Interview

Debatte um Hass-Nachrichten: Senatorin Vogt wurde selbst schon bedroht

Die Debatte um Hasspostings ist erneut entbrannt. Bremens Wirtschaftssenatorin hat selbst schon Drohnachrichten erhalten. Hier erzählt sie von ihren Erfahrungen.

Bremens Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt.
Auch Bremens Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Die Linke) wurde bereits anonym bedroht. Bild: dpa | Gregor Fischer

In den sozialen Medien ist in den vergangenen Tagen eine Diskussion hochgekocht, nachdem eine Bremerin die Polizei öffentlich auf Twitter kritisierte. Sie habe in Sozialen Netzwerken eine Drohnachricht zugeschickt bekommen und wollte eine Strafanzeige stellen, berichtete sie. Bei der Polizei hatte die Frau jedoch das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden.

Auch Bremens Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Die Linke) hat bereits Erfahrungen mit Drohnachrichten gemacht. Bei ihr handelte es sich um beleidigende E-Mails und eine anonym versendete Postkarte. Darauf abgebildet war ihr Gesicht in einem roten Fadenkreuz, neben High Heels und Handschellen. Auf der Rückseite wurde Vogt als "Nymphomanin", "rote Faschistin" und "Missgeburt" beschimpft. Anzeige hat sie damals allerdings nicht erstattet.

Frau Vogt, was hat Sie persönlich daran gehindert, Anzeige zu erstatten?

In meinem Fall war es kein Hassposting, sondern eine anonyme Postkarte. Ich hatte einen Anwalt zurate gezogen, der auch sagte, dass der Absender nicht zu ermitteln sein wird. Da die Erfolgsaussicht offensichtlich so eindeutig gleich Null war, hatte ich damals Angst, nicht ernst genommen zu werden, wenn ich dennoch eine Anzeige stelle. Ob berechtigt oder nicht, kann ich im Nachhinein gar nicht sagen. Aber es war ein bisschen die Angst davor zu hören: "Warum kommen Sie denn damit? Sie wissen doch, dass es erfolglos ist."

Sehen Sie es heute als Fehler an, dass Sie keine Anzeige erstattet haben?

Damals hatte ich das emotional von mir ferngehalten. Aber später ist mir dann schon klar geworden, dass mir diese Drohung – vor allem mit dieser sexuellen Ausrichtung – schon sehr zugesetzt hat. Deswegen wäre es sinnvoll gewesen, trotzdem eine Strafanzeige zu stellen. Auch, um zu sensibilisieren und das Bewusstsein zu schaffen, dass Bedrohungen – vor allem sexualisierte Bedrohungen – immer Ernst zu nehmen sind. Und zwar unabhängig davon, auf welchem Wege einen diese Bedrohung erreichen.

Welche Schwierigkeiten und Herausforderungen sehen Sie in der Bekämpfung von Hasspostings?

Es ist oft schwierig, die Urheber ausfindig zu machen. Gerade dann, wenn Sie den Umweg über Provider nehmen, die im Ausland registriert sind. Eine zweite Schwierigkeit ist, dass Bedrohung und Hasspostings im Netz in der Vergangenheit oft nicht ernst genommen worden sind und juristisch gelegentlich auch zweifelhaft bewertet wurden. Ich finde es zum Beispiel sehr problematisch, wenn öffentliche Personen durch Gerichte attestiert bekommen, dass man sie im Netz bedrohen oder beleidigen darf. Hier werden Grenzen in die falsche Richtung verschoben.

Lassen Sie sich von Hass-Nachrichten und Drohungen beeinflussen?

Ich habe mich in keiner Weise von dem Vorfall einschüchtern lassen. Bin also deswegen auch in keiner Hinsicht vorsichtiger oder zurückhaltender geworden. Politisch war mir das Thema auch schon vorher bewusst und habe mich immer für Maßnahmen eingesetzt, die für Sensibilisierung sorgen, die Opfer unterstützen und die Verfolgung solcher Straftaten erleichtern.

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Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 23. Januar 2020, 19:30 Uhr

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