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"Fette Schmeißfliege": Darum schreckt das Alexandra Werwath nicht ab

Zehn Zeilen Beleidigungen über ihr Aussehen. Alexandra Werwath fischte ein Schreiben aus ihrem privaten Briefkasten. Sie sagt: Politikerinnen dürfen sich nicht abschrecken lassen.

Völlig perplex sei sie gewesen, sagt Alexandra Werwath. "Da macht sich jemand die Mühe, meine private Adresse herauszufinden, so etwas sorgsam zu tippen, auszudrucken, ein Etikett auszudrucken, zur Post zu bringen – all das nur, um mir zehn Zeilen zu schicken, die mich aufs krasseste beleidigen." Die junge Politikerin war eines Abends nach Hause gekommen und hatte einen Brief aus dem Kasten gefischt. Der Inhalt: Üble Beschimpfungen in Zusammenhang mit ihrem Aussehen. "Eine Schande für die Stadt", so endete das anonyme Schreiben.

Für Werwath war das eine Grenzüberschreitung. Nicht wegen der Art der Beschimpfung, die halte sie aus. "Weil das mein privates Zuhause ist, meine Familie ist da mit mir, das ist mein geschützter Raum außerhalb der Politik, den ich dort habe. Und dass diese Intimität durch so einen Brief gebrochen wird, fand ich schon heftig."

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"Den Brief auch schnell wieder vergessen"

Werwath sprach mit ihrer Familie, mit ihrem Lebenspartner und Freundeskreis darüber. Auch in ihrer Partei habe sie sich Rat geholt, dazu, was es bedeute, wenn ein Brief nicht in der Parteizentrale, sondern an ihre Privatadresse gehe. Angezeigt habe sie den Vorfall deshalb nicht, weil das zwar "schlimmste Beleidigungen sind, aber aus meiner Sicht nicht strafrechtlich relevante Beleidigungen", erklärt die 27-Jährige.

Ich glaube sich darüber lustig zu machen ist eine wirklich gute Strategie, ironisch damit umzugehen.

Alexandra Werwath, Landesvorstandssprecherin Grüne Bremen

Kurz habe sie überlegt, ob sie Öffentlichkeit schaffen und den Brief in den sozialen Netzwerken posten sollte. Doch diese Aufmerksamkeit wollte sie dem Verfasser gar nicht geben. Am Ende habe sie den Brief auch schnell wieder vergessen. "Der ist von Zeit zu Zeit mal wieder aufgeploppt, aber hat nicht viel Raum in meinem Leben eingenommen."

Bremer Politikerinnen und Politiker lesen aus ihren Hass-Nachrichten

Bild: Radio Bremen

Frauen mundtot machen

Werwath glaubt, Verfasser solcher Briefe wollen insbesondere Frauen in der Politik einschüchtern. "Es ist das Ziel von solchen Leute, die mich persönlich wegen meines Äußeren angreifen, dass ich mich zurückziehe, mich als Frau zurückziehe. Sie wollen mich entsprechend mundtot machen. Das soll die Folgerung davon sein. Und darauf lasse ich mich nicht ein." Auf keinen Fall dürfe das Frauen tatsächlich abschrecken, Politik zu machen, sagt Werwath weiter. Das sei eine Gefahr für die Demokratie.

Dann überlegt die junge Politikerin: "Vielleicht habe ich dem doch zu wenig Aufmerksamkeit gegeben. Denn auch Öffentlichkeit kann ein Schutz vor so einer Sache sein."

Ich will keinen Shitstorm provozieren, aber mein Umfeld dafür sensiblieren, in was für einer krassen entgrenzten Gesellschaft wir eigentlich leben. Aber auch der Ausspruch von Solidarität ist total wichtig, weil es sonst erodiert.

Alexandra Werwath, Landesvorstandssprecherin Grüne Bremen

Parteiübergreifend solidarisch sein

Besonders jetzt, nachdem ein offenbar psychisch kranker Rechtsextremist elf Menschen in Hanau tötete, sollten verbale Entgleisungen, Hass und Straftaten benannt werden, meint Alexandra Werwath. Demokraten und Demokratinnen müssten zusammenstehen, unabhängig von der Partei, sich nicht angreifbar machen. "Dann zeigen wir diesen Leuten, dass sie alleine sind."

So wie bei jüngeren Vorfällen in Bremen: In mehreren Parteizentralen waren Briefe mit einem Pulver angekommen. Zwar stellte sich das jeweils als harmlos heraus, doch alle Parteien waren laut Werwath "Zielscheibe von Drohungen – die irgendwann mal Realität werden können."

Ich habe mit den Leuten aus den Parteizentralen gesprochen. Denn das macht was mit einem. Da ist es mir egal, ob man CDU, SPD Linker oder Grüner ist.

Alexandra Werwath, Landesvorstandssprecherin Grüne Bremen

Beschimpft, beleidigt, bedroht – das erleben Bremens Politiker:

Hasskommentare Alexandra Werwath, Landesvorstandssprecherin, Bündnis 90/Die Grünen Wiebke Winter Landesvorsitzende, Junge Union Hauke Hilz Landesvorsitzender, FDP Antje Grotheer, Stellvertretende Bürgerschaftspräsidentin, SPD Roman Fabian, Beirat Obervieland, Die Linke

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Autorinnen

  • Autorin
    Birgit Reichardt Redakteurin und Autorin
  • Helena Brinkmann
    Helena Brinkmann

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 25. Februar 2020, 19:30 Uhr

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