50 Jahre "3nach9": "Manchmal hörst Du die Stecknadel fallen im Studio"
Die Talkshow von Radio Bremen feiert 50. Die Moderatoren Giovanni di Lorenzo und Judith Rakers erklären, was die "Mutter aller Talkshows" anderen Fernsehsendungen bis heute voraus hat.
Intelligente Unterhaltung – das sei das Ziel von 3nach9, sagt Giovanni di Lorenzo. Er muss es wissen: Di Lorenzo moderiert die Show seit 35 Jahren. Seit 14 Jahren steht ihm dabei Judith Rakers zur Seite – sie setzt noch eins drauf: "Unterhaltung zum Mitdenken" sei das Ziel von 3nach9, erklärt sie. Ob nun einfach nur intelligent oder gar zum Mitdenken: Am Freitag, 15. November, feiert Deutschlands älteste Talkshow ihren 50. Geburtstag. Um 22 Uhr beginnt die Jubiläumsausgabe live, unter anderem im Radio Bremen-Fernsehen.
Im Kern geht es bei 3nach9 seit jeher um Menschen und ihre Geschichten. Der besondere Clou: Nicht nur die Moderatoren befragen ihre Gäste. "Der Zauber entsteht, wenn die Gäste miteinander ins Gespräch kommen", sagt Rakers. "Bei manchen Gesprächen hörst Du die Stecknadel fallen im Studio, weil alle so gespannt sind." Das habe auch damit zu tun, dass die Gäste bei 3nach9 – anders als in den meisten anderen Sendungen – ausreichend viel Zeit bekämen, um ihre Geschichten zu erzählen.
Dabei spielt eine untergeordnete Rolle, wie bekannt die Gäste sind. In 3nach9 kommen sowohl Promis als auch weniger bekannte Leute zu Wort. Wichtig ist der Redaktion, dass die Menschen Interessantes zu erzählen haben. Folgerichtig antwortet Rakers auf die Frage, wer ihr Wunschgast sei: "Ich freue mich auf den nächsten Gast, der eine Geschichte mitbringt, die ich jetzt noch gar nicht kenne."
Eine Talkshow muss eine Antwort geben auf die Frage: Wie ist so jemand? Und zwar auch dann, wenn er offenbar Routiniertes von sich gibt, wenn er einstudierte Sprüche von sich gibt.
Giovanni di Lorenzo
Die Angst vor dem Shitstorm
Doch wer auch immer die nächsten Geschichten bei 3nach9 erzählen wird: Er oder sie kann sich sicher sein, dass sich di Lorenzo und Rakers gründlich auf den Besuch vorbereiten werden. Die Vorbereitung auf die Gespräche sei heute wichtiger als je zuvor, erklärt di Lorenzo. Denn der Einfluss der Sozialen Medien mache auch vor 3nach9 nicht Halt. Viele Gäste hätten heute Angst vor einem Shitstorm, der ihnen bevorstehen könne, wenn sie etwas Falsches sagten.
Entsprechend behutsam und wohlpräpariert müsse man den Gast aus der Reserve locken: "Es kommt nicht darauf an, dass du dich mit einer besonders schlauen Frage selbst inszenierst, sondern darauf, dass der Gast möglichst viel von sich preisgibt. Diesem Ziel müssen sich Tonlage und Inhalt der Fragen unterordnen", erklärt di Lorenzo.
Eindringliche Gespräche ohne Vorgaben
Manche Gespräche hallen bei ihm wie bei Rakers lange nach. "Es sind immer die Gäste, die einen emotional berühren", sagt di Lorenzo. Das sei etwa bei der Krankenpflegerin und Poetry-Slammerin Leah Weigand mit ihrem Gedicht über die schlechten Bedingungen in der Pflege so gewesen. "Fast alle saßen da und mussten mit den Tränen kämpfen, ich auch", erinnert er sich. "Die wusste ja, wovon sie redet."
Bei Judith Rakers gehört das Gespräch mit dem Onkologen und Krebsforscher Wolfram Gössling zu jenen, die sie besonders berührten. Der Arzt, der zahlreiche Krebspatienten behandelte, bekam selbst eine niederschmetternde Diagnose.
Vorgaben für ihre Gespräche bekommt das Moderations-Duo nach eigenen Angaben kaum von den Gästen. Auch nicht von Bundeskanzler Olaf Scholz und CDU-Chef Friedrich Merz: "Beide haben sich davor gehütet, uns vorher irgendwelche Wünsche oder No-Gos durchzugeben. Es gab auch keine inhaltlichen Absprachen", versichert di Lorenzo.
Quellen: buten un binnen und dpa.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 15. November 2024, 19.30 Uhr