Auf den Spuren der Balge: Wie dieser kleine Fluss Bremen prägte

Diese Spuren hat Bremens verschwundener Fluss in der Stadt hinterlassen

Bild: Bremer Staatsarchiv/Dillich Chronik | Wilhelm Dilich

Die Balge war der erste Hafen Bremens. Heutzutage erinnern nur noch Straßennamen und Gedenktafeln an den kleinen Fluss. Wir begeben uns auf eine historische Spurensuche.

Im Mittelalter floss durch die Bremer Innenstadt die Balge. Ein kleiner Fluss, der die Geschichte der Stadt entscheidend prägte und heute beinahe in Vergessenheit geraten ist. Im Jahre 782 wurde Bremen zum ersten Mal urkundlich erwähnt.

Der Siedlungsort war dabei kein Zufall. Die Weser diente in einer Zeit, in der Wasserwege die schnellsten Verbindungen waren, als Zugang zum Rest der Welt. Gleichzeitig bot die Bremer Düne durch ihre Höhe einen guten Schutz vor Hochwasser.

Bessere Verteidigungsmöglichkeiten

"Man hat den höchsten Punkt 10,5 Meter über Null ausgewählt und dort die erste Kirche gebaut – ein Vorgängerbau des heutigen Domes", sagt Katharina Rosen. Sie ist Leiterin der "Bremenlotsen" und bietet historische Stadtführungen durch Bremen an. Mit auf dem Programm steht eine Entdeckungstour auf den Spuren der alten Balge.

Neben dem Schutz vor Hochwasser konnte man von der Düne aus das Umland perfekt überblicken. Eine weitere Besonderheit an dem Standort war außerdem die Balge, ein kleiner Seitenarm der Weser, der bis zum Marktplatz südlich des Doms reichte. Aufgrund der andauernden Hochwassergefahr errichtete man den ersten Hafen Bremens direkt an der Balge, sodass die Binnenschiffer mit ihren Kähnen von der Weser in die Stadt fahren und am Marktplatz anlegen konnten.

Die Balge konnte man auch besser verteidigen als die Weser, da man nur den Ein- und Ausgang bewachen musste.

Katharina Rosen, Leiterin der "Bremenlotsen"

Die Balge war ungefähr 650 Meter lang und umfloss ein Gebiet, das etwa dem heutigen Martini- und Tieferviertel entspricht. Sie führte auf Höhe der Kunsthalle im Bogen am Marktplatz vorbei bis zur heutigen Teerhofbrücke und formte somit eine kleine Insel zwischen dem Hauptstrom und dem Marktplatz. Auf der Balgeinsel lag somit auch die Böttcherstraße.

Bei Ausgrabungen im Stadtgebiet hat man an vielen Stellen ehemalige Uferränder der Balge gefunden und geht daher davon aus, dass der Seitenarm einst rund 30 Meter breit war. Durch zunehmende Bebauung wurde der Fluss jedoch immer enger.

Aus der Balge werden zwei kleine Flüsse

"Die ganze Landschaft hat sich im Laufe der Zeit verändert. So war die Weser früher viel breiter und flacher, als sie es heute ist“, sagt Rosen. Die Balge war allerdings noch flacher als die Weser, was im frühen Mittelalter zum Problem wurde. Der Tiefgang der großen Hansekoggen machte eine Einfahrt in die Balge unmöglich: "Bremen musste also nachrüsten und legte 1247 den Schlachtehafen an", sagt Rosen.

Ungefähr zu dieser Zeit wurde etwa auf der Höhe von St. Johann ein künstlicher Durchstich angelegt, um für einen besseren Wasseraustausch in der immer mehr versandenden Balge zu sorgen. Der Durchstich teilte die Balge in zwei kleine Flüsse. In einen toten Arm, der durch das Johanniskloster lief und daher "Klosterbalge" genannt wurde und in einen unteren Arm der Balge, der fortan "Große Balge" genannt wurde.

Balge wird zum Abwasserkanal

Auf der Großen Balge verkehrten zwar noch immer kleine Kähne, doch der Fluss, der einst die kleine Siedlung belebt hatte, verlor zunehmend an Bedeutung und verkam immer mehr zu einem Abwasserkanal. "50 Jahre nach der Einweihung der Schlachte gab es immer mehr Beschwerden über den Gestank", sagt Rosen. Die reichen Anwohner der Balge bauten Toilettenerker über den Fluss und auch andere Bremer gossen Fäkalien in die Balge.

Die Balge war zu diesem Zeitpunkt mehr Ärgernis als alles andere.

Katharina Rosen, Leiterin der "Bremenlotsen"

Deswegen regelte die Stadt die Einführung von Fäkalien in die Balge 1399 in der "Balgenverordnung". Anwohner durften das ganze Jahr über Fäkalien einleiten, alle anderen mussten sich allerdings auf den Winter beschränken, wenn die Strömung stärker war und zusätzlich noch eine Gebühr entrichten.

Kurioserweise musste in dieser Verordnung auch geregelt werden, dass die Toilettenerker nur dann benutzt werden durften, wenn nicht gerade jemand unter dem Erker die Balge reinigte.

1602: Balge wird endgültig für Schifffahrt gesperrt

Obwohl das Gewässer mehr Abwasser als Fluss war, fuhren noch rund 200 Jahre Kähne auf der Balge. Erst 1602 wurde sie für die Schifffahrt endgültig gesperrt. Zu dieser Zeit war der Fluss nur noch 4,5 Meter breit. Um den Geruch endgültig loszuwerden, wurde die Balge 1608 kanalisiert und überbaut.

"Die Fäkalien hat man dann in Eimern vor die Tür gestellt und wurden dann von den Bauern abgeholt und als Düngemittel verwendet", sagt Rosen. 1838 war es dann mit dem Gestank vorbei: Die Balge wurde vollends zugeschüttet und verschwand aus dem Stadtbild.

Heute erinnern vor allem Straßennamen an die Balge

Seit den 90er Jahren erinnern allerdings wieder bronzene Tafeln mit der Aufschrift "Balge" an den Verlauf des Flusses. Auch Straßennamen wie die "Balgebrückstraße" und "Hinter der Balge" sind noch Zeugnisse aus der alten Zeit und die Straße "Stintbrücke" trägt ihren Namen aufgrund einer der zahlreichen Brücken, die einst die Balge überquerten.

Seit 2007 steht außerdem die Bronzestatue Fietje Balge beim Schütting. Der abgebildete fischende Junge soll an den Fluss erinnern, der einst die Stadt belebte.

Autor

  • Lukas Scharfenberger

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 30. März 2024, 19:30 Uhr