Fit für die Zukunft: Wieso der Sendesaal trotz Corona so gut dasteht

Unbekanntes bekannter machen: Bremer Sendesaal bekommt neue Leitung

Bild: Radio Bremen

Schließzeiten, weniger Konzerte und Gäste: Corona hat Clubs und Konzerthäusern zugesetzt. Fast schadlos aber ist der Sendesaal Bremen durch die Pandemie gekommen. Doch warum?

In einer komfortablen Lage befinde sich der Sendesaal Bremen. Das sagt zumindest der demnächst scheidende Künstlerischer Leiter des Hauses, Peter Schulze. Nicht nur, dass es gelungen sei mit Elisabeth Champollion eine sehr gute Nachfolgerin zu finden, die noch dazu ein intaktes Konzertbüro mit wertvollen Kontakten zu Musikern aller Genres übernehme. Auch wirtschaftlich gehe es dem Sendesaal ziemlich gut, allemal besser jedenfalls als vielen anderen Musikclubs in Bremen, die infolge der Corona-Pandemie unzählige Konzerte absagen mussten, deutlich weniger Gäste und damit auch viel weniger Einnahmen als vor Corona hatten.

Den Konzertbetrieb musste zwar auch der Sendesaal zeitweise erheblich einschränken. Dennoch ist das Tonstudio darüber nicht in existenzielle Nöte geraten, erheblichen Fixkosten zum Trotz. Schulze nennt dafür vor allem zwei Gründe.

Produktionen anstelle von Konzerten

Eine Besonderheit des Sendesaals Bremen besteht darin, dass es sich zugleich um ein Konzerthaus und um ein Tonstudio handelt. Während der Konzertbetrieb in der Pandemie nur sehr eingeschränkt möglich gewesen ist, konnte der Sendesaal Bremen den Saal als Tonstudio vermieten. Hätten vor Corona etwa 100 Konzerte jährlich im Sendesaal 80 bis 90 Produktionstagen für Tonträger-Aufnahmen gegenübergestanden, so sei es dem Sendesaal 2021 geglückt, das Verhältnis umzukehren, berichtet Peter Schulze: "Wir hatten 68 Konzerte und 167 Produktionstage in 2021." Auch im Jahr 2020 habe man den Saal an mehr Tagen an Produktionsfirmen vermietet als in den Jahren zuvor.

"Produktionstage sind Vermietungstage. Das ist es, was uns am Leben erhält und gerade in der Pandemie am Leben erhalten hat", sagt Schulze. Das Ausrichten von Konzerten dagegen koste den Sendesaal oft mehr Geld als es einbringe. "Daran hängen neben Honoraren auch Hotel-, Verpflegungs- und Reisekosten", erklärt Schulze und fügt hinzu: "All diese Kosten fallen nicht an, wenn wir den Saal für eine Produktion vermieten. Dann kassieren wir die Miete."

Prominente Mieter im Sendesaal

Die Mieter des Sendesaals sind insbesondere große Tonträger-Unternehmen, darunter Sony, die Warner Music Group, ECM Records oder Alpha Records, um nur einige zu nennen. "Eine illustre Runde", sagt Schulze dazu. Durch diese Mieter des Saals sei zugleich sichergestellt, dass sich in der Tonmeister-Szene immer wieder neu herumspreche, wie gut der Sendesaal als Tonstudio sei.

Ein Aspekt, der gerade für die Zukunft des Sendesaals noch eine wichtige Rolle spielen wird, glaubt Schulze. "Denn die Zahl der Säle dieser Qualität wird nicht größer, sondern kleiner." Er verweist beispielhaft auf prominente Tonstudios in Baden-Württemberg und in Berlin, die nicht mehr oder kaum noch genutzt würden, und denen daher über kurz oder lang das dauerhafte Aus, der Abriss drohe. Schulze hält daher für gut möglich, dass der Sendesaal als Produktionsstätte großer Plattenlabels noch bedeutsamer werden könnte, als er es heute bereits ist.

Kampferprobte Sendesaal-Freunde

Frau, Ende 30, posiert mit Mann, Mitte 70, vor großer Gebäude-Eingangstür
Peter Schulze im Jahr 2022 mit seiner Nachfolgerin Elisabeth Champollion. Bild: Ernst Brandt | Ernst Brandt

Ein weiterer Grund dafür, dass der Sendesaal Bremen im Vergleich zu anderen Konzerthäusern und Musikclubs sehr gut dasteht, liegt in seiner Trägerstruktur. Der Betrieb des Sendesaals mit seinen Konzerten und CD-Produktionen wird vom Verein der Freunde des Sendesaals sichergestellt. Derzeit setzt sich dieser Verein aus gut 600 Mitgliedern zusammen, sagt Peter Schulze, der den Verein mitbegründet hat und noch mindestens bis Ende 2023 Vorsitzender der Freunde des Sendesaals bleiben wird. Die Mitglieder des Vereins zahlten einen Mitgliedsbeitrag von 120 Euro jährlich. Zusammen brächten sie etwa die jährliche Miete des Gebäudes auf. Der Sendesaal gehört der Sendesaal Karree GmbH und Co. KG.

Vielleicht genauso wichtig wie die unmittelbar zählbaren Beiträge der Mitglieder des Freunde-Vereins ist für das Verständnis des Sendesaals Bremen und der dortigen Abläufe die Vereinshistorie. Der Verein ist im Jahr 2002 als Bürgerinitiative entstanden. Peter Schulze sagt gar: "Es war ein Kampfverein."

Schwarzweiß-Foto zweier Männer, einer mit Saxophon, in Scheinwerferlicht
Peter Schulze (rechts) 1975 im Sendesaal Bremen mit der norwegischen Jazz-Legende Jan Garbarek. Bild: Jochen Mönch | Jochen Mönch

Das einzige Ziel dieses Vereins bestand darin, den Abriss des Sendesaals zu verhindern. Dieser drohte dem Tonstudio, weil Radio Bremen, um Kosten zu sparen, die Sparten Hörfunk und Fernsehen in einem gemeinsamen innerstädtischen Standort zusammenlegte – und die bisherigen Standorte daher aufgab. So auch den Sendesaal.

Sieben Jahre Kampf um den Sendesaal

Sieben Jahre kämpften die Freunde des Sendesaals um die ehemaligen Radio Bremen-Musikchefs Peter Schulze, Klaus Bernbacher, Peter Schilbach und Hans Otte für den Erhalt des Gebäudes, sammelten zu diesem Zweck über 7.000 Unterschriften. Schließlich hatten sie Erfolg, auch weil der kürzlich verstorbene Klaus Hübotter das Gelände samt Sendesaal gemeinsam mit der Baufirma Kathmann kaufte. Seit Mai 2008 steht der Sendesaal Bremen dauerhaft unter Denkmalschutz. In der Folge nahmen die Freunde des Sendesaals den Betrieb des Gebäudes 2009 in Ihre Vereinssatzung auf.

"Aber in der kämpferischen Tradition aus der Anfangszeit sehen wir uns heute noch", sagt Peter Schulze über den Verein. Schulze sieht in den Mitgliedern auch auf lange Sicht die Garanten für den Produktions- und Konzertbetrieb im Sendesaal. Wohl nicht zuletzt deshalb hofft er, dass der Verein weiter wächst: "800 Mitglieder sind unser Ziel", sagt der scheidende Künstlerische Leiter des Sendesaals – der dem Freunde-Verein noch lange erhalten bleiben möchte.

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 15. Dezember 2022, 19.30 Uhr