Mord ohne Leiche – das Verschwinden der Jutta Fuchs

Collage zeigt Dirk Blumenthal und Jochen Grabler, daneben der Schriftzug Mord Nordwest

Mord ohne Leiche – das Verschwinden der Jutta Fuchs

Bild: Radio Bremen | Josefine Gotzes, Grafik: Christina Loock und Sabina Weinrich

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Eine Frau verschwindet spurlos. Schnell gerät ihr Lebensgefährte unter Verdacht. Die Leiche der Frau wird niemals gefunden – trotzdem kommt er wegen Mordes vor Gericht.

Ein Polizist blickt in den Pass von Jutta Fuchs (Archivbild)
Ein Autofahrer findet auf dem Parkplatz Mittelkämpe an der A27 das Portemonnaie von Jutta Fuchs. Bild: Radio Bremen

Ob Jutta Fuchs Opfer eines Verbrechens geworden ist, weiß niemand. Sicher scheint: Seit fast 30 Jahren hat niemand, der sie kannte, sie gesehen oder was von ihr gehört. Sehr wahrscheinlich ist sie nicht vor irgendwem oder irgendwas geflohen und untergetaucht. Wahrscheinlich hat jemand sie getötet und ihre Leiche sehr gut versteckt. Aber sicher weiß das – wie gesagt – niemand.

Jutta Fuchs lebte zusammen mit ihrem Lebensgefährten Wolfgang O. und dem gemeinsamen zweijährigen Sohn im Haus von O.s Eltern in Bremen-Nord. Im Sommer 1993 will sie die Beziehung beenden und ihren Sohn mitnehmen. Sie hat schon eine Wohnung gemietet, teilweise eingerichtet und den Kühlschrank mit Lebensmitteln gefüllt. Am 26. Juni soll der Umzug sein. Aber der findet nicht statt. Jutta Fuchs ist verschwunden. Am Tag danach wird auf einem Autobahnparkplatz am Bremer Stadtrand Jutta Fuchs‘ Portemonnaie mit Geld und Scheckkarte drin gefunden. Dazu ihr Reisepass, ihr Personalausweis, der Kinderausweis ihres Sohnes.

Der Verlobte unter Verdacht

Abgepumpter Tietjensee bei Schwanewede.
25 Jahre danach wird der Tietjensee leer gepumpt, ohne eine Leiche zu finden. Bild: Radio Bremen

Jutta Fuchs' Lebensgefährte Wolfgang O. gerät schnell unter Verdacht, etwas mit ihrem Verschwinden zu tun zu haben. Er hatte ein Motiv, weil sie ihn verlassen und den gemeinsamen Sohn mitnehmen wollte. Die Polizei ertappt ihn bei seinen Angaben darüber, was er am Abend in der Nacht vor Jutta Fuchs‘ Verschwinden getan hat, bei diversen Ungereimtheiten und Unwahrheiten. Und er hatte eine Möglichkeit, ihre Leiche absolut unauffindbar zu verstecken. Die Familie O. besaß nämlich eine Motoryacht. Die lag in Bremerhaven. Bis heute sind manche Ermittler der Kripo überzeugt: Wolfgang O. ist mit Jutta Fuchs' Leiche rausgefahren auf die Nordsee und hat sie da mit irgendwas beschwert und über Bord geworfen.

Mehr als ein Jahr ist vergangen nach Jutta Fuchs' Verschwinden, da ziehen zwei jugendliche Angler am Tietjensee nördlich von Bremen eine Plastiktüte aus dem Wasser. Und darin – neben drei Steinen, die all das unter Wasser gehalten haben – wieder Gegenstände von Jutta Fuchs: ihre Armbanduhr, ein paar Pumps mit Pfennigabsätzen, Gesichtscreme, eine Zahnbürste und weitere Dokumente, aber derart aufgeweicht, dass sie kaum zu entziffern sind. Allerspätestens da haben die Ermittler kaum noch Zweifel: Jutta Fuchs ist tot.

Späte Anklage und schneller Freispruch

Die Polizei tut, was sie kann, um ihre Leiche zu finden – und zwar Jahre lang. Taucher und ein spezieller Tauchroboter suchen den Tietjensee ab, mehrere Grundstücke werden quasi umgegraben, Leichenspürhunde werden eingesetzt, ein Sickergrube wird ausgespült und der Inhalt gesiebt, der Fall wird bei Aktenzeichen XY ungelöst vorgestellt. Alles vergebens.

2013 erhebt die Bremer Staatsanwaltschaft trotzdem Anklage gegen Wolfgang O.. Und nach einigem Hin und Her beginnt im August 2018 der Prozess vor dem Bremer Landgericht. Mitten im Prozess gibt es nochmal einen spektakulären Ermittlungsversuch: Der Tietjensee – 150 Meter lang, 80 Meter breit und rund 2,20 Meter tief – wird ausgepumpt. Es wird keine Leiche gefunden, keine Tatwaffe und auch sonst nichts, was zur Wahrheitsfindung hätte beitragen können. Danach plädiert sogar die Staatsanwaltschaft auf Freispruch für Wolfgang O.. Und der wird dann auch freigesprochen.

Wie gesagt: Ob Jutta Fuchs Opfer eines Verbrechens geworden ist, weiß bis heute niemand.

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Autoren

  • Dirk Blumenthal
    Dirk Blumenthal Autor
  • Jochen Grabler
    Jochen Grabler Redakteur und Autor