Wochenbettdepression: Wie es eine Mutter aus dem Tief geschafft hat

Eine Frau sitzt auf dem Bett und schaut aus dem Fenster (Symbolbild)

Wochenbettdepression: Wie eine Mutter es aus dem Tief geschafft hat

Bild: Imago | pond 5 Images

Jede zehnte Mutter erkrankt nach der Geburt ihres Kindes an einer Depression. Die Krankheit wird aber oft spät oder gar nicht diagnostiziert und behandelt.

Ihr ganzes Leben lang war Irina Schröder eine Macherin, hatte alles im Griff. Dann, nach der Geburt ihrer Tochter 2017 bekam sie eine postpartale Depression, umgangssprachlich bekannt als Wochenbettdepression. "Ich hatte tiefste Liebe für mein Kind, aber tiefste Ängste, dass ihr was passieren könnte, dass sie entführt werden könnte, dass sie erstickt, dass sie am plötzlichen Kindstod stirbt“, erzählt die 36-Jährige.

Nach einer langen Geburt sind Kind und Mutter erschöpft, das Stillen klappt nicht so schnell. Schlafmangel und Hormonabfall führen dazu, dass Schröder immer mehr an sich zweifelt:

Ich konnte dann nichts mehr. Ich bin dann unsicher geworden im Umgang mit meiner Tochter, habe mir nichts mehr zugetraut.

Irina Schröder über den Beginn ihrer Erkrankung
Eine junge Frau mit langen braunen Haaren schaut lächelnd in die Kamera
Irina Schröder hatte nach der Geburt ihres ersten Kindes eine Depression, beim zweiten Kind achtete sie mehr auf sich und es ging es ihr psychisch gut. Bild: privat

Ein hoher Anspruch an sich selbst und Druck von außen, vermeintlich nett gemeinte Kommentare und Unverständnis für die Krankheit kommen dazu. "Die sozialen Medien suggerieren ja auch, alles ist super, und alles ist ein Traum, ein Baby“, erzählt sie. "Und dann ist man eben als gestandene Persönlichkeit grundlegend überfordert, weil Schlafmangel ist eine Foltermethode. Und ja, wenn dann der Schlaf fehlt, dann funktioniert auch das Gehirn nicht mehr.“

Sie kommt kaum noch zur Ruhe, kann nicht mehr schlafen und wiederkehrende Gedanken plagen sie. "Ich konnte mich nicht mehr entspannen, es wurde alles sehr, sehr, sehr schwer“, erzählt die studierte Betriebswirtin. Nach einem Klinikaufenthalt, verschiedenen Medikamenten, einem Hebammenwechsel und einer Psychotherapie, geht es Schröder besser.

Ohne die Medikamente und die Unterstützung wäre ich definitiv heute nicht mehr hier. Das kann ich so sagen. Das hat mir das Leben gerettet.

Irina Schröder

Ein Jahr nach der Geburt kann sie die Medikamente wieder absetzen. Auch die Selbsthilfe-Organisation Schatten und Licht, bei der sie jetzt ehrenamtlich andere Frauen berät, hat ihr geholfen. "Sich Hilfe zu holen, ist keine Schande. Man kommt da raus, alles kann gut werden oder wird wieder gut“, davon ist Schröder überzeugt.

Diese Erfahrung hat auch die Hebamme Andrea Lehmann gemacht. Sie ist seit über 33 Jahren Hebamme, arbeitet in einer Praxis in Bremen Nord. Und sie ist in der Zentralen Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge und als Familienhebamme tätig. "Es ist nur eine Krankheit, die ist behandelbar, total gut behandelbar“, sagt sie. Allerdings wird die postpartale Depression häufig zu spät oder gar nicht erst diagnostiziert und behandelt.

Unterschied Babyblues und Depression

10 bis 15 Prozent aller Frauen erkranken laut einer Studie der University of Pittsburgh an der sogenannten Wochenbettdepression. Die Symptome sind die einer klassischen Depression, lassen sich aber vor allem auf die Hormonumstellung zurückführen. Die Hormone Progesteron und Östrogene sind während der Schwangerschaft um bis zu 200 Prozent erhöht. In den ersten Tagen nach der Entbindung fallen die Werte wieder in den normalen Bereich oder sogar darunter. Mehr als die Hälfte der Frauen, die ein Kind bekommen, leiden dann unter Stimmungsschwankungen. Weil sie in der Regel von selbst abklingt, gilt das nicht als psychische Störung, sondern wird als "Babyblues" beschrieben.

Jede zehnte Frau entwickelt aber eine länger anhaltende Depression. Auch Frauen, die ihre Kinder bei der Geburt verloren haben, leiden häufig an der Krankheit. Für die Väter der Kinder und das gesamte Umfeld, aber vor allem für die betroffenen Frauen, kann die Krankheit eine große Belastung sein.

Durch den Hormonumschwung, durch die Überlastung, den Schlafentzug kommt sie in eine solche Notlage, dass diese depressiven Episoden stattfinden. Das ist keine Faulheit, die können nicht mehr. Sie sind wie erstarrt.

Hebamme Andrea Lehmann über ihre Patientinnen mit Wochenbettdepression

"Wenn die Frauen überhaupt sich nicht mehr bewegen können. Wenn nichts mehr klappt. Dann ist das nicht, weil die Frau keine Lust hat. Durch den Hormonumschwung, durch die Überlastung, durch den Schlafentzug kommt sie in eine solche Notlage, dass diese depressiven Episoden stattfinden. Das ist keine Faulheit, die können nicht mehr. Die sind wie erstarrt“, sagt Hebamme Lehmann.

Für sie ist es wichtig, die Krankheit zu erkennen und die Patientinnen dann an Ärzte und Psychologen weiterzuvermitteln. Denn eine unbehandelte Wochenbettdepression kann zu einer gestörten Mutter-Kind-Bindung führen. Auch Suizidgedanken können Teil der Erkrankung sein. Gut behandelt können die Frauen aber liebevolle Mütter und psychisch wieder völlig gesundwerden.

Wochenbettdepression kein Tabuthema mehr

Irina Schröder hat nach ihrer Tochter noch ein zweites Kind bekommen. Heute sind ihre Kinder sechs und zwei Jahre alt. "Ich bin wieder die Alte. Obwohl ich habe meinen Perfektionismus ein bisschen abgelegt, ich höre mehr auf mich und meine Grenzen“, sagt sie. Frauen, die ähnliche Symptome haben, möchte sie ermutigen, sich Hilfe zu holen und über ihre Krankheit zu sprechen. Wochenbettdepression soll kein Tabuthema mehr sein.

Autorin

  • Lieselotte Scheewe
    Lieselotte Scheewe Autorin

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 21. Februar, 17:20 Uhr