Weniger Arbeit, mehr Selfcare: Unterscheidet das Jung und Alt?

Flexible Vollzeit statt Vier-Tage-Woche? Bremer Politik ist uneins

Bild: Imago | Westend61

Die Jungen wollen nur mehr Freizeit – Arbeit hat keine Priorität? Wir haben drei junge Menschen gefragt, wo sie am meisten Konfliktpotential mit älteren Generation sehen?

Muss es immer die Vollzeitstelle mit 5-Tage-Woche sein? Oder reichen vier Tage nicht auch – und die Arbeit kommt nicht immer an erster Stelle? Gerade bei diesem Thema gehen die Vorstellungen durchaus auseinander. Aber auch bei Klimaschutz und geschlechtergerechter Sprache gibt es Redebedarf, erklären uns drei junge Menschen.

1 Annika Simon, Managerin Recruiting & Personalmarketing, 26 Jahre

Eine junge Frau steht an einer Wand und lächelt
"Arbeit ist wichtig, aber Karriere ist es weniger", sagt Annika Simon. Bild: Annika Simon | Privat

Annika hat Psychologie studiert und arbeitet als Managerin im Bereich Personalmarketing in Bremen. Fragt man sie nach ihren Arbeitsvorstellungen sagt sie: "Arbeit ist wichtig, aber Karriere ist es weniger." Ein gutes Team und Spaß an der Arbeit sind ihr am Ende wichtiger als viel Geld.

Den Ansatz der 4-Tage-Woche finde sie gut, um Arbeitsprozesse zu optimieren, sagt sie. Hat sie mal ein 3-Tage-Wochenende, falle es ihr leichter, sich zu erholen. Mit einer guten Ausbildung in Zeiten des Fachkräftemangels, ist es auch erlaubt, Ansprüche zu stellen, meint sie.  

Wir wissen, was wir wert sind.

Annika Simon

Die Ansprüche der Jungen würden sich verändern. Die größten Unterschiede zwischen Alt und Jung? Die sieht sie bei der Akzeptanz unterschiedlicher Lebensentwürfe. Man habe heute mehr Entscheidungsfreiheit.

Konfliktpotenzial gebe es beim Thema der Sensibilität für Diskriminierungsformen, Klimaschutz und damit auch Veganismus. Aber ein "Generationending"? – das sei Klimaschutz nicht. Sie kenne auch viele Menschen aus der älteren Generation, die sich dafür einsetzten. Lebensstile zu ändern, dazu seien manche nicht bereit. Aber Generationen gegeneinander aufzubringen, das sei wenig sinnvoll. Bei konfliktreichen Themen sollten alle Beteiligten "kleine Schritte aufeinander zugehen", sagt sie. "Aber man kann auch nicht jeden überzeugen, das ist nicht realistisch."

2 Chris Beer, am Empfang bei einem Friseur, 25 Jahre

Ein junger Mann steht im Frsieur Laden hinter der Theke und lächelt
Chris Beer arbeitet nur vier Tage die Woche – und ist damit sehr zufrieden. Bild: Chris Beer | Birgit Reichhardt

Zeit für sich zu haben, das ist Chris wichtig. Der 25-Jährige arbeitet bei einem Friseur in Bremen, nicht fünf, sondern nur vier Tage die Woche, wie alle in diesem Salon. Dadurch habe sich seine Lebensqualität verändert: "Der erste freie Tag ist immer Dekompensation, runterkommen. Schon der zweite ist für meine eigenen Sachen da", sagt er. "Für eigene Projekte, die Familie und für mich selbst." Chris meditiert, macht Yoga, leitet eine Männergruppe und engagiert sich in sozialen Projekten.

Jüngere Menschen fänden so einen Lebensstil eher selbstverständlich als ältere, glaubt er. "Wir sind mit Internet aufgewachsen, dadurch haben wir andere Lebensstile kennengelernt." Die Werte hätten sich verschoben bei den Jüngeren – von Arbeit hin zur Zeit für sich selbst, für die eigene Entwicklung und für das eigene soziale Leben.

Selfcare ist an Wichtigkeit gestiegen und für mich auch sehr wichtig geworden.

Chris Beer

Wäre er selbstständig und würde das lieben, was er tut, und wäre dies von Wert, würde er auch mehr arbeiten. "Aber als Angestellter ist die 4-Tage-Woche das Beste was mir passieren konnte."

Welche die größten Konflikte zwischen Jung und Alt sind, sei für ihn schwer zu sagen. Doch schwierig könne es werden, wenn sich ältere Menschen über die Einstellung der Jüngeren so viele Gedanken machten: Dass Arbeit für sie nicht mehr das Selbstverständlichste ist zum Beispiel. "Das führt vielleicht zu Sorge und Unsicherheit – und ruft Vorurteile hervor", sagt der 25-Jährige.

Wie viel Sinn macht es da, miteinander darüber zu reden? "Wann macht es nicht Sinn, miteinander zu sprechen?", fragt Chris zurück. Es mache immer Sinn, offen zu sein und miteinander zu sprechen: "Verständnis für einander ist immer wichtig, weil wir nur so voneinander lernen können. Weil jede Generation eigene Weisheiten und Einblicke und Erfahrungen mitbringt."

3 Christoph Erler, Finanzberater, 21 Jahre

Ein junger Mann steht vor einer verschwommenen Stadtkulisse und lächelt
Christoph Erler ist bereit, für seine Arbeit auch mal etwas Freizeit zu opfern. Bild: Christoph Erler | Privat

Beim Thema Work-Life-Balance und Karriere gehe er etwas gegen den Trend. Christoph arbeitet nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann als Finanzberater in Hamburg. Er arbeitet fünf Tage die Woche. Für die Arbeit sei er bereit, Teile seiner Freizeit zu opfern. "Das kommt sicherlich auch durch mein Umfeld". Er verstehe die Debatte um eine 4-Tage-Woche. Sport und Freunde kommen neben der Arbeit manchmal zu kurz, sagt Christoph.

Große Unterschiede beim Thema Digitalisierung

Wo die größten Unterschiede zwischen Jung und Alt liegen? Im Bereich der Digitalisierung und beim Nutzen von digitalen Endgeräten. Das merke er auch in seinem Arbeitsalltag in der Bank, wenn er älteren Menschen Online-Angebote erklärt.

Viele junge Menschen konsumieren schnell digital Nachrichten, ihr Wissen ist aktuell, sie haben einen Wissensvorsprung, meint Christoph. Wie wichtig ein Thema ist, unterscheide sich deutlich zwischen den Generationen. Die Generationen müssen miteinander sprechen, das ist extrem wichtig, betont er. Das Thema Klima und gendersensible Sprache habe ein großes Konfliktpotential. Gendersensibles Sprechen sei in seiner Generation in vielen Bereichen normalisiert, die ältere Generation zeige sich dahingehend oft konservativer.

Und beim Thema Klima? "Hierbei ist es völlig egal, zur welcher Generation man gehört." Sowohl Alt und Jung, wissen um das Ausmaß des Problems. Die junge Generation sei es aber, die mit einem Großteil der Folgen umgehen muss, sagt der 21-Jährige.

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 30. April 2023, 19:30 Uhr