Interview

DLRG-Appell an Bremer Eltern: "Lassen Sie Kinder nie aus den Augen!"

Um sicher zu baden, sollten sich Kinder und auch Erwachsene an klare Regeln halten. Das kann überlebenswichtig sein, erklärt DLRG-Rettungsschwimmer Philipp Postulka.

Schon die einfachsten Baderegeln können über Leben und Tod entscheiden. Doch vielen Menschen sind nicht alle bekannt. Auch die Fähigkeit sicher zu schwimmen nimmt bei Kindern ab. Corona schränkte Schwimmkurse zusätzlich ein. Aus Sicht der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) ist das eine dramatische Entwicklung. Mit einer Tour entlang der Küste und durch die Republik wollen die Retter diese Entwicklung ändern und informieren an unterschiedlichen Stationen spielerisch über wichtige Tipps und Tricks.

Menschen laufen zwischen Zelten am Strand.
Im Weser-Strandbad in Bremerhaven ist Schwimmen wegen der Strömung zwar verboten – viel über Wasser zu lernen gibt es trotzdem. Bild: Radio Bremen | Felicia Lemke

Der Stopp im Weser-Strandbad in Bremerhaven ist besonders wichtig, denn normalerweise ist die Seestadt kein DLRG-Standort. Weil Bremerhaven keine Badesee hat, gastieren die Retter unweit der Havenwelten. Hier ist schwimmen zwar wegen der Weser-Strömung verboten, aber der Strand bietet genug Platz und die entsprechende Atmosphäre. Der Sprecher des Bremer Landesverbands, Philipp Postulka, nennt wichtige Grundlagen und zieht eine Zwischenbilanz der Badesaison.

Warum ist es derart wichtig Baderegeln zu beachten?

Mit der Beachtung der Baderegeln beginnt am See alles. Vielleicht ist es ein etwas angestaubter Begriff, aber dieser kleinste gemeinsame Nenner gilt immer. Daher sind die Regeln auch überschaubar. Wir haben sie in 30 verschiedene Sprachen übersetzt und illustriert, damit die Baderegeln möglichst alle verstehen. Wir verteilen sie auch an den Badeseen und haben sie auf unserer Webseite aufgeführt.

Das Abkühlen vor dem Baden ist zum Beispiel sehr wichtig, um Kreislaufproblemen vorzubeugen. Man sollte nicht mit zu vollem oder leerem Magen ins Wasser gehen. Nichtschwimmer sollten nur bis zum Bauchnabel hineingehen, da es in den acht Bremer Badeseen oft Abbruchkanten gibt. Dort kann man einfach untergehen. Wichtig ist: Ohne Not nicht um Hilfe rufen, da das sonst irgendwann nicht mehr ernst genommen wird. Wo Schiffsverkehr herrscht sollte nicht geschwommen werden. Und auch in freigegebenen Teilen der Weser muss auf Strömungen geachtet werden, gegen die selbst erfahrene Schwimmer nicht immer ankommen. Wir empfehlen Badeseen oder – noch sicherer – Schwimmbäder. Dort sind Überwachung, Wassertemperatur und Sicht besser als in freien Gewässern.

Und worauf ist beim Baden mit Kindern besonders zu achten?

Eine Faustregel für Familien am See ist: Kinder nicht aus den Augen lassen. Auch sollten Eltern nicht einige Meter entfernt auf der Decke sitzen und aufs Handy schauen. Denn dann ist das Kind zügig weit weggelaufen. Eltern sollten sich nicht darauf verlassen, dass andere aufpassen. Sonst kann schnell mal Panik ausbrechen. Also, am besten in Blick- und Griffnähe bleiben – das ist der Maßstab. Zu bedenken ist, dass Kleinkinder schon im Flachwasser ertrinken können. Sie haben einen schwereren Kopf und Probleme sich aufzurichten, wenn sie stürzen.

Was gilt speziell für Erwachsene?

Natürlich gelten auch für Erwachsene die Baderegeln. Wichtig ist, dass sich Alkoholkonsum schlecht mit baden verträgt. Dabei fühlt sich der Körper anders an und ist weniger leistungsfähig. Außerdem kann es zu Kreislaufproblemen kommen. Generell ist Selbstüberschätzung ein Problem. Wenn wir tätig werden, dann ist das regelmäßig ein Thema – zum Beispiel, wenn Schwimmende einen See durchqueren wollen und in der Mitte immer langsamer werden. Dann sind plötzlich beide Ufer weit weg und es kommt zu Panik oder Krämpfen.

Auch Erwachsene sollten nie alleine schwimmen gehen, damit zur Not jemand helfen kann. Das gilt insbesondere auch für Frühschwimmer in Seen. Da bekommt es keiner mit, wenn jemand untergeht. Es gibt außerdem extra Ballons, die sich wie eine Tasche überstreifen lassen. Die stören nicht beim Schwimmen, bietet Platz für Wertsachen, dienen als Markierung und geben Sicherheit zum Festhalten.

Ein Mann im gelben T-Shirt steht am Wasser.
Philipp Postulka, Sprecher der DLRG im Land Bremen, hat 1999 selbst dort schwimmen gelernt, wurde mit 15 Jahren Rettungsschwimmer und ist mittlerweile auch Einsatztaucher. Bild: Radio Bremen | Felicia Lemke

Und wenn doch etwas passiert?

Ertrinkende gehen meistens einfach unter und sind weg, ohne zu winken oder zu rufen. Das ist von Land aus schwer zu beobachten. Wenn Schwimmende immer langsamer werden und häufiger mit dem Kopf unter Wasser sind, ist das ein Indiz. Dann muss es schnell gehen. Als erstes sollten Helfer immer einen Notruf absetzen und andere Badegästen aufmerksam machen. Wer selbst gut schwimmt, kann sich auf den Weg machen und die Person mit nötiger Umsicht retten. Das wäre das Beste, wenn es keine Überwachung gibt. Sonst vergeht wertvolle Zeit, bis Retter eintreffen. Bereits ab drei Minuten ohne Sauerstoff kann das Gehirn irreversible Schäden bekommen.

Bewusstlose Personen kann man unter die Arme greifen und sie im Rückenschwimmen an Land ziehen. Ertrinkende können in Panik geraten und um sich schlagen. Dann ist Eigensicherung wichtig, also Distanz schaffen. Und Hilfsmittel nutzen, etwa Dinge mit Auftrieb, wie Luftmatratzen, oder ein Handtuch zum Festhalten. Kürzlich ist ein 18-Jähriger im Mahndorfer See ertrunken. Das hätte womöglich verhindert werden können, wenn andere eingegriffen hätten.

Wie verläuft die aktuelle Badesaison aus DLRG-Sicht?

Vorweg ist wichtig: Wir machen das ehrenamtlich, da werden nicht immer alle Einsätze gleich zentral gemeldet. Aber darin werden wir besser. Seit Beginn der Badesaison am 15. Mai haben wir im Landesverband Bremen bisher knapp 11.000 Helferstunden an den acht stadtbremischen Badeseen und in Wremen geleistet: Sportparksee Grambke, Waller Feldmarksee, Stadtwaldsee, Bultensee, Achterdieksee, Mahndorfer See, Sodenmattsee und Werdersee sowie Nordseeküste in Wremen. In Bremerhaven haben wir keinen überwachten See.

Bisher gab es im Land einen im See Ertrunkenen. 2021 waren es drei, 2020 und 2019 je zwei. In den Jahren davor waren es jedoch zum Teil acht oder neun. Trends lassen sich daraus schwer ableiten. Insgesamt hatten wir dieses Jahr 126 Einsätze, die über ein Pflaster hinausgehen. Es gab zwei Rettungen vor dem Ertrinken, beide am Achterdieksee. Das ist erheblich viel weniger als im letzten und vorletzten Jahr. Normalerweise bewegt sich das um die zehn Fälle. Vor Corona kamen wir im Saisonschnitt auf etwa 20.000 Helferstunden und mehr als 200 Einsätze.

Corona hat auch Schwimmkurse eingeschränkt – wie ist die Lage bei den Kindern?

Die Situation war in den Schwimmbädern schon vor Corona angespannt. Es gab eine große Nachfrage und Wartelisten. In der Pandemie hatten wir nun zwei Schuljahre ohne Schwimmausbildung, also ein bis zwei Jahrgänge die nicht richtig schwimmen gelernt haben. Das ist eine große Anzahl an Kindern, die wir ausbilden wollen und müssen. Denn Fußball und anderer Sport im Verein ist wichtig, aber ohne schwimmen zu können, ertrinken Kinder im Zweifel. Das machen sich viele nicht bewusst.

Bundesweit sind nur 40 Prozent der Kinder sichere Schwimmer auf Bronze-Niveau. Zum Vergleich: In den 1990er Jahren waren es noch 90 Prozent. Es zeigt sich bis jetzt zum Glück nicht in den Zahlen der Ertrunkenen, aber das kann noch kommen. Die Fähigkeit schwimmen zu können, wird oft als selbstverständlich angesehen – was es jedoch nicht ist. Die Nachfrage für Schwimmkurse bei uns ist sehr groß und es ist nicht einfach sofort einen Platz zu bekommen.

Wichtig ist, dass Kinder auch von ihren Eltern an Wasser gewöhnt werden – zum Beispiel unter der Dusche oder in der Badewanne. Was tun, wenn Wasser ins Auge kommt oder wie verhält sich der Körper unter Wasser? Dazu gibt es von der DLRG auch einen Flyer.

So bringt die DLRG Kindern spielend wichtige Baderegeln bei

Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 11. August 2022, 19:30 Uhr