Interview

Iranische Autorin in Bremen: "Einiges ist dieses Mal sehr anders"

Bild: dpa | Marwan Naamani

Im Iran gehen Menschen seit Wochen gegen das Regime auf die Straße. Nava Ebrahimi und Madijid Mohit macht das Hoffnung auf Veränderung in ihrer Heimat.

Eigentlich war Nava Ebrahimi nach Bremen gekommen, um auf dem iranisch-arabischen Literaturfestival aus ihrem Text "Der Cousin" vorzulesen. Aber auch hier sind die anhaltenden Proteste im Iran das bestimmende Thema. Organisiert wird das Festival vom deutsch-iranischen Verleger Madjid Mohit aus Bremen. Ebrahimi ist in Teheran geboren und lebt seit zehn Jahren in Graz. Im Interview erzählen sie und Mohit warum die aktuellen Proteste anders sind als vorherige.

Frau Ebrahimi, wie beobachten Sie die aktuellen Proteste in ihrem Heimatland?

Ebrahimi: Eigentlich wie alle Proteste bislang. Mit großer Anteilnahme, großer Sorge aber auch mit großer Hoffnung. Letztere ist dieses Mal besonders groß. Vielleicht war sie auch jedes Mal groß und nur Rückblickend sage ich: Jetzt ist sie besonders groß. Bislang war es eben auch jedes Mal eine große Enttäuschung, weil das Regime die Proteste mit großer Gewalt niedergeschlagen hat. Aber bei diesen Protesten ist einiges sehr anders. Vielen von uns, und auch mir, ist klar, dass es ein Zurück zum Vorher nicht mehr geben wird.

Diese Machtausübung über den weiblichen Körper, das scheint weltweit Frauen zu bewegen.

Nava Ebrahimi, Autorin
Die deutsch-iranische Autorin Nava Ebrahimi liest beim iranischen Literaturfestival in der Bremer Shakespeare Company
Nava Ebrahimi beim iranisch-arabischen Literaturfestival in der Bremer Shakespeare Company. Bild: Radio Bremen

Viele Menschen solidarisieren sich jetzt mit den Menschen im Iran. In Bremen gab es am Samstag eine Demonstration, aber auch in vielen anderen europäischen Städten.

Ebrahimi: Das ist etwas, dass sich diesmal wirklich unterscheidet von bisherigen Protesten. Ich würde auch nicht sagen, dass sich die Solidarität auf Europa beschränkt – am Samstag gab es Demonstrationen rund um den Globus. Das ist schon sehr überwältigend. Eine Ursache für die große Solidarität ist, glaube ich, dass es dieses Mal von den Frauen ausgeht – also ein feministischer Protest ist. Diese Machtausübung über den weiblichen Körper, das scheint weltweit Frauen zu bewegen.

Herr Mohit, Sie haben noch Familie im Iran: Wie halten Sie zu Ihren Verwandten aktuell Kontakt? Die Regierung schaltet das Internet im Land immer wieder ab.

Mohit: Das ist ein bisschen schwierig, man kann nicht reibungslos telefonieren. Auch WhatsApp und Instagram sind begrenzt. Ich kenne mich nicht so gut mit Technik aus, aber meine Verwandten kennen Tricks, wie sie die Sperren umgehen können. Nachrichten darüber, was im Alltagsleben und auf der Straße passiert, versuchen sie dann über das Internet rauszuschicken. Der Kontakt ist da, aber er ist begrenzt, nicht wie früher. Man merkt aber auch, dass viele mutig davon erzählen, was aktuell im Iran passiert.

Madjid Mohit im Interview
Der Bremer Verleger Madjid Mohit hofft, dass die Proteste im Iran zu Veränderungen führen. Bild: Radio Bremen

Wo können und sollen die Proteste im Iran ihrer Meinung nach hinführen? Was soll aus dem Iran werden?

Mohit: Ein Land, in dem man ganz normal leben kann. Wenn man über ein normales Leben in einem Land redet, wo es nur Beschränkungen überall gibt, da merkt man wie einfach die Bevölkerung eines Landes glücklich werden könnte. Da habe ich wirklich große Hoffnung, dass so etwas passieren wird.

Ebrahimi: Idealerweise mündet es in einer friedlichen Revolution. In einem demokratischen Land, einer pluralistischen Gesellschaft, in der verschiedene politische Richtungen miteinander ein neues Land aufbauen und auch Minderheiten zu ihren Rechten kommen. Der Iran ist ein Vielvölker-Staat, das ist bisher immer untergegangen. Das würde ich mir wünschen, das Zusammenleben einer pluralistischen Gesellschaft.

Mehr zu den Protesten im Iran

Autorinnen und Autoren

  • Hannes Kalter
    Hannes Kalter Volontär
  • Autorin
    Anuschka Bacic Autorin

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 5. Oktober 2022, 19:30 Uhr