Alles rosa? Warum Mädchen die Farbe lieben und das nicht schlimm ist

Pinkisierung: Ist es schlimm wenn Mädchen nur rosa tragen?

Bild: Imago | Shotshop

Es gleicht einem Wahn: Spielzeug, Taschen und Kleidung für Mädchen kommt häufig in Rosa- und Pinktönen daher. Doch die Farbe rosa war nicht immer Mädchen vorbehalten.

Babyrosa, blassrosa, bonbonrosa, pink - gefühlt verfallen immer mehr Mädchen in Deutschland einem Rosa-Wahn. Wirft man einen Blick in die Regale von Spielwarenläden, bestätigt sich dieser Eindruck. "Es tendiert wirklich zu pink," findet auch Spielwarenverkäuferin Silke Neunziger. Die kleinen Kundinnen würden auf die pinken und glitzernden Spielzeuge losstürmen und vor ihnen stehen bleiben.

Pinker Nagellack
Bild: Radio Bremen

Der Trend ist stark. Eltern, die sich um eine geschlechterneutrale Erziehung bemühen, sind bei dem Ausmaß der "Pinkisierung" oft ratlos. Alternativen kämen gegen das Pink einfach nicht an. Für Tiefenpsychologin Angelika Rohwetter ist das allerdings kein Grund zur Sorge: "Ich halte das eher für eine positive Tendenz." Farben hätten eine bestimmte Wirkung. Die Farbe rot ist zum Beispiel selbstbewusst und distanziert. "Rosa ist sanfter", erklärt Rohwetter, "es ist eine weiche, sanfte Farbe und davon brauchen wir viel mehr."

Über Farben identifizieren lernen

Auch Jungen würde eine sanfte Seite durchaus stehen. "Wir leben in einem androgynen Zeitalter", sagt Rohwetter. Geschlechterstereotype würden dabei immer stärker aufgebrochen. Die Entwicklung von Kindern steht dem entgegen, sagt die Psychologin. Ab etwa dem vierten Lebensjahr hätten Kinder den Drang, sich bewusst als Mädchen oder Junge darzustellen. Da herrsche eine große Sehnsucht nach Geschlechtsidentität.

Die Spielzeug- und die Kinderfilm-Industrie reagiert zielsicher auf das Bedürfnis der Kleinen. "Es ist alles vorgegeben, weil wir in so einer technisierten Welt leben," erklärt Rohwetter. Deshalb identifizieren sich Kinder mit dem, was sie kennen. Für die Psychologin spielt dabei eine große Rolle, dass es wenig andere Identifikationsangebote gebe.

Kinder laufen nicht in der freien Natur rum und sehen ein Tier oder sehen Blumen und denken: 'Ach, das möchte ich, das ist eine schöne Farbe!' Es gibt so wenig Identifikationsangebote.

Tiefenpsychologin Angelika Rohwetter
Angelika Rohwetter, Tiefenpsychologin

Rosa – nicht immer eine "Mädchen-Farbe"

Und so schauen sich jüngere Mädchen das rosa bei den größeren ab. Die Pinkisierung nimmt ihren Lauf. Die Befürchtung mancher Eltern, ihre Töchter könnten dadurch keine toughen erwachsenen Frauen werden, teilt Angelika Rohwetter nicht. "Das ist keine Realität. An keiner Stelle habe ich die Erfahrung gemacht." Dabei ist das, was wir vom rosa halten, in der Geschichte Jahrhunderte lang genau anders herum gewesen. Bis 1920 wurde rosa eindeutig den kleinen Jungen zugeordnet. Mädchen trugen hellblau.

Rote Kleidung als Ausdruck von Macht
Rot und rosa brachten in der Vergangenheit meist von Macht und Reichtum zum Ausdruck. Bild: Radio Bremen

"Rot war die Farbe der Macht," erklärt Malika Methner, Gewandmeisterin am Theater Bremen. "Rot und rosa, das kleine rot, waren immer den Herrschern vorbehalten, wie beim roten Königsmantel." Die Farbe war außerdem sehr schwer zu färben und damit entsprechend teuer – ein Statussymbol also. Der Weg vom Rot zum Pink war dann nicht weit. Kleine Jungs in rosa könnten früher also ein Ausdruck für die Macht gewesen sein, die man sich für seinen kleinen Jungen wünscht, meint Methner.

Aus blau wird rosa

Dass die Damenwelt sich später des Rosas ermächtigte, könnte auf eine in Vergessenheit geratene Emanzipationsgeschichte hindeuten. In den 1920er Jahren hätte sich die Frauenrechtsbewegung auch die Farbe rosa erkämpft. Psychologin Angelika Rohwetter ist sich sicher: "Die kleinen Mädchen lassen sich durch alle Generationen nicht beirren, sie wollen ihr rosa." Für den Farbwechsel gibt es noch weitere Ansätze. Eine Theorie besagt, das die Arbeitskleidung von Matrosen und Handwerkern die Farbe blau bei Männern etablierte. Spätestens als die erste Barbie 1959 in den Spielwarenläden erschien, festigte sich die neue Farbaufteilung.

Ein Wandel zurück ist heutzutage für emanzipierte Jungen in Bremen aber nicht ausgeschlossen.

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Autorin

  • Anke Plautz
    Anke Plautz

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 11. Oktober 2022, 19:30 Uhr