Reichspogromnacht: Das geschah vor 80 Jahren in Bremen und umzu

Bild: Staatsarchiv

Die Bremische Bürgerschaft gedachte am Freitag der Reichspogromnacht vom 9. November 1938. Gerade in Bremen war die SA besonders brutal und tötete fünf jüdische Menschen.

Vor genau 80 Jahren, am 9. November 1938, brannten in ganz Deutschland die Synagogen. Wohnungen und Geschäfte von Juden wurden gestürmt, geplündert und teilweise zerstört – auch in Bremen, Bremerhaven und Oldenburg.

Vorwand für die deutschlandweite "Juden-Jagd" war das Attentat des 19-jährigen Juden Herschel Grynszpan auf den deutschen Diplomaten und SA-Mann Ernst von Rath in Paris. Die Befehle für die Jagd kamen direkt aus München, wo sich führende SA- und NSDAP-Größen versammelt hatten.

Bremens Bürgermeister und Chef der SA-Gruppe Nordsee, Heinrich Böhmcker, sowie der Oldenburger Kreisleiter Wilhelm Engelbart gaben die Anweisungen weiter. Kurz nach Mitternacht begannen in Windeseile die Zerstörungsaktionen.

Sämtliche jüdische Geschäfte sind sofort von SA-Männern in Uniform zu zerstören. Jüdische Synagogen sind sofort in Brand zu stecken, jüdische Symbole sind sicherzustellen. [...] Die Polizei darf nicht eingreifen. Sämtliche Juden sind zu entwaffnen. Bei Widerstand sofort über den Haufen schießen.

Heinrich Böhmcker, damaliger Bremer Bürgermeister und Chef der SA-Gruppe Nordsee

Systematische Zerstörung jüdischen Eigentums

Adresslisten jüdischer Geschäfte und Einwohner lagen schon lange bereit. Es wurde systematisch vorgegangen. SA- und SS-Kommandos begannen die Jagd auf Menschen jüdischen Glaubens. Zusammen zerstörten und plünderten sie Geschäfte wie das Kaufhaus Schocken in Bremerhaven. Sie zerschnitten Waren wie Lederjacken, gossen Tinte über Stoffe, Lebensmittel wurden durch zahlreiche Glasscherben unbrauchbar. Ziel war es, die Juden aus der Wirtschaft und aus der Gesellschaft zu verdrängen und sie ihres Vermögens zu berauben.

Jüdische Familien wurden aus ihren Wohnungen geholt, die Wohnungen geplündert. Die Familie Bialystock, Inhaberin des Adler-Herrenbekleidungsgeschäftes Am Brill, hatte ihre Wohnung direkt über dem Geschäft.

Nachts um 2 Uhr haben sie die Schaufenster eingeschlagen und um 8 Uhr früh sind wir runter auf die Straße gegangen und da hat meine Mutter noch zu mir gesagt: "Jetzt bringen sie uns um, pass auf."

Martin Bialystock, Sohn der Familie Bialystock und Zeitzeuge

In Bremerhaven brannte die Synagoge in der Schulstraße und in Bremen das Gotteshaus im Schnoor, während im Stadtteil Sebaldsbrück eine Gebetsstube in Brand gesteckt wurde. In Oldenburg brannten die Synagoge an der Peterstraße und das angrenzende Schulgebäude. Die Feuerwehr griff nicht ein, sondern achtete nur darauf, dass das Feuer nicht auf die angrenzenden Häuser übertrat. Auch die schaulustige Menge guckte nur zu, niemand wagte es einzugreifen. In Bremerhaven verhaftete die Polizei zwar randalierende SA-Männer, musste sie jedoch wieder freilassen.

Besonders brutale Vorgehensweise in Bremen

Die Zerstörung war flächendeckend: Jüdische Wohnhäuser standen in Flammen, die jüdischen Friedhöfe in Bremerhaven-Lehe und Bremen-Hastedt wurden geschändet. In Oldenburg wurde einen Tag später, am 10. November, die Leichenhalle des jüdischen Friedhofs angezündet. Auch das jüdische Altersheim in der Gröpelinger Heerstraße in Bremen war Ziel der Angriffe. Die SA misshandelte die alten Menschen und transportierte sie in Lastwagen ab.

Auf den Straßen waren Leute, viele haben sich einfach weggedreht und haben gar nichts gesagt. Einige Leute haben "Judenschweine" gesagt und haben gespuckt, aber ich hatte solche Angst, dass ich immer nur auf den Fußboden geguckt habe.

Charlotte Levi, Zeitzeugin

In Bremen gingen die SA-Männer besonders brutal vor. Fünf Menschen jüdischen Glaubens wurden in der Nacht direkt in ihren Wohnungen getötet, die anderen an Sammelplätzen zusammengepfercht: In Bremen am Alten Gymnasium und an den Finndorffer Messehallen, in Oldenburg am Pferdemarkt.

Frauen und Kinder durften am nächsten Tag gehen, die Männer trieb die SA als zusätzliche Demütigung in Reih und Glied durch die Städte, und dann erst in Gefängnis. Von dort ging es nach kurzer Zeit mit einem Sonderzug ins Konzentrationslager Sachsenhausen.

Autorin

  • Katharina Guleikoff
    Katharina Guleikoff Moderatorin

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Morgen, 9. November 2018, 9:15 Uhr

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