Infografik

2 Jahre nach "MSC Zoe"-Havarie: Ähnliches Unglück wäre wieder möglich

Ein Mann hält ein gelbes Seil, das an einem Container befestigt ist, der im Hafenbecken schwimmt
Container über Bord: Der Unfall von 2019 hatte kaum Konsequenzen. Bild: dpa | Remko de Waal

Im Januar 2019 verlor ein Riesenfrachter vor Borkum über 340 Container. Viel Plastikmüll landete im Meer und an der Küste. Was haben wir daraus gelernt? Nicht viel.

Dass am Nordseestrand mal ein paar alte Fischernetze rumliegen oder Plastikmüll, ist nichts Ungewöhnliches. Aber vor zwei Jahren, im Januar 2019, lagen Kühlschränke, Badelatschen und massenhaft winzige Plastikkügelchen an den Stränden von Borkum, Schiermonnikoog oder Ameland. Dutzende Freiwillige halfen damals, den Strand von dem Unrat zu befreien.

Was war geschehen? In der Nacht auf den 2. Januar hatte einer der größten Frachter der Welt, die "MSC Zoe", in einem Sturm 342 seiner rund 8.000 geladenen Container verloren. Darunter waren auch zwei Container mit Lithium-Ionen-Batterien und Chemikalien. Und das ganz in der Nähe des geschützten Wattenmeeres.

Elf Monate lang suchten Spezialfirmen nach der verlorenen Ladung. Die Schweizer Reederei MSC kostete das nach eigenen Angaben eine zweistellige Millionensumme. Ein Viertel des Containerinhalts wurde jedoch nicht gefunden, schätzt ein Untersuchungsbericht der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung.

Dem Bericht zufolge hatten Reederei und Crew nichts falsch gemacht. Vielmehr sei die Ursache des Unfalls der Wind in Kombination mit der Größe der "MSC Zoe", die eine Länge von fast 400 Metern hat. So ein Riesenschiff ist sehr stabil. Wenn der Wind ein solches Schiff in Schieflage bringt, richtet es sich sofort wieder auf. Dabei entstehen allerdings enorme Bewegungskräfte, die dazu geführt haben, dass die Container aus ihrer Befestigung gebrochen sind.

Der Bericht sagt auch: Die Wetterbedingungen waren nicht außergewöhnlich für diesen Teil der Nordsee. So ein Unfall könnte also jederzeit wieder passieren.

Was sind Konsequenzen aus dem Unfall?

Die MSC Zoe trug nur leichte Blessuren von dem Zwischenfall und kann längst wieder über die Weltmeere fahren. Aktuell ist sie am Suezkanal bei Ägypten unterwegs. Politisch hat der Unfall einiges ins Rollen gebracht. Aber genug?

"Es wird wieder passieren. Und dann beschäftigt uns das wieder Jahre"“, sagt Jürgen Akkermann (parteilos). Er ist Bürgermeister der Insel Borkum, wo vor zwei Jahren Container samt Inhalt angeschwemmt worden waren. Latschen oder andere Ladung der "MSC Zoe" finde man am Borkumer Strand zwar keine mehr, sagt Akkermann. Aber er will mehr Konsequenzen.

Wie das Bundesverkehrsministerium von Andreas Scheuer (CSU) mitteilt, setzt sich Deutschland auf internationaler Ebene, bei der Seeschifffahrts-Organisation IMO, für bessere Sicherheitsstandards ein. Etwa für Sensoren, die die Neigung eines Schiffes angeben.

Zudem werden dem Ministerium zufolge Schiffe nun täglich, und bei Sturmvorhersagen mehrmals täglich, gewarnt, dass sie bei Sturm eine Route im tieferen Wasser nehmen sollten. Denn im flachen Küstenwasser ist die Gefahr größer, dass ein Frachter auf Grund läuft – der denkbar schlechteste Fall. Ob die Containerriesen ihre Route ändern, entscheiden sie aber selbst, die Warnung ist nicht bindend.

Grafische Darstellung von Containerschiffen im Vergleich zu Schiffsbreiten KLICKE A UF DIE SCHIFFS N AMEN 59 Meter MSC Zoe 32,2 Meter AIDA 23 Meter MS Deutschland SEUTE DEERN 11,30 Meter Seute Deern MS Deutschland Aida MSC Z oe
Bild: Radio Bremen | Radio Bremen

Tickende Zeitbomben vor der Küste

Genau diese fehlende Verbindlichkeit stört Kritiker. Fragt sich, wer nun am Zuge ist. Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) kritisiert, dass der Bund noch immer keine konkreten Maßnahmen umgesetzt habe. Es sei "dringend notwendig, dass die Sicherheit in der Containerschifffahrt erhöht wird". Er möchte, dass große Containerschiffe wie die "MSC Zoe" ähnlich wie Tankschiffe zumindest bei Sturm nicht mehr an der Küste entlang fahren dürfen.

Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste (SDN) will sogar, dass Mega-Frachter gar nicht mehr auf der Küstenroute unterwegs sein dürfen. Denn, so sagt Sprecher Peter Andryszak, nicht nur Sturm könne zu Notsituationen führen, sondern auch technische Probleme. Die SDN fordert zudem, dass Gefahrgut-Container einen Peilsender haben müssen, damit sie geortet werden könnten.

Unzufrieden ist auch der Bremerhavener Bundestagsabgeordnete Uwe Schmidt (SPD). Ihm zufolge ist das Kernproblem, dass weltweit immer größere Containerschiffe gebaut werden, diese aber auf internationaler Ebene gar nicht reglementiert sind. "Das kann nicht sein, dass eine Schiffsart nicht geregelt ist", kritisiert er. Das Verkehrsministerium habe den klaren Arbeitsauftrag, sich bei der IMO für Vorgaben einzusetzen. Doch viele Staaten fürchteten einen Wettbewerbsnachteil, wenn sie die Regeln für Frachter erlassen.

Autorin

  • Carolin Henkenberens
    Carolin Henkenberens Autorin

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Vier, Die Vier am Morgen, 7. Januar 2021, 8:10 Uhr