Warum einem in Bremerhaven ein Wikinger über den Weg laufen kann

So sieht das Leben eines Neuzeit-Wikingers in Bremerhaven aus

Bild: Radio Bremen

Vollbart, Rentierfell und Streitaxt – was nach Kostüm und Karneval klingt, ist für Jan Ostendorf Alltagskleidung. Der 30-Jährige verrät, was ihn an den Wikingern so fasziniert.

Wenn Jan Ostendorf das Haus verlässt, einkaufen oder einen Kaffee trinken geht, trägt er das mittelalterliche Gewand eines Wikingers. Sogar geheiratet hat er im Wikinger Look. Der 30-Jährige lebt in Bremerhaven. Geboren wurde er in Nordenham. Keine fünf Minuten hat das Ankleiden vorab gedauert und die Zeitreise ins mittelalterliche Wikingertum nimmt ihren Lauf. Für ihn ist das mittlerweile Routine.

Es ist super bequem, zweckmäßig, ich trag es gerne.

Jan Ostendorf aus Bremerhaven

Sein Künstlername ist "Jarl Totenfaust". Als Darsteller in Musikvideos kennt man ihn in der Szene. Mehr als 4.000 Menschen folgen ihm auf Instagram. Während einer Videoproduktion für den Song "Keine Regeln" traf der Bremerhavener auch auf den Rapper Finch und so haben inzwischen mehr als 12 Millionen Menschen den 30-jährigen Wikinger auf YouTube gesehen.

Was ihn an der Welt der Wikinger so reizt? "Das geht jetzt schon seit acht Jahren so, dass mich das interessiert. Ich mag die Bräuche und den Glauben an die alten Götter der Wikinger. Die haben sich ja auch nicht auf nur eine Entität beschränkt, das gefällt mir. Ihre Mythen sind spannend und auch recht humorvoll. Sowas findet man in der Bibel nicht wirklich. Und ich mag ihren Kleidungsstil", erklärt Ostendorf.

25 Stunden Handarbeit stecken in seiner Lederkrone

Imposanter Vollbart, Gewand, Rentierfell, Lederkrone und Streitaxt – die aufwendig verzierte Lederkrone auf seinem Kopf nennt sich Jarlskrone und ist das Zeichen eines Wikingergrafen. Jan Ostendorf hat sie in 25 Stunden Handarbeit selbst gefertigt. Das historische Handwerk sei total spannend und in der Szene tausche man sich über viele gestalterische Dinge angeregt aus. Als Wikinger komme man also auch gut in Kontakt mit vielen verschiedenen Menschen.

Unaufgeregt betritt Ostendorf inzwischen die geschäftige, gut gefüllte portugiesische Bäckerei in der Hafenstraße – und fällt auf. Viele drehen sich um, schauen den großen, kräftigen Wikinger verwundert an. Der Hüne bestellt gelassen ein paar Vanilletörtchen.

Ich denk mir immer, jeder soll das tun, was er will, solange es nicht in irgendeine radikale Richtung abdriftet. Und wer sich traut, mich anzusprechen, den kläre ich auch gern auf. Die Wikinger waren große Entdecker und ein extrem aufgeschlossenes Volk. Amerika haben sie zum Beispiel schon lange vor Columbus entdeckt.

Jan Ostendorf aus Bremerhaven

Völlig aus der Zeit gefallen ist er aber nicht: "Ich laufe nicht authentisch rum", sagt Ostendorf inmitten grell beleuchteter Glaskästen voller Gebäck und Sahnetörtchen. "Ich leb halt im heute nicht im damals...ich hab ja auch ein Handy, wenn auch mit Holzhülle", sagt er schmunzelnd. "Und die Kleidung trag ich einfach so, wie mir das optisch gefällt und ich es zweckmäßig finde. Das Schulterfell vom Rentier hält mich zum Beispiel schön warm, ist aber historisch nicht ganz korrekt. Das wären dann eher Tuniken mit Fellrand."

Auch farblich, erklärt er weiter, sei er nicht ganz authentisch unterwegs. "Die Farben grau, braun und schwarz waren auch nicht wirklich so vertreten. Die Wikinger waren ein sehr farbenfrohes Volk. Die haben viel gelb, blau und rot getragen."

Horn wurde zum Wecken genutzt

Auf dem Weg durch die Fußgängerzone fällt er jedoch auch in gedeckteren Farben deutlich auf. Spätestens als er kurz vor Erreichen des Weihnachtsmarktes in sein geschwungenes Rinderhorn bläst. Ein tiefer langer Ton erklingt.

Wofür die Wikinger das Horn einst genutzt haben? "Na zum Wecken", erklärt Ostendorf. Er nutze es aber einfach, wenn er "Bock darauf hätte". Zum daraus trinken aber jedenfalls nicht, das erkläre er immer wieder mal Menschen, die ihn auf das Horn ansprechen. Einen kräftigen Schluck Limo gönnt er sich inzwischen am Weihnachtsmarktstand zwischen lauter Glühweinseligen. Er selbst trinke gar keinen Alkohol.

Unter der großen, festlich geschmückten Weihnachtstanne mitten auf dem Platz erzählt der Hobbywikinger, dass er persönlich dieser Tage ja eher die Wintersonnenwende und die Raunächte feiere. Sein Plan kurz vor Heilig Abend? "Fisch räuchern mit meinem Vater in Nordenham und dann einfach nur entspannen."

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Autorin

  • Anke Plautz
    Anke Plautz

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 20. Dezember 2023, 19:30 Uhr