Interaktiv

Nach Morddrohung: "Ich dachte dann, jetzt erst Recht!"

Sie sagte ihre Meinung über Cannabis-Legalisierung. Dann prasselte Hass auf die Bremer Landesvorsitzende der Jungen Union ein. Auch eine Morddrohung.

"Diese verklemmte Frau geht mir ja sowas von auf die Nerven" oder "Die Alte muss mal ne Bong zischen und ordentlich bearbeitet werden". Was eine sachliche Diskussion im Netz hätte werden sollen, endete in einem Shitstorm. Wiebke Winter, seit knapp einem Jahr die Bremer Landesvorsitzende der Jungen Union, hatte sich in einer Youtube-Diskussionsrunde zum Thema Cannabis gegen die Legalisierung ausgesprochen. Für viele Zuschauer war das ein Grund, sie mit Hasskommentaren zu überschwemmen.

Als ich dann an dem ersten Abend wirklich hunderte von Nachrichten bekam, konnte ich die ersten drei Nächte nicht schlafen. Weil es mir wirklich auch zu Herzen ging, weil ich es mir zu Herzen genommen habe, was die Leute gesagt haben.

Wiebke Winter, Landesvorsitzende Junge Union Bremen

Die bedrohlichste Reaktion auf das Youtube-Video kommt per Sprachnachricht von einem anonymen Absender: Es ist eine Morddrohung. Die Politikerin meldet sich bei der Polizei und zeigt den Fall an. "Die Polizei hat mein Anliegen sehr ernst genommen und der Staatsschutz hat mich toll unterstützt und den Mann dann tatsächlich ausfindig machen können. Ich weiß nicht viel über den Täter, er hat eine Gefährderansprache erhalten und nun müssen wir gucken, wie es weitergeht."

Hier können Sie sich externe Inhalte (Text, Bild, Video…) von Datawrapper anzeigen lassen

Stimmen Sie zu, stellt Ihr Browser eine Verbindung mit dem Anbieter her.
Mehr Infos zum Thema Datenschutz.

Rückzug oder "Angriff"?

Wiebke Winter spricht mit anderen Parteimitgliedern, bekommt dort viel Unterstützung und Zuspruch. Doch manche empfehlen ihr auch, nicht mehr so offen in sozialen Netzwerken zu sein, keine privaten Bilder mehr auf Instagram zu posten und sich in der Öffentlichkeit zurückzuhalten. Doch die Politikerin will sich nicht einschüchtern lassen.

Statt sich zurückzuziehen, tritt Winter ein zweites Mal in dem selben Youtube-Talkformat auf. Das Thema diesmal: Hass im Netz. In der Diskussion schildert sie, wie hart die Community mit ihr ins Gericht gegangen war und was sie dabei gefühlt und danach getan hatte.

Ich habe gedacht: Jetzt erst Recht. Ich bin damit an die Öffentlichkeit gegangen, das ist ein Schritt, mit dem ich mich nicht leicht getan habe, aber ich glaube, dass es wichtig ist, dass man an die Öffentlichkeit geht. Dass man nicht Opfer von der ganzen Geschichte wird, sondern darüber steht und trotzdem weiter Politik macht.

Wiebke Winter, Landesvorsitzende Junge Union Bremen

Bremer Politikerinnen und Politiker lesen aus ihren Hass-Nachrichten

Bild: Radio Bremen

In dem von ihr gegründeten Frauennetzwerk der Jungen Union tauscht sich die Landesvorsitzende mit anderen Betroffenen aus. Viele haben ähnliche oder sogar extremere Erfahrungen mit Hass und Bedrohungen gemacht. Bisher gibt es für solche Vorfälle aber noch kein offizielles Verfahren, keine Anlaufstelle in ihrer Partei – das will Winter jetzt ändern.

Beschimpft, beleidigt, bedroht – das erleben Bremens Politiker:

Hasskommentare Alexandra Werwath, Landesvorstandssprecherin, Bündnis 90/Die Grünen Wiebke Winter Landesvorsitzende, Junge Union Hauke Hilz Landesvorsitzender, FDP Antje Grotheer, Stellvertretende Bürgerschaftspräsidentin, SPD Roman Fabian, Beirat Obervieland, Die Linke

Mehr zum Thema:

Autorin

  • Helena Brinkmann
    Helena Brinkmann

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 25. Februar 2020, 19:30 Uhr

Archivinhalt