"Mythos Zolli": Doku spürt Bremerhavens großer Fußball-Historie nach

Uwe Seeler schwärmt noch heute von Bremerhavens bewegter Fußball-Vergangenheit. Eine Doku zeigt, wie einst Legenden auf dem "Zolli" spielten – und was aus ihm geworden ist.

Der Zollinlandplatz in Bremerhaven liegt etwas nördlich der Stadtmitte. Früher verlief hier in der Nähe die Zollgrenze zwischen der Bremer Gründung Bremerhaven und dem damals noch selbständigen Lehe, das zum Königreich Hannover gehörte. Daher hat der Platz seinen Namen. Berühmt wurde er aber für etwas anderes: die Fußballspiele, die bis Mitte der 1970er Jahre im Stadion auf dem "Zolli" ausgetragen wurden. Ein Dokumentarfilm zeichnet jetzt seine Geschichte nach.

Zwei Männer stehen vor einem Plakat.
Bernd Glawatty (links) und Burkhard Hergesell vor dem Filmplakat zu "Mythos Zolli". Bild: Radio Bremen | Catharina Spethmann

Eigentlich interessieren sich die Filmemacher Bernd Glawatty und Burkhard Hergesell gar nicht für Fußball. Und einen Film über Fußball wollten sie auch nicht unbedingt drehen. Aber genau das ist das Ergebnis ihrer Spurensuche zum "Zolli" geworden. "Erstmal wundere ich mich, dass in Bremerhaven bei einem Freundschaftsspiel so viel Leute da sind", sagt Ex-Bundesligaspieler Uwe Klimaschefski bei der Ansicht der alten Bilder. Dabei könne es sich ja nur um das Gastspiel von Schalke gehandelt haben. "Der Platz ist ja eine Katastrophe! Ich weiß, dass ich das Spiel gesehen habe."

Als Bremerhaven mit den Großen spielte

Zwei Männer kämpfen um einen Fußball.
Der HSV gastiert 1962 auf dem "Zolli". Bild: Bremerhavener Bildergedächtnis

Der gebürtige Bremerhavener erinnert sich noch an das, was ein alter Filmausschnitt zeigt: Männer in kurzen Hosen, die über einen unebenen Rasenplatz mit spiegelnden Eisflächen rennen. Schalke 04 in Bremerhaven? Ja, und zwar in einer Partie gegen Bremerhaven 93. Nie gehört? Das war zur großen Zeit des Amateurvereins ganz anders, sagt Filmemacher Hergesell.

Die bedeutendsten Namen des deutschen Fußballs haben hier gespielt: Uwe Seeler, Franz Beckenbauer – oder Uli Hoeneß. Und wenn man das realisiert, wer alles hier gewesen ist, ist das was Großes gewesen. Der FC Schalke hat hier gespielt, das ist in der Nachkriegszeit gewesen. Noch größer ging es nicht.

Burkhard Hergesell, Filmemacher

Über Bremerhaven hinaus bekannte Fußballer wie die Ex-Werder-Spieler Egon Coordes oder Uwe Klimaschefski begannen hier ihre Karriere. Auch Uwe Seeler jagte für den HSV über den Platz – oder wurde gejagt: "Wir sind fast immer Meister geworden", erinnert sich der Hamburger. 1955 zum Beispiel war ihm Bremerhaven 93 dabei als zweite Mannschaft dicht auf den Versen. "Dann waren wir ja doch gejagt", sagt Seeler.

Fußballgucken vom Rad oder aus dem Baum

Männer mit Hüten sitzen auf einer Tribüne.
Offiziell fanden 5.000 Zuschauer Platz im Stadion auf dem "Zolli". Bild: Bremerhavener Bildergedächtnis

Etwa 5.000 Zuschauer passten auf den Platz – offiziell. Tatsächlich waren zu den besten Zeiten immer mehr da. Schließlich ging man am Sonntag zum "Zolli" – fast egal, wer spielte. Als Jungs schlichen sie sich von hinten über die Tribüne, um den Eintritt zu sparen, erinnert sich Klimaschefski. Wer nicht mehr reinkam, stand auf Fahrrädern, die am Zaun lehnten – oder kletterte auf einen Baum.

Ich glaube, das war einmalig, wie viele Leute da in den Bäumen hingen. Das Stadion war ja immer übervoll, ausverkauft. Dass da nix passiert ist. Das war für uns immer wieder ein Erlebnis. Ich weiß natürlich auch, dass Bremerhaven eine sehr gute Mannschaft gehabt hat. Ja, es war immer schwer, in Bremerhaven zu gewinnen.

Uwe Seeler, Ex-HSV-Spieler

Urban Gardening statt Fußballstadion

Mehrere Männer stehen auf Fahrrädern und schauen über einen Zaun.
Wer zu spät kam, musste kreativ werden, um Spiele auf dem "Zolli" zu verfolgen. Bild: Bremerhavener Bildergedächtnis

Aber im September 1975 war Schluss. Der Platz war letztlich zu klein und nicht mehr ausbaufähig. Bremerhaven 93 ging im OSC Bremerhaven auf und spielte fortan im neuen Nordsee-Stadion des OSC. Das "Zolli"-Stadion wurde 2013 abgerissen.

Heute steht nur noch das alte Kabinenhäuschen – drumherum inzwischen allerdings Hochbeete mit Blumen und Gemüse, Sträucher, Blühwiesen. Und im Sommer ein Kioskcafé, das junge Leute unter freiem Himmel betreiben. Mit einem alten Seecontainer als Bar und einer umgebauten Badewanne als Sofa.

Hinter einem Holzbogen mit der Aufschrift "Das Beet" stehen Container und Menschen.
Das Urban-Gardening-Projekt "Das Beet" belebte den "Zolli" wieder. Bild: Radio Bremen | Luca Laube

Ihn habe die Begegnung mit den Fußball-Granden von damals bewegt, sagt Filmemacher Glawatty – und das Engagement der neueren Generation. Sechs Jahre lang haben sie an dem Film gearbeitet.

Bei der Stange gehalten hat mich eigentlich der Wille, das Projekt zu Ende zu führen. Und das tolle Material, das wir über die Jahre gesammelt haben, dann wirklich auch zu vollenden. Und zwar so, dass es andere auch interessiert.

Bernd Glawatty, Filmemacher

Autorinnen und Autoren

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Das Wochenende aus Bremerhaven, 24. April 2022, 11:48 Uhr