Fragen & Antworten

10 Jahre Jade-Weser-Port: Bremer Erfolg oder Schlag ins Wasser?

Vor zehn Jahren eröffneten Bremen und Niedersachsen den Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven. Er ist bis heute Deutschlands einziger Tiefwasser-Terminal – und weiter umstritten.

Egal, ob bei Hoch- oder bei Niedrigwasser: "Wir können hier jedes Schiff abfertigen", betont Ulrich Schilling, Geschäftsstellenleiter bei der Wilhelmshavener Hafenwirtschaftsvereinigung, mit Blick auf den Jade-Weser-Port. Auch die größten aller Containerschiffe könnten tideunabhängig den Port anfahren, um dort beladen und entladen zu werden, was an keinem zweiten deutschen Hafen möglich sei.

Am 21. September 2012 wurde Deutschlands einziger Tiefwasser-Containerterminal eröffnet. Ob sich der fast eine Milliarde Euro teure Bau aber für die Länder Bremen und Niedersachsen gelohnt hat oder zumindest auf lange Sicht lohnt – an dieser Frage scheiden sich trotz unbestrittener Vorzüge des Tiefwasser-Containerterminals weiter die Geister. Anlässlich des 10-jährigen Bestehens ein paar Hintergründe zum Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven:

Was macht den Tiefwasser-Containerterminal des Jade-Weser-Ports aus, und was gehört überhaupt alles zum Jade-Weser-Port?

Der Jade-Weser-Port ist Teil des Tiefwasserhafens Wilhelmshaven und setzt sich aus dem Güterverkehrszentrum (GVZ) Jade-Weser-Port und dem Tiefwasser-Containerterminal zusammen. Es gibt an dem Terminal vier Liegeplätze für Schiffe mit einer Länge von bis zu 430 Metern, 16,5 Metern Tiefgang und einer Ladekapazität von 12.000 Standardcontainern (TEU).

Es können aber auch zwei moderne Groß-Containerschiffe mit jeweils 22.000 TEU in Anspruch nehmen. Zur Orientierung: Ein Standardcontainer ist etwa 20 Fuß (6,06 Meter) lang, acht Fuß breit (2,44 Meter) und 8 1/2 Fuß hoch (2,59 Meter).

Am Kai sowie in der 300 Meter breiten Fahrrinne, die zum Hafen führt, beträgt die Wassertiefe immer mindestens 18 Meter. Daher können dort auch voll beladene Schiffe unabhängig von der Tide abgefertigt werden, was beispielsweise in Hamburg oder Bremerhaven nicht möglich ist.

Ein riesiges Containerschiff liegt an einer Kaje. Mehrere Kräne und weitere Schiffe sind im Hintergrund.
Auch die größten Containerschiffe können am Jade-Weser-Port abgefertigt werden. Bild: Radio Bremen

Die Länder Niedersachsen und Bremen haben den Jade-Weser-Port gemeinsam gebaut. Hat sich der Bau gelohnt?

Darüber lässt sich offenbar streiten. Zwar verzeichnete der Containerterminal mit einer Umschlagsmenge von 712.953 Standardcontainern im Jahr 2021 laut Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) das "bislang beste Jahresergebnis seit seiner Betriebsaufnahme". Doch der Terminal bietet Platz für fast viermal so viele Standardcontainer. Anders gesagt: Es laufen immer noch viel weniger Schiffe und damit viel weniger Container den Terminal an, als ursprünglich erhofft. Zum Vergleich: In Bremerhaven werden im Jahr 2021 rund 5 Millionen TEU umgeschlagen, in Hamburg 8,7 Millionen TEU, also etwa sieben- beziehungsweise zwölfmal so viele wie im Jade-Weser-Port.

Jan Vermöhlen, Haushaltsreferent beim Bund der Steuerzahler Niedersachsen und Bremen, sagt über den Jade-Weser-Port: "Bisher handelt es sich für die öffentliche Hand klar um ein Minusgeschäft." Er verweist auf die Baukosten von fast einer Milliarde Euro für den Port sowie auf "laufende Zuschüsse an die Gesellschaften". Ob es langfristig dabei bleibe, hänge von der weiteren Entwicklung der Umschlagszahlen ab sowie davon, inwiefern es den norddeutschen Häfen gelinge, enger zusammen zu arbeiten.

Wie schätzt Bremens Landesregierung die Perspektiven des Jade-Weser-Ports ein?

Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte (SPD) sagte dazu am Dienstag: "Ich bin davon überzeugt – in fünf Jahren wird man sagen: Gut, dass wir das gemacht haben. In zehn Jahren wird man heilfroh sein, dass man das gemacht hat." Denn dann werde sich aufgrund einer Zunahme des Hafenumschlags zeigen, dass mit dem Jade-Weser-Port ein wichtiger Standort mit spezifischen Vorteilen geschaffen worden sei. Der Jade-Weser-Port werde dann insgesamt zur Stärkung der deutschen Seehäfen beitragen.

Ähnlich äußerte sich am Dienstag Häfensenatorin Claudia Schilling (SPD). Sie sagt, dass sich an den strategischen Überlegungen Bremens zum Jade-Weser-Port über die Jahre nichts geändert habe: "Wir wollen einen Tiefwasser-Hafen, der als Überlauf zu den Bremischen Häfen dienen kann." Die Zahlen entwickelten sich in die richtige Richtung. Sie sei optimistisch, dass der Jade-Weser-Port die Umschläge in den kommenden Jahren weiter werde steigern können und auch für Bremen weiter an Bedeutung gewinnen werde.

Die Geschichte des Jade-Weser-Ports

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Woran könnte es liegen, dass der Jade-Weser-Port bislang nicht ausgelastet ist?

Tiefwasser-Containerterminal hin oder her: Der Jade-Weser-Port hat mit Hamburg und Bremerhaven nicht nur inländische Konkurrenz. Er konkurriert auch mit den Seehäfen in Rotterdam und Antwerpen, die die deutschen Häfen in den letzten Jahren überflügelt haben. Das betrifft unter anderem Ladung, die aus Übersee kommt und mit einem kleineren Containerschiff weitertransportiert werden soll, beispielsweise Richtung Ostsee.

Der Jade-Weser-Port hat aber noch weitere Standortnachteile. Das hat der Betriebswirt und Seehafen-Experte Jan Ninnemann von der HSBA Hamburg School of Business Administration bereits vor zwei Jahren, inmitten der Corona-Krise, gegenüber buten un binnen deutlich gemacht. So liegt Wilhelmshaven verkehrsgeografisch betrachtet weit abseits – trotz seiner Anbindung an das europäische Schienennetzsystem und die Autobahn 29. Um Container von Wilhelmshaven beispielsweise nach Dresden oder nach München zu transportieren, muss man einen viel weiteren Landweg bewältigen als etwa von Hamburg oder von Bremerhaven aus.

Und das sei ein großer Nachteil, so Ninnemann. Denn der Containertransport auf dem Landweg sei fünf- bis zehnmal so teuer wie mit dem Seeschiff. Hinzu komme, dass Wilhelmshaven, anders als die Großstädte der Konkurrenz, kaum einen Markt für lokale Waren biete. Diese aber mache üblicherweise immerhin rund ein Viertel der Ladungen aus.

Was spricht dafür, dass es mit dem Jade-Weser-Port trotzdem bergauf geht?

Die Umschlagsmengen des Jade-Weser-Ports sind zuletzt gestiegen. Als großes Plus für den Standort werten sowohl Beobachter als auch Bremens Häfen-Senatorin Claudia Schilling zudem, dass inzwischen mit Hapag-Lloyd eine führende Reederei mit 30 Prozent am Container-Terminal des JWP beteiligt ist.

Auch treibt Terminal-Betreiber Eurogate die Modernisierung des Jade-Weser-Ports voran. So soll dort bis 2024 ein vollautomatisierter Liegeplatz entstehen. Das Ziel: Computergesteuerte Maschinen sollen Frachter be- und entladen und so die Kosten senken. Zudem gibt es Pläne, die Kaje um zwei Kilometer zu verlängern. Das soll allerdings erst geschehen, wenn der Hafen seine Auslastung von 2,7 Millionen TEU pro Jahr ausschöpft.

Wie denken Umweltschützer über den Jade-Weser-Port?

Martin Rode, Geschäftsführer des BUND Bremen, stellt fest, dass der Jade-Weser-Port in ein sehr wertvolles Gebiet gebaut worden sei. "Doch jetzt ist er da", so Rode. Da man die größten Schiffe im Jade-Weser-Port abfertigen könne, ergebe es umso weniger Sinn, weiterhin zum Schaden der Umwelt Flüsse wie die Elbe oder die Weser noch weiter zu vertiefen. Der BUND fordere eine nationale Hafenkooperation, die dem ein Ende setze.

Doch auch für den Fall, dass die deutschen Häfen künftig enger kooperieren sollten, hält Rode einen weiteren Ausbau des Jade-Weser-Ports nicht für erforderlich. "Der Hafen ist unterausgelastet", stellt der Umweltschützer fest. Der Containerverkehr habe sich nicht so entwickelt, wie lange von der Wirtschaft angenommen.

Jade-Weser-Port wird 10 Jahre alt: Gibt es einen Grund zu feiern?

Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Nachrichten, 21. September 2022, 6 Uhr