buten un binnen-Extra: Der Jahresrückblick aus der Straßenbahn

buten un binnen blickt zurück auf ein turbulentes Jahr zwischen Neun-Euro-Ticket und Gaspreisbremse, marodem Molenturm und Platzsturm im Weserstadion anlässlich Werders Bundesliga-Comeback.

Es sollte endlich ruhiger werden nach den aufwühlenden Corona-Jahren, doch 2022 legt noch eins drauf. Corona ist noch nicht überwunden, da greift im Februar Russland die Ukraine an – Krieg mitten in Europa! Über Nacht kommen die ersten Geflüchteten nach Bremen, wo sie auf eine Welle der Hilfsbereitschaft treffen.

Doch die Sanktionspolitik gegenüber Russland, dem größten Gaslieferanten Deutschlands, entfacht eine Energiekrise und versetzt nicht nur die Bremerinnen und Bremer in Schrecken. Preise explodieren, Jobs sind gefährdet. Das Mitgefühl für die Ukrainer wird teils überdeckt von eigener Sorge.

Ukrainische Geflüchtete: So hat sich Olga Tau in Bremen eingelebt

Die Ukrainerin Olga Tau im Interview.
Olga Tau erzählt im Jahresrückblick, wie ihr Leben in Bremen aussieht. Bild: Radio Bremen

Kirsten Rademacher und Felix Krömer sprechen beim Jahresrückblick aus der Straßenbahn mit Olga Tau, die mit ihren Kindern bereits zweimal flüchten musste. Zuerst 2014 aus ihrer Heimatstadt Luhansk nach Charkiw weiter westlich in der Ukraine und dann am 6. März 2022 von dort aus nach Bremen. "Zum Glück hatte ich eine Freundin in Bremen, so hatten wir eine Anlaufstelle. Wir haben uns hier vom ersten Tag an wohl gefühlt, ja sogar heimisch gefühlt", erzählt Olga Tau. Natürlich vermissten ihre Kinder ihre Freunde, so Olga Tau. "Aber in Charkiw konnten die Kinder gar nichts mehr machen, meine siebenjährige Yana nicht mal mehr auf den Spielplatz gehen. Wir hatten ständig Angst vor den Bombeneinschlägen." Da sei das Leben in Bremen - trotz großen Heimwehs - viel leichter.

Wie die 46-jährige Kontakt zu ihrem Mann, einem Arzt in der Ukraine, hält, erzählt sie bei Minute 4:24.

Die Flüchtlingshilfe in Bremen hat sich verändert

Svetlana Kotelnikova von der Bremer Flüchtlingshilfe wird in der Straßenbahn-Sendung interviewt.
Svetlana Kotelnikova ist Kasachin und lebt seit 21 Jahren in Deutschland. Bild: Radio Bremen

Svetlana Kotelnikova ist Kasachin und lebt seit 21 Jahren in Deutschland. Mit Beginn des Krieges war für die Logistikerin klar, dass sie geflüchteten Menschen aus der Ukraine ehrenamtlich helfen möchte. Sie unterstützte sie anfangs rund um die Uhr, ließ sogar ihre Arbeit ruhen. Mittlerweile dolmetscht Svetlana Kotelnikova, die Russisch spricht, noch mindestens zweimal in der Woche für Geflüchtete.

"Früher hatten wir vom Verein O.K. Human Rights Ukraine eine Help Base, wo Geflüchtete Kleidung und andere Spenden bekamen. Die ist jetzt geschlossen", erzählt die Flüchtlingshelferin. Daher konzentriert sich unsere Hilfe wieder mehr auf die Ukrainer, die noch in der Heimat sind,“ sagt Svetlana Kotelnikova. Denn es kämen zwar punktuell noch Geflüchtete nach Bremen, vor allem Ältere, die jetzt erst die Ukraine verließen, aber die staatliche Hilfe sei hier mittlerweile besser aufgestellt als in den Anfangsmonaten nach Ausbruch des Krieges.

Ihr persönliches Fazit über die Flüchtlingshilfe zieht Svetlana Kotelnikova ab Minute 5:00.

12.000 Geflüchtete bringen Bremens Aufnahmesystem an seine Grenze

Sozialsenatorin Anja Stahmann spricht in der Straßenbahn-Sendung.
Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) spricht über die Lage der Geflüchteten im Land Bremen. (Archivbild) Bild: Radio Bremen

Rund 12.000 Geflüchtete haben sich in Bremen in diesem Jahr niedergelassen. Die genaue Zahl kennt auch die Bremer Senatorin für Integration Anja Stahmann (Grüne) nicht, weil einige der Geflüchteten weitergezogen sind. Unter den "Neu-Bremern" sind viele Ukrainerinnen, aber auch Geflüchtete aus anderen Herkunftsländern, wie den Balkanstaaten, Syrien und Afghanistan. "Die Integration ist nicht, wie ich bislang immer gesagt habe, ein Marathon, sie ist ein Iron-Man-Lauf", so Anja Stahmann. Das Land Bremen sei permanent auf der Suche nach neuen Unterbringungsmöglichkeiten. Sie rechne bei weiterer Kriegsführung der Russen damit, dass noch mehr Menschen kommen. Und wenn dann erneut wieder sehr viele auf einmal kämen, dann müsse man auch wieder über eine Unterbringung in Turnhallen sprechen – wie 2015.

Ob Bremen sich bei der Aufnahme Geflüchteter, vor allem unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter, in diesem Jahr übernommen hat, erläutert Anja Stahmann ab Minute 7:29.

"Energiekrise und Inflation bedrohen unser Geschäft"

Bäcker Peter Büser wird in der Straßenbahn-Sendung interviewt.
Bäcker Büser hatte ein schwieriges Jahr, die Energiekosten machen seiner Zunft zu schaffen. Bild: Radio Bremen

Peter Büser betreibt eine kleine Bäckerei in Osterholz und ist zudem Innungsmeister. Sein Rückblick auf 2022 fällt negativ aus. Die Lage für sein Handwerk sei kritisch, da es nicht sparen könne. "Wir können den Backofen nicht einfach 20 Grad runter drehen."

Zudem seien die Rohstoffpreise stark angestiegen, der Butterpreis habe sich verdoppelt, der Mehlpreis sogar mehr als verdoppelt. "Im Januar 2021 haben wir noch für 100 Kilo Mehl 31,50 Euro bezahlt, heute sind es 68 Euro!", so Peter Büser. Und für seinen Ofen brauche er Öl, 13.000 Liter im Jahr. Die Kosten seien von 86 Cent pro Liter auf 1,78 Euro angestiegen. "Rechnen Sie das mal zusammen. Das können wir nicht auf die Kunden umlegen, sonst kommt keiner mehr."

Warum Hilfspakete durch die Bundesregierung bei den Bäckern nicht ankommen und ob sein Familienbetrieb weiter durchhält, erzählt Peter Büser ab Minute 11:49.

  • Inflation: So konnte sich diese Bremer Bäckerei über Wasser halten

    Wir begleiten verschiedene Menschen durch den Inflations-Winter. In Zeiten explodierender Kosten eint alle die Frage: Reicht's noch?

2022 erobern zwei Bremer international die Filmwelt

Mit dem Film "Rabiye Kurnaz versus George W. Bush" haben zwei Bremer in diesem Jahr die Kinosäle erobert: Rabiye Kurnaz und der Anwalt Bernhard Docke. Die Verfilmung, preisgekrönt, erzählt die Geschichte, wie die Bremer Hausfrau um ihren in Guantanamo inhaftierten Sohn Murat kämpft und gemeinsam mit ihrem juristischen Beistand bis vor das höchste Gericht der USA zieht.

Menschen stehen mit einem Filmpreis auf einer Bühne und schauen in die Kamera
Von links nach rechts: Rabiye Kurnaz, Bernhard Docke, Schauspielerin Meltem Kaptan und Schauspieler Alexander Scheer. Bild: dpa | Jens Kalaene

"Der Film zündet auch im europäischen Ausland", sagt Bernhard Docke in der Bahn, "das freut mich außerordentlich". Wahrscheinlich, so mutmaßt der Anwalt, liege das daran, weil der Film die universelle Botschaft habe, dass man sich gegen Unrecht wehren müsse und dass man einen langen Atem brauche, auch aus schier ohnmächtiger Position am Anfang. Doch dann schaffe es eben auch eine Bremer Hausfrau dem amerikanischen Präsidenten eine Schlappe zu erteilen.

"Wir haben sehr viel Zeit miteinander verbracht, Rabiye und ich, wir waren sehr allein am Anfang, haben Jahre gebraucht und das ist jetzt eine späte Ernte", erzählt Bernhard Docke. Rabiye Kurnaz konnte leider wegen Krankheit nicht am Jahresrückblick teilnehmen.

Ab Minute 22’37 erzählt Bernhard Docke, wie penibel sich der Schauspieler auf die Rolle vorbereitet hat und wie Alexander Scheer sogar seine Original-Brille mit fünf Dioptrien nutzte.  

Autorin

  • Anke Kültür
    Anke Kültür

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 29. Dezember 2022, 19:30 Uhr