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Bremer Radprofi Kämna: "Mein Tour-Aus war super-ärgerlich"

Radprofi Kämna: "Die 10. Etappe schmerzt noch am meisten"

Bild: Radio Bremen

Lennard Kämna hat bei der Tour de France die Radsportwelt begeistert – und das Gelbe Trikot nur um elf Sekunden verpasst. Im Sportblitz-Interview blickt er zurück.

Lennard Kämna, Sie sind mit den Sixdays aufgewachsen, haben sie 2015 angeschossen. Wie sehr schmerzt auch Sie diese Absage?

Für mich persönlich ist es sehr sehr schade. Ich fand, es war immer ein super-schönes Event, gerade auch für Bremen. Es war das letzte Bisschen Radsport, das es in Bremen gab. Ich bin natürlich sehr traurig, dass es ausfällt, aber ich hoffe, dass es früher oder später wiederkommt.

Bei der Tour de France haben Sie um Etappensiege mitgekämpft, mussten dann mit einem Infekt vorzeitig heimfahren. Wie geht es Ihnen jetzt?

Mir geht es gut, ich bin wieder gesund und hoffentlich auch bald wieder fit. Ich hoffe darauf, dass ich Ende des Jahres noch in Italien am Start stehen kann. Ich bin jetzt langsam wieder im Formaufbau und es läuft in die richtige Richtung. Ich denke, dass ich da wieder in vernünftiger Form bin.

Denken Sie manchmal noch an die Emotionen der Tour de France zurück? Besonders die 10. Etappe, als Sie nur um elf Sekunden das Gelbe Trikot verpasst haben?

Ich muss sagen, im Nachhinein schmerzt die 10. Etappe am meisten. Ich bin der Meinung, dass ich da ins Gelbe Trikot hätte fahren können, wenn ich alles richtig gemacht hätte. Aber es gab ein paar taktische Fehler, das tut dann am Ende ganz schön weh. Aber ich denke, ich werde noch die eine oder andere Chance haben, darum zu kämpfen. Deswegen gucke ich trotzdem positiv in die Zukunft.

Radprofi Lennard Kämna im Studio von Bremen Eins am Mikrofon beim Interview.
Radprofi Lennard Kämna schaute am Freitag auch bei Bremen Eins vorbei. Bild: Leon Meyer

Wie niederschmetternd war es dann für Sie, als Sie aufgeben mussten?

Ja, das war wirklich super-ärgerlich. Ich wusste, ich war in einer super Form angereist und habe mich die ersten zehn Tage auch wirklich gut gefühlt. Und dann hat sich der Infekt ab der 11. Etappe immer mehr bemerkbar gemacht und ich bin eigentlich nur noch mitgefahren.

Ich habe es sogar noch einmal in die Ausreißergruppe geschafft, aber dann kann man einfach nicht mehr die absolute Topleistung abrufen. Dann merkt man, es macht keinen Sinn mehr und dann muss man rausgehen. Und das ist nie eine leichte Entscheidung. Man sagt tschüss zu den Mannschaftskollegen, das ist immer uncool.

2020 haben Sie bereits einen Etappensieg bei der Tour geschafft. Wollen Sie im nächsten Jahr um den Tour-Sieg mitfahren?

Das sicherlich noch nicht. Aber ich werde versuchen wieder Etappen zu gewinnen und ich werde mit Sicherheit irgendwann auch probieren, auf GC (Führender des Gesamtklassements, Anmerkung der Redaktion) zu fahren. Ob das direkt bei der Tour sein wird, muss man sehen. Vielleicht erstmal etwas kleinere Brötchen backen und dann sehen, wohin mich der Weg führt.

Ist denn der Tour-Sieg langfristig Ihr Ziel?

Nein, das nicht. Ich will gut fahren, vielleicht mal in die Top Zehn oder Top Fünf kommen. Das wäre ein absoluter Traum. Aber ich würde nie sagen, dass mein Ziel der Gesamtsieg bei der Tour ist. Das ist einfach ein bisschen zu hoch gegriffen.

Aber der Erfolg steigert von außen natürlich auch die Erwartungshaltung und den Druck. Wie gehen Sie damit um?

Es fing bei mir ja schon im Juniorenbereich an, dass die Erwartungshaltung an mich relativ hoch war. Am Anfang hat mir das ein bisschen mehr zu knabbern gegeben, als ich es eigentlich zugeben wollte. Aber mittlerweile ist meine eigene Erwartungshaltung auch relativ hoch. Das ist dann eher das, was mich blockiert als die von außen. Von daher macht mir das nicht mehr viel aus.

Was genau blockiert Sie da?

Nein, blockiert war es jetzt etwas übertrieben formuliert. Aber in den letzten Jahren ist es schon vorgekommen, dass ich mir sagte: Ich will so und so fit sein und wenn ich das nicht bin, gehe ich nicht an den Start. Ich fahre nur, wenn ich absolut top performen kann. Das ist da schon manchmal im Kopf, dass ich mir sage: 'Bleib mal ruhig, bleib auf dem Teppich. Es ist nicht schlimm, wenn du beim Rennen mal in etwas schlechter Form dabei bist. Dadurch entwickelt es sich.' Das war eher so mein Ding, was in meinem Kopf war. Aber das ist keine Riesen-Thematik bei mir.

Wie machen Sie sich davon frei? So oft können Sie ja nicht mehr durchs Blockland fahren, sie wohnen mittlerweile in Österreich.

Ja genau, wir haben in Österreich eine super Trainingsgruppe, eine nette Gemeinschaft. Wenn alle anderen auch Radprofis sind, geht immer jemand durch Phasen, wo er nicht so in Form ist und lieber noch weiter trainiert. Und ich habe dieses Jahr herausgefunden, dass man auch mit nicht perfekter Form gute Rennen fahren und sich zeigen kann. Das war für den Kopf sehr wichtig.

Wenn Sie dann hier in Bremen sind, ist das Familienstress oder Erholung pur?

Beides. Aber ich muss sagen, Familie ist für mich nie der riesige Stress. Ich mache das sehr gerne. Besonders, wenn ich viele Monate weg bin, steht dann natürlich immer ein bisschen auf dem Plan. Aber ich versuche, das auch zu genießen und bin mit meiner Familie auch sehr verbunden.

(Das Interview führte Janna Betten, aufgezeichnet von Petra Philippsen)

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Autorin

  • Janna Betten
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Dieses Thema im Programm: Sportblitz, 2. September 2022, 18:06 Uhr