Interview
Wenn Eltern sterben: "Viele Kinder sprechen erst mal gar nicht"
buten un binnen Extra: Im Trauerland – wie Kinder mit dem Tod umgehen
Seit 25 Jahren unterstützt der Bremer Verein Trauerland Kinder und Jugendliche in ihrer Trauer. Worauf es dabei ankommt, erklärt die pädagogische Leiterin Antje Wicke.
Frau Wicke, der Tod war ganz lange ein Tabuthema. Es wurde einfach nicht gesprochen über den Tod. Heute setzen Sie sich dafür ein, dass offener darüber geredet wird. Warum ist Ihnen das ein Anliegen?
Oft ist es so, dass Menschen aus einem persönlichen Erleben heraus die Initiative ergreifen, um was zu verändern. Ich bin in einem Dorf groß geworden, wo es einfach die Kultur gab, dass man Kinder nicht mit zu Beerdigungen nahm und Kinder eher von dem Thema Tod fern hielt. Ich glaube, man wollte sie davor schützen. Aber das hat natürlich etwas gemacht. Es verursachte das Gefühl, dass man ausgeschlossen wird. Das habe ich erlebt und irgendwann im Studium gedacht: Damit möchte ich mich intensiver beschäftigen, weil ich wissen will, wie es anders geht.
Und erleben Sie das heute oft auch noch?
Ich glaube, dass sich ganz viel verändert hat in der Gesellschaft. Das ist auch Menschen wie Beate Alefeld-Gerges zu verdanken, die Trauer-Kindergruppen in Bremen gegründet hat. Insgesamt hat sich viel bewegt. Die Familien, die bei uns anrufen, machen sich viele Gedanken. Und die haben auch ganz viele Ideen im Kopf. Ich glaube, dass das gut und hilfreich ist für die Kinder. Und trotzdem erleben wir aber Situationen, in denen Menschen sich fragen: Ist das gut, wenn ich mein Kind mit zu einer Beerdigung nehme?

Wenn Kinder zu Ihnen ins Trauerland kommen, dürfen sie über ihre Trauer sprechen. Was ist meist das Erste, was raus will?
Viele Kinder sprechen erst mal gar nicht. Wir haben ja in unseren Räumen eine Fülle von Angeboten, was Kinder machen können. Alle möglichen Aktivitäten, wo sie ihrer Trauer Ausdruck verleihen können. Es gibt einen Toberaum, kreative Möglichkeiten oder auch Spielangebote. Meistens suchen sie sich das, was gerade für sie passt und wo sie gerade gerne spielen mögen.
Und dann ist dieses Ankommen in diesen Ritualen und in den Kreisen so, dass sie das erzählen, was die anderen eben auch von sich erzählen. Oder eben auch erstmal zuhören. Also kein Kind muss bei uns irgendetwas erzählen. Das Reden ist auch gar nicht vordergründig, sondern oft ist es das Spiel. Da können Kinder ihre Trauer zeigen.
Sollte man Kindern direkt sagen, was zum Beispiel ihren verstorbenen Eltern passiert ist? Egal, welches Alter?
Unbedingt. Einfach, weil Ehrlichkeit Vertrauen schafft und auch eine Grundbasis ist für Trauerarbeit. Wenn ich weiß, was passiert ist, kann ich anfangen, es zu verarbeiten. Es den Kindern nicht zu sagen rührt aus der guten Absicht heraus, Kinder schützen zu wollen und zu sagen: Ist es vielleicht zu viel für das Kind?
Aber wir unterschätzen ganz oft die Sensibilität von Kindern. Sie erspüren, dass da irgendwas verheimlicht wird. Und nichts ist schlimmer, als wenn sie es hinterher von irgendjemand anderem erfahren. Dann ist der Vertrauensbruch einfach so groß.
Insofern würde ich alle ermutigen, ehrlich zu sein. Und wenn das nicht gut gelingt – manchmal finden wir Erwachsene ja auch nicht die richtigen Worte – dann ist es gut, sich Unterstützung zu holen. Dafür sind wir da. Solche Beratungen machen wir nicht selten. Dann überlegen wir zusammen mit Eltern, wie sie es ihrem Kind gut sagen können.
Kann man von einem Elternteil überhaupt erwarten, sich in einer solchen Situation auf die Kinder einzulassen? Schließlich ist man ja selber zutiefst traurig, wenn der Partner gestorben ist.
Manchmal ist es schwer mit den Kindern so mitzugehen, weil man eben auch um eine Person trauert, die einem sehr nahe war. Da erlebt man den Verlust und fühlt den Schmerz. Wenn man selbst spürt, dass man es nicht mehr schafft, dann ist es gut, wenn man sich andere Erwachsene dazu holt. Die können dann vielleicht die Kinder bei Aktivitäten begleiten.
Frau Wicke, lassen Sie uns gemeinsam in die Zukunft gucken. Trauerland möchte mit einem Pop-up-Store in die Innenstadt. Was wird es dort geben?
Der Hintergrund ist, dass wir merken, dass die Jugendlichen sich zunehmend schwerer auf Gruppenangebote einlassen können. Da haben wir überlegt, wie wir jungen Menschen ein Stück entgegenkommen können? Und dieser Pop-up-Store soll im Herbst starten. In der dunklen Jahreszeit mit einem ganz niedrigschwelligen Angebot. Da werden wir für eine begrenzte Zeit einen Raum mieten, Der liegt zentral und man kann dann einfach reinkommen, sich informieren, in den Austausch gehen, Fragen stellen. Und so wollen wir auch ein bisschen herausfinden, wie wir Jugendliche gut erreichen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen-Extra, 29. Mai 2025, 19:30 Uhr