Interview

Dorfhelferin: "Wir sind der Mercedes unter den Haushaltshilfen"

Heike und der Sohn sitzen am Küchentisch und der Sohn isst ein Toast
Dorfhelferinnen unterstützen Familien, wenn es besondere Herausforderungen im Leben gibt. Bild: Radio Bremen

Ein Beruf der selten geworden ist: Dorfhelferinnen und Dorfhelfer. Sie sind da, wo sie gebraucht werden – und eine Stütze in Trauerfällen oder bei Schicksalsschlägen.

Traditionell unterstützten sie Landwirtsfamilien, wenn auf deren Höfen dringend Hilfe nötig war. Heute übernehmen sie für Familien den Haushalt und die Kinderbetreuung. Der Beruf der Dorfhelferin ist mehr als kochen. Denn eine Dorfhelferin kommt immer dann, wenn es in einer Familie brennt: Wenn ein Elternteil im Krankenhaus liegt oder gar stirbt. Eine umfassende Ausbildung ist da Pflicht.

Heike Hans ist seit den 1980er-Jahren Dorfhelferin aus Leidenschaft und spricht mit uns über ihren Berufsalltag.

Was gehört alles zu Ihren Aufgaben als Dorfhelferin?

Das Aufgabengebiet einer Dorfhelferin ist sehr vielfältig. Wir haben einmal eine hauswirtschaftliche Ausbildung. Die ist auch Voraussetzung für den Beruf. Das heißt Kochen, Wäsche waschen, Einkaufen und Gartenarbeit eventuell auch. Und eben Kinderbetreuung. Wir sind in der Regel in Familien, in denen Kinder zu betreuen sind. Das ist auch ein Kriterium für die Genehmigung von der Krankenkasse. Manchmal gibt es auch Personen mit einem Pflegegrad. Da helfen wir ebenfalls aus. Es sind auch manchmal Einsätze vom Jugendamt, wo wir eingesetzt werden. Aber in der Regel sind die Hauptaufgaben Kinderbetreuung, Nahrungszubereitung, Wäsche waschen, Einkaufen, Gartenarbeit und Haushaltsführung, wie beispielsweise Putzen.

Heike Hans steht in der Küche und gibt ein Interview
Heike Hans schätzt das Vertrauen und das Persönliche in ihrem Job. Bild: Radio Bremen

Dauert es manchmal bis die Kinder sie akzeptieren?

Ja, das ist häufig schwieriger, wenn die Mutter im Hause ist. Das sind immer unterschiedliche Situationen. Häufig werden wir eingesetzt, wenn die Mutter im Krankenhaus ist, zur Reha, zur Entbindung oder so. Dann ist die Situation etwas anders, dann haben die Kinder nur uns. Da ist es meistens einfacher.

Wenn die Mutter im Hintergrund oder mit im Hause ist, ist die Mutter die Beste und wir stehen an zweiter Stelle. Aber dann überlasse ich alle Entscheidungen und erzieherischen Sachen der Mutter. Das ist dann nicht mein Job. Aber bin ich alleine hier in der Verantwortung, dann bin ich die Bestimmerin.

Wahrscheinlich wachsen einem die Kinder mit der Zeit auch ans Herz, oder?

Ja! Man muss auch immer wieder etwas Abstand gewinnen. Häufig fällt einem die Trennung schwer, wenn man aus der Familie rausgeht.

Aber wir kommen ja gleich in die nächste Familie und komischerweise ist dann die vorherige Familie schon wieder weiter weg. Das ist auch eine Art Selbstschutz. In der Familie, wo ich bin, da bin ich auch richtig drinnen. Und wenn ich die verlasse und wieder in eine neue Familie komme, dann bin ich in der nächsten Familie.

Heike Hans spielt mit der Tochter der Familie
Zu Heikes Aufgaben gehört neben dem Haushalt auch die Kinderbetreuung Bild: Radio Bremen

Was unterscheidet eine Dorfhelferin von einer Haushaltshilfe?

Wir sind Haushaltshilfen. Wir sind der Mercedes unter den Haushaltshilfen. Wir sind für die Krankenkasse die teuersten. Das bedeutet aber, dass wir eine sehr lange Ausbildung haben – eine fünfjährige Ausbildung. Die ist sehr umfangreich und das muss natürlich auch honoriert werden. Wir sind ja auch sehr qualifiziert.

Natürlich gehört zur Ausbildung auch noch Psychologie. Die ist sehr wichtig, wenn wir es mit sehr kranken Frauen zu tun haben. Mit uns haben sie einen Gesprächspartner. Wir sind auch in trauernden Familien oder bei großen Schicksalsschlägen und es ist sehr wichtig, dass wir uns da einfühlen können. Und darauf sind wir geschult und wir haben auch die Möglichkeit, uns weiter fortzubilden.

Ich habe immer gedacht, dass Dorfhelferinnen nur auf dem Dorf arbeiten…

Der Name ist auch sehr irritierend. Viele denken immer, wir sind nur auf dem Dorf, aber Dorfhelferinnen sind nicht nur aufs Dorf konzentriert. Das ist früher mal entstanden, ich selber bin 1983 ausgebildet worden und da war der Ursprung, dass wir noch viel in landwirtschaftlichen Betrieben tätig waren, also auf den Höfen. Und die Ausbildung war von der Landwirtschaftskammer mitfinanziert.

Aber inzwischen gibt es immer weniger landwirtschaftliche Betriebe. Ich habe inzwischen vielleicht alle drei Jahre mal einen Hof. In den 80er- und 90er-Jahren war das fast nur so. Da hatte ich noch Aufgaben, wie Milchkübel auswaschen, zur Straße fahren oder die Kälber tränken. Heute sind die Betriebe spezialisiert und in der Regel sind unsere Aufgaben weniger im landwirtschaftlichen Außenbetrieb. Außerdem werden die meisten Einsätze jetzt von den gesetzlichen Krankenkassen anerkannt.

Was sind für Sie die Herausforderungen, wenn Sie so plötzlich in eine Familie gerufen werden?

Es macht mir immer Freude, neue Familien kennenzulernen. Im Prinzip ist die Arbeit, Hauswirtschaft und Kinderbetreuung, immer die gleiche. Darin habe ich viele Jahre Berufserfahrung. Und nach so zwei, drei Tagen habe ich mich ins Familienleben eingefunden. Weiß, wo was in den Schränken ist. Aber die Familien sind immer verschieden und das ist sehr reizvoll.

Ich fahre hier immer unterschiedliche Strecken durch den Landkreis oder wo ich sonst eingesetzt werde und lerne neue Leute kennen. Und die vertrauen sich einem oft an, es ist sehr persönlich und nett – das reizt mich auch.

Es kommt auch mal vor, dass man nach ein paar Jahren wieder in derselben Familie eingesetzt wird, weil es wieder einen Anlass gibt. Und dann sieht man wie sehr sich die Kinder verändert haben.

Vertrauen ist sehr wichtig in Ihrem Job, richtig?

Vertrauen ist sehr wichtig und dass ich die Kinder immer ernst nehme. Und sie das auch wissen. Dann vertrauen sie mir schnell. Und die Eltern vertrauen mir ihre Kinder an, wofür es auch viel Vertrauen braucht.

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Autorin

  • Marianne Strauch
    Marianne Strauch

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 28. Januar 2023, 19:30 Uhr