75 Jahre Weser-Kurier: Am Anfang war das Papier knapp

Freie Presse und Meinung waren nach Kriegsende im besiegten Nazi-Deutschland nicht selbstverständlich. Und so schickten die Amerikaner einen Neuling ins Rennen.

Zunächst ist der Weser-Kurier noch keine Tageszeitung. Denn Papier ist knapp im Bremen der Nachkriegszeit. Zweimal wöchentlich – mittwochs und sonnabends – erscheint er in zunächst bescheidenem Umfang: Vier Seiten für 20 Pfennige.

Gedruckt wird die Zeitung dort, wo das Verlagshaus Schünemann noch wenige Monate zuvor die Bremer Nachrichten auf Papier brachte. Dem Gouverneur der amerikanischen Besatzungstruppen in Bremen missfiel allerdings Schünemanns Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten und dem Reichspropagandaministerium bis zum Kriegsende. Deshalb lässt er die Druckmaschinen beschlagnahmen und erteilt ausschließlich dem neu gegründeten Weser-Kurier eine Zeitungslizenz.

In einer Auflage von 150.000 Exemplaren erscheint die Zeitung am 19. September 1945 in Bremen und Bremerhaven sowie in den Kreisen Wesermünde, Osterholz und Wesermarsch. Der Aufmacher der ersten Ausgabe ist ein Bericht über den Prozess gegen die SS-Aufseher des Konzentrationslagers Bergen-Belsen.

Titelseite der Erstausgabe des Weser-Kurier vom 19. September 1945.
So sieht das Titelblatt der ersten Ausgabe aus. Bild: Weser-Kurier

Fotos sind rar und nur im Lokalteil zu finden: vom Bremer Roland und von Menschenmassen, die sich vor den Kammer-Lichtspielen drängen. "Wieder Kino in Bremen!" lautet dort die Schlagzeile. Aber es gibt auch einen Fortsetzungsroman von Thomas Mann und eine kleine Spalte mit Kleinanzeigen, wie etwa "Intelligenter Herr in mittleren Jahren sucht gute Stellung" oder "Suche Herrenfahrrad, biete Radio".

Eine freie deutsche Presse sollte entstehen

Chefredakteur des Weser-Kurier Hans Hackmack hat sich als Redakteur der sozialdemokratischen Bremer Volkszeitung schon 1933 gegen die Nazis gestellt, hat Zuchthaus und Zwangsarbeit überlebt. Deshalb geben die Amerikaner ihm den Vorzug und nicht dem Schünemann Verlag. Er ist aber nicht nur Chefredakteur und Lizenzinhaber sondern auch Mitgesellschafter der neuen Zeitung.

Chefredakteur des Weser-Kurier Hans Hackmack
Mann der ersten Stunde: Hans Hackmack. Bild: Staatsarchiv Bremen

In seinem ersten Leitartikel beschreibt er seinen Auftrag so: "Die Größe der Aufgabe, durch eine wahrheitliebende, aufbaufördernde Presse die nationalsozialistischen Schutthalden aus dem Denken unseres Volkes hinwegzuräumen, erheischt gebieterisch die Zusammenarbeit aller antifaschistischen Journalisten. Die Zeitung sei das Spiegelbild unseres öffentlichen Lebens! Aber sie sei zugleich auch Führerin! Das bedeutet, sie darf nicht wie unter dem Hitler-Regime von einer rücksichtslosen Diktatorenbande brutal missbraucht werden gegen das Wohl des Volkes. Für immer werden die zwölf Jahre nationalsozialistischer Journalistik ein moralischer Schandfleck in der Geschichte des deutschen Pressewesens bleiben."

Mit der Veröffentlichung hofft er zudem, dass sich die Bürgerinnen und Bürger wieder eine eigene Meinung zutrauen.

Der Weser-Kurier möchte mit jeder seiner Meldungen, mit jedem Artikel und jedem Bericht über staatliche, kommunale oder kulturelle Fragen erreichen, dass sich die Menschen darauf besinnen, wie notwendig es ist, sich wieder mit den öffentlichen Dingen zu befassen und darüber selbständig nachzudenken.

Hans Hackmack, erster Chefredakteur des Weser-Kurier

Wilhelm Kaisen, der von den Amerikanern als Präsident des Bremer Senats eingesetzt wurde, schreibt ein Geleitwort für die erste Ausgabe. Darin stellt er fest, das "jetzt endlich der spürbare Mangel einer helfenden Presse überwunden" sei, und sich allmählich der Weg zur Demokratie bahne. Und auch der Militärgouverneur der Enklave Bremen, Bion C. Welker wendet sich an die Leserinnen und Leser: "Freie Meinungsäußerung ist das erste Sinnbild der Demokratie, und eine freie Zeitung ist eine der größten Hilfen bei der Unterstützung der deutschen Bevölkerung, ihr Leben auf demokratischer Grundlage neu aufzubauen."

Nach Jahren nationalsozialistischer Unterdrückung und Verzerrung der Nachrichten werden die Bewohner der Bremer Enklave jetzt in der Lage sein, die Wahrheit zu lesen.

Bion C. Welker, Militärgouverneur

Zunächst kontrolliert die Militärregierung noch den redaktionellen Inhalt, bald aber arbeitet die Redaktion unabhängig. Ab 1949, als Papier nicht länger knapp ist, gibt es den Weser-Kurier nicht mehr nur mittwochs und sonnabends, sondern täglich an allen Werktagen.

So arbeitet der Weser-Kurier heute

Bild: Radio Bremen

Mehr dazu:

  • Bremens Zeitung seit 75 Jahren: So arbeitet der Weser-Kurier

    In den 75 Jahren hat sich der Weser-Kurier stark gewandelt: Zu Beginn war es eine Zeitung mit vier Seiten für 20 Pfenning. Heute ist es ein modernes Medienhaus.

Autorinnen

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Die Chronik, 19. September 2020, 7:40 Uhr

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