken könnte. Das zweite ist die Dauer, also wie lange der Schutz anhält. Wenn man einen langen Immunschutz erreichen kann, ohne Wiederholungsimpfungen in kurzen Abständen durchführen zu müssen, dann würde ich das als einen großen Schritt im Kampf gegen Corona ansehen.

Was heißt langer oder kurzer Immunschutz aus Ihrer Sicht?

Einmal im Jahr impfen ist zumutbar und akzeptabel. Wenn wir das hinkriegen können, wenn man eine Immunatnwort für diesen Zeitraum und gegen alle Varianten geben könnte, dann wäre das ein sehr großer Schritt.

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Bild: Radio Bremen

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  • Autorin
    Birgit Reichardt Redakteurin und Autorin